C. Aus Europa.

[283] 1. Aus Finnland.


Der Fuchs umschleicht den Baum, auf dem sich das Nest der Elster befindet, und erklärt, er wolle sich Schneeschuhe daraus schneiden. Die Elster bittet: »Nimm nicht den Baum dazu, ich habe ja meine Jungen darauf.« Der Fuchs verlangt ein Junges, wogegen er den Baum stehen lassen will. Am andern Tage wiederholte sich das. Darauf kommt eine Krähe zur Elster und belehrt sie: Du hättest dem Fuchs nichts geben sollen, er kann gar keine Bäume umhauen. Als der Fuchs zum dritten Male kommt, erhält er nichts und erfährt, daß die Krähe der Elster guten Rat gegeben habe. Er nimmt auch Rache. »Er begab sich auf eine freie Wiese, streckte alle viere von sich und stellte sich tot. Es dauerte auch nicht lange, da bemerkte die Krähe auf ihren Streifzügen den Fuchs und ließ sich auf die vermeintliche Beate nieder. Sie machte sich eben daran, dem Toten die Zunge aus dem offenen Rachen auszuhacken, als der Fuchs, der nur darauf gewartet, sie mit einem Satze packte. [Die Krähe bittet: friß mich auf die rechte Weise.] Wirf mich diesen Abhang hinunter, so daß hier ein Flügel, dort ein Beinchen von den Steinen und dem Gestrüpp abgerissen werde. Dann sehen doch die Leute, wie du mich wegen meines Verrates bestraft hast.« [Der Fuchs tut es, die Krähe spottet: Im Fangen warst du Meister, im Behalten ein Stümper.]


  • Literatur: Schreck, Finnische Märchen S. 189 aus Rudbeck, Suomen Kansan Satuja III, 1863 übersetzt. Zur List der Krähe vgl. oben S. 281 die Sage der Nuba.

Das Volksgedächtnis begnügt sich, häufig mit Bruchstücken. Es bevorzugt einseitig das, was ihm des Aufbewahrens wert ist, und gibt das übrige preis. In diesem Falle erschien die List des Fuchses anziehend genug, um allein, ohne die Vorgeschichte, erzählt zu werden. Und so gibt es folgende zwei Geschichten:


2. Kleinrussische Fabel.


Der Sperling flog im Walde herum. Da sprach der Fuchs zu ihm: Wie schützt du dich vor dem Winde, wenn er von jener Seite weht? Da zeigte ihm der Spatz[283] an: So! Ich stecke meinen Kopf unter den Flügel und richte ihn nach dem Winde. Da sagte der Fuchs zu ihm: Wie denn? Und der Spatz sagte wieder: So! Da sagte der Fuchs: Wenn der Wind aber von der andern Seite weht, wie schützt du dich dann? Der Spatz zeigte es ihm: So! Und steckte den Kopf unter den Flügel. Der Fuchs springt auf, faßt den Spatz und ißt ihn auf.


  • Literatur: Verchratskij, Snadobi I, 151.

3. Aus der Oberpfalz.


Der Fuchs fragte das flinke Rotkehlchen: »Was tust du, wenn der Wind rechts herkommt?« Da steckte das Vögel chen seinen Kopf unter den linken Flügel. »Und was, wenn er links herweht?« Da steckte es das Köpfchen unter den rechten Flügel. »Und was, wenn er von vorne herpfeift?« Da steckte es das Köpfchen unter die Brust, und der Fuchs packte es und fraß es, denn es sah nicht.


  • Literatur: Birlinger, Nimm mich mit S. 63.

Für eine Abzweigung, die aus dem ersten Teil des Originals hervorgegangen ist, halte ich folgendes:


4. Märchen aus dem Gouvernement Nižegorod.


Auf einer Eiche lebte ein Specht, baute sich ein Nest, legte drei Eier und brütete drei Junge aus. Da kam der Fuchs zu ihm getrabt; poch, poch, mit dem langen Schwanz an die grüne Eiche: »Specht, Specht, komm von der Eiche herab; ich brauche die Eiche um ...1 zu biegen.« – Ach Füchslein, laß mich, ich habe ja erst ein Junges ausgebrütet. – »Ei Specht, wirf's mir her, ich will ihm das Schmiedehandwerk lehren.« – Der Specht warf es hinab, der Fuchs aber lief durch Busch und Wald davon und fraß es auf.

(Dasselbe wiederholte sich mit denselben Worten noch zweimal: Das zweitemal verspricht der Fuchs das Schuhmacherhandwerk, das drittemal das Schneiderhandwerk zu lehren.)


  • Literatur: (Gouv. Nižegorod Afanas'jev 1, 50. 2. Aufl., Bd. 1, Nr. 12.

Fußnoten

1 Im Russischen steht ein mir unverständliches, von Afanas'jev mit Fragezeichen bezeichnetes Wort sěčichičiki. – [sěči – steht hier wohl im Sinne von »Axtstiele« oder ähnl.; chičiki – ist eine der beliebtesten assonierenden Bildungen zum vorhergehenden Wort. A.v.L.]

Quelle:
Dähnhardt-Natursagen-4, S. 283-284.
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