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[152] Ein Zimmermann war mit einer Frau verheiratet, welche wohl die schönste und ehrbarste von ganz Caesarea war. Indessen fehlte es ihr nicht an Liebhabern, aber das Weib wußte sie sich vom Leibe zu halten, und niemand konnte sich rühmen, ihr auch nur die Fingerspitzen geküßt zu haben. Der Zimmermann aber war keiner von den Narren, die die Qualen der Eifersucht ausstehen, sowie sie sich mit einem hübschen Weibe verheiratet haben. Der seinigen sicher, ging er eifrig seinen Geschäften nach, ohne sich Sorgen in den Kopf zu setzen über Sünden, die sie nicht begehen wollte.
Zu den eifrigsten Liebhabern, die sich um das hübsche Kind scharten, gehörte der Pfarrer, der Kadi und ein reicher Teppichhändler.
Mündliche wie schriftliche Erklärungen, kleine Geschenke jedweder Art, Geldversprechungen, nichts war von den Liebhabern versäumt worden, um zu ihrem Ziele zu gelangen, will sagen, die Erlaubnis zu erhalten, bei der Zimmermannsfrau liegen zu dürfen. Über alles aber hielt die Schöne ihren Mann auf dem Laufenden.
»Nimm die Geschenke ruhig an,« sprach er, »es ist[153] das mindeste, daß wir uns auf Kosten dieser Lumpenhunde unterhalten!«
Die Zeit verstrich, ohne daß der Liebhaber Angelegenheiten auch nur eine Spur vorankamen. Ihre Hitze ward darum nur noch stärker. Und glaubten es mit einer Gefallsüchtigen zu tun zu haben, die ihnen den Brotbeutel hochhängte, in der Hoffnung, ihre Gunstbeweisungen sich um so teurer bezahlen zu lassen.
Der Maimond kam. Männer und Esel sahen zu dieser Jahreszeit ihre Gedanken sich auf die Liebesspiele versteifen, wie das Sprichwort spricht. Die drei Liebhaber beschlossen, jeder seinerseits und ohne miteinander in Einverständnis zu sein, sintemalen sie nicht wußten, daß sie Rivalen hatten, das Mögliche und das Unmögliche zu versuchen, um zu ihrem fleischlichen Ziele zu gelangen. Die Gelegenheit war günstig, da der Zimmermann außerhalb der Stadt arbeitete und nur selten nach Hause kam.
Eines Morgens, also am frühesten Tage, ging der Pfarrer rein wie zufällig an des Zimmermanns Hause vorbei. Die Frau war bereits beim Wäschewaschen.
Sprach er: »Guten Morgen, mein Kätzchen. Du mußt dich doch alleine im Hause langweilen!«
»Wahrlich, das ist ein etwas hartes Leben,« murmelte die Schöne.
»Ja, warum richten wir's denn nicht ein, daß wir zusammen ein weniges des Vergnügens pflegen?«[154]
»Weil ich Angst vor meinem Gatten habe. Ihr wißt, er ist ein Mann, der in solchen Sachen nicht mit sich spaßen läßt.«
»Ist er nicht für einige Tage von Hause abwesend?«
»Wahrlich; er hat mir gesagt, daß er bis Wochenende ausbleibe, und heute ist Dienstag!«
»Wenn es also ist, laß mich kommen und heute nacht bei dir liegen. Ich habe dir fünfzig Piaster versprochen, schön, ich werd' ihrer hundert bringen!«
»Die sollen mir gut zu statten kommen, denn ich bin nicht reich und würde mich gern etwas besser anziehn. Habe aber kein Zutrauen zu Euren Worten. Wenn ich Euch gegeben, was Ihr sucht, werdet Ihr Euer Versprechen vergessen!«
»Ach, mein kleines Herzchen. Es ist böse, daß Ihr mir nicht vertraut. Halt, ich werde dir das Geld gleich geben und füge zwei Piaster hinzu, auf daß du uns ein gutes Abendessen bereitest!«
Der Liebhaber reicht ihr das Geld und geht fort, sich einbildend, er wäre zwanzig Jahre alt.
Ein wenig hernach kommt der Kadi an.
»Guten Morgen, meine Schöne,« so er.
»Richter, guten Morgen!«
»Dein Mann ist für eine Woche draußen, ich weiß es. Nun denn, willst du zehn Medjidieh für das, um was ich dich gebeten habe?«
Das Weib sträubt sich, nimmt aber schließlich die zehn Medjidieh an.[155]
Kaum hat der Kadi den Rücken gewendet, als der reiche Teppichhändler anlangt.
»Habe gehört,« sagte er, »daß dein Zimmermann auf dem Dorfe arbeitet. Schön wie du bist und mit einem armen Burschen verheiratet, hast du Geld nötig. Ich bringe dir fünfhundert Piaster. Willst du heute abend bei mir schlafen?«
»Schon seit langen Zeiten steht mein Verlangen darnach, doch hab' ich Angst vor dem Zimmermanne, meinem Gatten.«
»Abgemacht. In welcher Stunde kann ich kommen?«
»Um zehn.«
»Auf heute abend, mein kleines Täubchen!«
Die Listige steckt ihre Piaster und Medjidieh ein, die ein Vermögen für den Haushalt bedeuten. Dann beauftragt sie die kleine Tochter der Nachbarin, ihren Mann aufzusuchen und ihm zu sagen, er solle gegen elf Uhr nachts zurückkommen. Sie aber kauft fürs Abendbrot ein, begegnet dem Priester und sagt ihm, er solle um neun Uhr zu ihr schleichen, und dem Kadi, den sie auf acht bestellt.
Als der Abend da ist, schleicht der Richter zur Schönen. »Ach, mein Täubchen, wie selig wollen wir sein,« ruft der verliebte Kater.
»Das Spiel, das wir zu spielen vorhaben, verlangt Kräfte,« läßt das Weibchen sich vernehmen, »ich habe ein gutes Mahl zubereitet. Setzen wir uns erst zu Tisch!«[156]
»Wir können doch hernach essen!«
»Nein, die Speisen würden kalt werden; tafeln wir erst!«
Der Kadi ißt und trinkt, dann singt er Lieder.
Plötzlich pocht's an die Tür.
»Das ist der Zimmermann,« murmelt das Weib. »Wir sind verloren. Was wird mit uns geschehn?«
Der Kadi wirft sich unter den Tisch. Ewig pocht's.
»Halt,« sagt das Weib, als wäre ihr soeben die Erleuchtung gekommen, »versteckt euch im Backtrog!«
Schnell kriecht der Kadi in den Trog, über den das Weib den Deckel schiebt. Dann öffnet sie dem geistlichen Vater, ohne den Tisch abgedeckt zuhaben. »Hatte Mühe, von meinem Weibe fortzukommen,« fing der Pope an, »doch hab' ich ihr eine so schöne Geschichte vorgemacht, daß sie mir die Nacht auszubleiben erlaubte ... Legen wir uns schnell ins Bett. Laßt uns keine Zeit verlieren.«
»Und das Abendbrot, das Ihr mich herrichten ließet?«
»Ich habe nur nach dir Hunger, kleines Hühnchen!«
»Ach, der Feinschmecker! Essen wir erst. Wir haben die ganze Nacht vor uns, um uns an anderen Dingen zu ersättigen.«
Mit Bedauern setzt sich der Pope zu Tisch. Das Weib unterhält ihn mit ihren Geschichtchen und Liedern. Die Stunde zum Besorgen anderer Arbeit läßt nicht auf sich warten.[157]
»Der Augenblick ist da,« sagt endlich die Verschlagene, »zieht Euch aus und ... aber ich wag's nicht zu sagen.«
»Redet, mein Täubchen!«
»Möchte Euch mutternackt sehn!«
»Ich will Euch befriedigen, meine Schöne.«
Kaum ist der Pfarrer nackt wie Adam, als es fröhlich an die Türe klopft.
»Mein Mann,« schreit das Weib auf, »schnell stellt Euch die Hände wie am Kreuz ausgespannt in die dunkle Ecke dort. Wenn mein Mann Euch sieht, werd' ich ihm vorreden, Ihr wäret ein Heiligenbild ganz neuer Art, welches ich gekauft hätte.«
Der Priester gehorsamt und fast alsogleich kommt der Kaufherr.
Hub an: »Die Stunden kamen mir reichlich lang vor. Und seit einer halben Stunde trotte ich vor deinem Hause umher. Habe ein kaltes Huhn und guten Wein mitgebracht, um unseren Liebeshunger zu wecken!«
»Das paßt ja ausgezeichnet. Ich habe Süßigkeiten hergestellt. Halten wir also Gutlebe!«
Die Schlaubergerin foppt den Kaufmann bis zu dem Augenblick, wo eben zu guter Zeit furchtbar gegen die Türe gepoltert wird.
»Willst du wohl aufmachen, Weib? Ich klopfe seit einer Viertelstunde!«
»Ich bin verloren,« sagt der Kaufmann.[158]
»Wartet ... Ich hab' einen Gedanken. Legt dies Ziegenfell über Euren Rücken und stellt Euch auf allen Vieren in die Ecke da. Wenn mein Mann dahin sieht, werd' ich sagen, ich hätte eine Ziege gekauft.«
Selig über diese List, gehorcht der Kaufmann.
Fluchend und wetternd tritt der Zimmermann endlich ein.
»Welch gutes Glück führt dich zu dieser Stunde her?« fragt ihn sein Weib.
»Fern von dir langweilte ich mich, immerfort stieg der Gedanke in mir auf, du lebtest hier flott mit deinen Liebhabern.«
»Liebhaber?« verwehrt sich das Weib. »Weißt genau, daß ich ein ehrbar Weib bin. Ich habe heut nacht einen Traum gehabt, der mir dein Kommen ankündigte. So hab' ich denn ein Mahl bereitet, indem ich auf dich harrte.«
»Reg' dich nicht auf mein Täubchen. Ich weiß, du bist gewiß tugendhaft, und die Liebhaber wissen, daß der Zimmermann sie in Stücke hacken würde, wenn er einen von ihnen erwischte. Gehn wir zu Tisch.«
Der Zimmermann und sein Weib verzehren alles, was von den Vorräten noch da war.
»Wenn wir nun zu Bette gingen?« schlägt der Mann vor. »Ich fühle mich trotz meiner Reise frisch und will einige Gänge durch deinen Weinberg machen!«
Die Schöne wünscht sich nichts Besseres. Sie zieht sich aus und bald hören die drei Unglücksmänner[159] Seufzer und Geräusche, die unter anderen Umständen den Teufel hätten in ihren Leib fahren lassen.
Endlich hat der Zimmermann genug. Er setzt sich im Bett hoch und brüllt:
»Hast du denn eine Ziege gekauft?«
»Ja, und zwei Piaster dafür bezahlt; das ist nicht viel Geld dafür!«
»Wahrlich, aber ich will keine Ziege dahaben. Auch stinkt das Biest nach Bock. Geschlachtet soll sie werden und wir wollen sie aufessen.«
Das Weib versucht ihrem Manne diese Absicht auszureden, aber er will nicht von seinem Vorhaben lassen. Er will die Ziege schlachten. Der Teppichhändler glaubt, sein letztes Stündlein sei gekommen, und stürzt nach der Türe. Doch nicht schnell genug, um nicht einen Buckel voll Stockhiebe von dem Zimmermann zu erhalten, der voll Wut schreit:
»Das ist keine Ziege. Den Teufel hast du eingehandelt! Töten wir den unsauberen Geist!«
Gegen die Tür gedrängt, gelingt es dem Kaufmann, sie zu öffnen, und er läuft davon, wie wenn ihm eine Koppel Hunde am Schwänze wäre.
Der Zimmermann kommt zurück.
»Nach diesem Abenteuer kann ich nicht schlafen,« hebt er an. »Ich will den Backtrog sauber machen und Brotteig anrühren.«
»Die Arbeit kannst du morgen machen.«
»Nein, heute nacht.«[160]
Er hebt den Deckel auf und stellt sich, als ob er den Kadi nicht sehe, der sich klein und kleiner macht. Schnell nimmt er einen Sack Mehl und schüttet es in die Butte. Der Richter niest.
Schreit der Zimmermann: »Was ist das? Noch ein anderer Teufel? Warte, du Satansbrut!«
Der ganz vermehlte Kadi springt ins Zimmer, und der Mann prügelt auf ihn los, wie wenn er ihn totschlagen sollte, bis es dem Richter gelingt zu entwischen.
Hebt der Zimmermann wieder an: »Nun bin ich mein Mehl los, was soll ich tun, um den Morgen abzuwarten?«
»Komm wieder ins Bett.«
»Nein, sehen wir, was es hier zu tun gibt«
Er läuft durchs Gemach, rückt und stellt alles um, bis er endlich in die dunkle Ecke kommt.
»Was ist das noch?« fragt er.
»Ein neues Heiligenbild, das man mir verkauft hat.«
»Und du hast keine Lampe vor ihm angesteckt?«
»Ich habe nicht dran gedacht.«
»Das Versäumnis werd' ich nachholen.«
Der Zimmermann zündete eine Lampe an und hielt unter dem Vorwande, das Heiligenbild zu betrachten, die Flamme unter die Füße, an die Waden und die Beine des Popen, der Märtyrerqualen erleidet und sich nicht zu rühren wagt. Hub plötzlich der Zimmermann an: »Was sehe ich? Das Bildwerk ist[161] unflätig. Dieser Christus hat einen Klöppel und Glocken wie ein Mensch. Gewöhnlich verbirgt man solche Dinge; ich will dies Bildwerk nicht.«
»Es fortwerfen, wäre eine Freveltat.«
»Gut; dann will ich ihm diese ekelhaften Glieder abschneiden, die dich erröten lassen müssen. Wohin hast du meine große Schere gelegt?«
Während der Zimmermann seine Schere sucht, springt der Pfaffe; mutternackt wie er ist, kommt er mit einem Sprunge an die Tür, mit einem zweiten ist er draußen.
Natürlich unternahmen es weder der Richter noch der Kaufmann noch der Priester ihr Geld zurückzuverlangen, und ließen davon ab, des schrecklichen Zimmermanns Weib um Stelldicheins zu bitten.
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