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Akukodschisch
oder die Familie der Ferkelkaninchen

[137] Weit oben im Norden lebte ein weibliches Ferkelkaninchen mit seinen Jungen in einer Höhle. Es war Winter und sehr kalt. Da die Kleinen noch zu schwach waren, um sie in dieser rauhen Jahreszeit vor die Tür zu lassen, suchte die Mutter tagtäglich allerlei Wurzeln und sonstige eßbare Dinge, die sie eben finden konnte, damit sie nicht verhungerten.

Aber die Jungen waren sehr ungeduldiger Natur; das Leben in der eintönigen Höhle war ihnen zu langweilig, und sie wollten mit aller Gewalt hinaus in die freie Natur. »Verhaltet euch doch ruhig!« rief ihnen die Mutter zu. »Was wollt ihr denn draußen tun? Es[137] schneit und hagelt ja, als ob die Welt untergehen wollte. Wartet doch, bis der Frühling kommt.«

Da sie ihnen jedoch schon seit längerer Zeit dasselbe gesagt hatte, so argwöhnten die Kleinen irgendeine Betrügerei; und sie hatten auch recht, denn als ihre Mutter einst im Schlaf lag und ihr dabei der Mund offenstand, bemerkten sie in ihren Zähnen die Überreste zarter weißer Wurzeln, die man nur im Frühjahr findet. Augenblicklich wanderten sie alle hinaus in den grünen Wald, und als die Mutter erwachte, hatte sie niemanden mehr um sich.

Quelle:
Knortz, Karl: Märchen und Sagen der Indianer Nordamerikas. München: Verlag Lothar Borowsky, 1979, S. 137-138.
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