[142] 46. Der Maguary und der Schlaf

[142] Man erzählt, daß der Maguary den Schlaf töten wollte und ihn auf einem Ast erwartete. »Ich will diesen Schlaf töten; jetzt will ich wachen, um ihn zu töten.« Er wartete. Der Schlaf ließ nicht lange auf sich warten. Der Maguary sah eine Gestalt kommen. »Das scheint der Schlaf zu sein, der da kommt.« Man sagt, daß, als die Gestalt schon nahe war, und der Schlaf ganz nahe war, der Maguary nickte und plötzlich aufflog und schrie: »Kua! kua! kua! ...« Und der Maguary flog davon. –

»Nun siehe, mein Herz, ich wußte es nicht, als ich nickte, aber jetzt will ich ihn wieder erwarten.«

Er wartete. Da sah er wieder in seiner Nähe eine dunkle Gestalt, die sich ihm näherte.

»Hier kommt er; jetzt will ich ihn mit meinem Schnabel spießen.«

Schon kam die Gestalt ganz nahe, als der Maguary nickte; plötzlich öffnete er die Augen, erschrak und flog davon, indem er schrie: »Kua! ... kua! ... kua! ...«

So geht es jede Nacht, seit undenklichen Zeiten.


46. Der Maguary und der Schlaf
Quelle:
Koch-Grünberg, Theodor (Hg.): Indianermärchen aus Südamerika. Jena: Eugen Diederichs, 1927, S. 142-143.
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