48. Batrás rächt seines Vaters Tod

[177] Batrás ging mit seinem Heerhaufen nach der Stadt Týnty, um seines Vaters Tod zu rächen. Sein Gefolge hub an zu kämpfen, jeder einzelne für sich. Da sagte Batrás: »Wenn ihr nicht bloß scherzt, so geht, holt zwölf Paar Ochsen und schleppt meine Kanone her; dann werden wir weiter sehen.« Die Kanone wurde herbeigebracht; zwölf Maß Pulver schüttete man hinein. Dann lud sich Batrás selbst in die Kanone und sagte zum Zieler: »Ziele gut auf die Stadt und schieße!« Der[177] Schuß ging los und Batrás war in der Stadt und fing an, die Häuser einzureißen. Dann suchte er den Mälik, aber niemand wollte ihm dessen Haus zeigen, und wer ihm dies verweigerte, den erschlug er. Schließlich fand er ihn selbst. »Sei gnädig,« sagte der Mälik, »erschlage mich nicht, soviel du willst zahle ich dir als Wehrgeld.« »Dich habe ich gesucht,« antwortete Batrás, »dich will ich, außer dir nehme ich für das Leben meines Vaters weder Vieh, noch Geld.« Sprach's, hieb ihm den Kopf ab und nahm diesen mit. Und was er in Týnty an Knaben, Mädchen und schönen Sachen fand, alles nahm er mit. Dann trug er den Kopf des Mälik auf den Friedhof und hing ihn an einer Stange über dem Kopfende des Grabes seines Vaters auf44. Dann rief er seine Narten zusammen und veranstaltete ein Opferfest.

»Ich habe meinen Vater gerächt«, sagte er. Eine ganze Woche lang behielt er die Narten bei sich, und die ganze Zeit verbrachten sie in Schmausereien.

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Beides, die Weigerung, Wehrgeld anzunehmen und das Opfer des Feindeshauptes auf dem Grabe des Erschlagenen sind sicher echt altkaukasische Zuge. Das Wehrgeld war je nach der Klasse des Erschlagenen verschieden, doch war die Einheit immer Vieh, wenigstens bei den Tagauro-Kurtatinern und den Alagiro-Mamissonern; bei ersteren mußte für einen Äldar 240 Ochsen, bei den Alagirern 324 Kühe, bei den Mamissonern 486 Kühe bezahlt werden (Leontovič, Adaty kavkazskix gortsev Bd. 2, S. 63 f.)

Quelle:
Dirr, A.: Kaukasische Maerchen.Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 177-178.
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