LIII.

[216] Es war einmal ein König in Aegypten, der hatte eine Tochter, die war besessen. Sie zerriss ihre Kleider und rief fortwährend: »Malke.« Es war kein Arzt mehr übrig, den sie nicht geholt hätten, aber die Aerzte vermochten nichts. Nun fragten der König und die Leute der Stadt: »Was ist nur Malke?« Man sagte ihnen: »Es ist Einer auf dem Ṭûr-el-'Abdîn, der heisst Malke und er ist ein Heiliger.« Da schickte der König von Aegypten die Diener und trug ihnen auf: »Geht hin, ruft ihn und sagt ihm: ›Es verlangt nach dir der König von Aegypten, er wird dir viele Goldstücke geben.‹« Als die Diener zum Ṭûr-el-'Abdîn kamen, fanden sie Malke gerade mit dem Bau des Heiligtums beschäftigt; sie küssten seine Hand, er aber sagte: »Gott segne euch, wozu seid[216] ihr gekommen?« »Wir sind zu dir gekommen.« »Woher seid ihr?« »Wir sind die Diener des Königs von Aegypten.« »Wozu seid ihr gekommen?« »Die Tochter des Königs ist besessen, da hat er Uns zu dir geschickt; er sagt: wenn er kommt und meine Tochter heilt, gebe ich Ihm viele Goldstücke.« »Geht, ich werde kommen«, erwiderte er. »Komm mit uns.« »Nein, geht, ich werde kommen; wenn ihr nach Aegypten kommt, werdet ihr mich dort finden.« Da gingen die Diener, wärend Malke an dem Heiligtum weiterbaute. Dann machte auch er sich auf den Weg und langte in einer Stunde in Aegypten an, vor den Dienern kam er dort an. Er begab sich gleich in den königlichen Palast, und alsbald wurde das Mädchen gesund und zog ihre Kleider an. Er hiess den Teufel aus ihrem Leibe herausgehen und nahm ihn gefangen, dann betete er über ihr, und sie war geheilt. Da sagte der König zu ihm: »Fordere Gold von mir, so viel du immer willst.« Er aber antwortete: »Ich bedarf deines Goldes nicht.« Nun hatte der König einen Brunnen vor der Thüre, der hatte einen Brunnenrand aus einem Steine und einen Brunnentrog von Marmor. Da sagte der heil. Malke zu ihm: »Gib mir diesen Brunnenrand und diesen Brunnentrog.« »Du kannst sie ja nicht tragen.« »Lass dich das nicht kümmern.« »So nimm sie.« Nun hing er den Brunnenrand dem Teufel um den Hals und den Trog legte er ihm auf den Kopf, und sagte: »Voran! Teufel!« »Ich kann nicht.« »Du kannst, Verfluchter!« Da ging der Teufel, der heilige Malke folgte ihm und betete. Da sagte der Teufel: »Das fehlte mir noch: den Brunnenrand um den Hals, den Trog auf dem Kopfe, und nun noch das Geplapper hinter mir.« »Voran! Teufel!« sagte der Heilige. So kamen sie zu Beduinenzelten. Da sagte der Teufel zum heiligen Malke: »Ich bin müde geworden.« »Dann lege den Brunnenrand von deinem Halse hin, und auch den Trog, und ruhe dich aus.« Der Teufel tat das, und der heilige Malke legte sich schlafen. Nun war da ein Kalb angebunden, die Kuh kam von der Weide, die Frau aber, der die Kuh gehörte, ging Wasser holen. Da stand der Teufel auf, band das Kalb los und liess es zu der Kuh hin, und das Kalb fing an, an der Kuh zu saugen. Der Herr des Kalbes kam gerade nach Hause und sah das Kalb saugen, er band es daher wieder fest. Da kam auch die Frau vom Wasser zurück. »Warum hat das Kalb gesaugt?« fragte er sie. »Ich war Wasser holen gegangen, ich habe es nicht gesehen.« Da erschlug er die Frau; nun kamen aber die Verwandten der Frau und erschlugen den Mann; diesen wollten wieder seine Verwandten[217] rächen und schlugen sich auf Leben und Tod mit den Verwandten der Frau. – Der heilige Malke hatte unterdessen geschlafen und nichts gemerkt, nun aber fragte er: »Was hast du angefangen, Teufel?« »Ich habe gar nichts getan.« »Was hast du angefangen? sprich!« »Da war ein Kalb angebunden, die Kuh kam gerade von der Weide, da habe ich es zu seiner Mutter gelassen, und es hat an ihr gesaugt.« »Gott verfluche dich!« sagte der Heilige und trat zwischen die Beduinen und liess nicht zu, dass sie weiter stritten; über den Gefallenen betete er, da wurden sie wieder alle heil und standen auf. Dann ging er weiter, nachdem er dem Teufel den Brunnenrand wieder um den Hals und den Trog auf den Kopf gelegt hatte. Unterwegs trafen sie einen andern Teufel, der sass auf dem Felsen, auf dem Gipfel des Berges. Der rief dem Teufel mit dem Troge auf dem Kopfe zu: »Wol bekomme dir dieser Turban!« Da sagte der andere: »Sieh mal, heiliger Malke, was der zu mir sagt.« Malke antwortete: »Geh nur voran, der soll dafür dort oben auf dem Felsen bis in alle Ewigkeit bleiben.« – Der Heilige kam mit seinem Teufel nach Hause und befal ihm: »Setze den Trog langsam zur Erde.« Als er das getan hatte, fuhr jener fort: »Lege den Brunnenrand auf die Oeffnung der Cisterne.« Als der Teufel auch das getan hatte, stiess der Heilige ihn in den Brunnen, dass er hineinfiel, und rief ihm nach: »Nicht mehr mögest du auf die Oberfläche der Welt kommen.« So blieb der Teufel im Brunnen. So oft die Leute den Eimer hinablassen, um Wasser hinaufzuziehen, hält der Teufel den Eimer fest; dann sagen sie: »Lass los, Malke kommt.« Dann lässt er ihn los.

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 216-218.
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