LIV.

[218] Es war einmal ein Mann und eine Frau; da starb der Mann und hinterliess ein Töchterchen; sein Haus aber fiel dem Fiscus zu. Da machte sich die Frau auf, nahm das Töchterchen und ging davon, denn sie dachte: »Ich will hingehen und Nonne werden.« So ging sie nach Mar Gabriel, setzte sich daselbst in's Heiligtum und weinte; das Töchterchen hatte sie bei sich. Sie schläferte es ein, und sie schliefen beide bis zum Morgen. Als sie aufstand, weckte sie auch das Töchterchen; da war dasselbe ein Knäbchen geworden. Sie rief dem Mönch: »Herr, komm.«[218] »Was gibt's?« fragte dieser. »Unser Töchterchen ist ein Junge geworden«, antwortete sie. »Sprich nicht davon; es wäre Sünde«, sagte dieser. Es ist nun zwei Jahre her, dass dies in unserem Städtchen Midhjât geschah.

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 218-219.
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