LVI.

[219] Der Riese Dschimdschim war vierzig Ellen hoch und die Breite seiner Brust betrug zehn Spannen, die seiner Stirne aber sechs Spannen; sein Körper hatte den Umfang von fünf Männern, und jeder seiner Füsse war eine Elle lang. Er glaubte an das gesprenkelte Kalb und wusste nicht, dass es einen Tod gab, noch dass es einen Gott gab; er fastete nicht und betete nicht, sondern diente dem Kalbe. Da sprach Gott: »Es ist nun genug; steige zu ihm hinunter, o Friedensengel (Todesengel)!« Der Friedensengel stieg zu ihm hinunter, konnte ihm jedoch nichts anhaben, sondern musste unverrichteter Sache zu Gott zurückkehren. Da befal dieser: »Steige du zu ihm hinunter, grosser Engel.« Da stieg der grosse Todesengel zu ihm hinunter und rief: »Riese Dschimdschim, lege dich hin!« »Ich will mich nicht hinlegen«, antwortete jener. Darauf packten sich der Engel und er gegenseitig, und der Engel sprach: »Mit Gottes Hilfe«; damit warf er den Riesen Dschimdschim zu Boden und nahm ihm seine Seele; dann brachte er sie hinauf und führte sie zu Christus. Dieser rief: »Nun, Riese Dschimdschim!« »Ja!« »Wen betest du an?« »Das Kalb.« »Warum?« »Ich weiss nicht.« »Meinst du denn nicht, dass es einen Gott gebe? der die Erde, die Berge und den Himmel auf einander gesetzt hat, und der Kirchen und Schulen eingerichtet hat, damit die Leute beten und fasten; du aber folgst dem Kalbe.« »Ich habe gesündigt, Herr«, erwiderte er. »Das nützt nichts.« »Ich bin ein Sünder, Herr«, wiederholte jener. »So bringt ihn an einen guten Ort,« befal er den Engeln, »weder in die Hölle, noch in den Himmel.« Auf kurdisch aber singt man über den Riesen Folgendes: O Riese Dschimdschim, o Profet Simeon, am Rande des Meeres schritten sie mit einander dahin; da trafen sie den lichtumglänzten Jesus; dieser fragte: »O Riese Dschimdschim, o Profet Simeon, warum streitet ihr gegen den Engel Aſrael?« Jener antwortete: »O stralender Jesus, wir waren Sünder.«

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 219-220.
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