LXI.

[242] Es war einmal ein König der Fliegen, der herrschte über das Land der Fliegen, aber er hatte keine Macht über sie. Er hatte eine Wache, die in jeder Nacht die Runde machte. Einmal Nachts gerieten zwei Fliegen mit einander in Streit und tödteten sich gegenseitig. Darauf kam eine andere Fliege, die fand die beiden Erschlagenen da liegen und besah sich dieselben. Obgleich sie mit den beiden nichts zu schaffen hatte, wurde sie von der Wache abgefasst und vor den König gebracht. »Diese hat zwei erschlagen«, berichtete die Wache. »Wesshalb hast du sie erschlagen?« fragte der König. »Bewahre!« antwortete jene, »ich weiss nichts von ihnen, o König!« »Aber die Wache hat dich bei ihnen betroffen.« »Ich war zu einer Familie gegangen, um etwas zu plaudern«, rechtfertigte sie sich, »und war auf dem Wege nach Hause, da fand ich Erschlagene und besah sie mir, in diesem Augenblicke fassten mich die Wächter.« »So sollen die Leute, bei[242] welchen du warst, schwören«, entschied der König. »Ja.« »So geht und ruft sie«, befal er. Man ging sie rufen, und sie wurden gefragt: »War diese Fliege in der letzten Nacht bei euch?« »Ja«, antworteten sie, und der König liess die Fliege frei und hielt sie nicht länger gefangen. In einer andern Nacht, als die Scharwache wieder ihre Kunde machte, erblickten sie eine Ameise, sie liefen ihr nach, aber dieselbe entfloh, und die Wächter verfolgten sie. Nun stak da ein Ring in der Erde, sie zog an demselben, da öffnete sich eine Thüre in der Erde, von welcher Stufen abwärts führten. Die Wächter verfolgten sie immer weiter, stiegen auch die Stufen hinunter und fanden, dass unter der Erde eine andere Welt war. Nun kam auch die Scharwache der Ameisen, verhaftete die der Fliegen und führte sie vor den Fürsten der Ameisen. »Woher seid ihr?« fragte dieser. »Wir sind die Scharwächter des Königs der Fliegen.« »Wesshalb seid ihr hierher gekommen?« »Wir sahen Nachts eine Ameise in unserm Lande und verfolgten sie, da war ein Ring in der Erde, daran zog sie, es öffnete sich eine Thüre, von der Stufen abwärts führten, wir gingen ihr nach und stiegen so in dieses Land herunter, und da verhafteten uns deine Scharwächter.« Darauf bewirtete der Fürst sie freigebig und sagte: »Schlaft bis zum Morgen hier und dann beseht euch unser Land.« Sie schliefen bis zum Morgen, dann besahen sie sich jenen Tag das Land der Ameisen. Auch sahen sie die schöne Tochter des Fürsten. Als der Tag sich neigte, nahmen sie Abschied und sagten: »Wir wollen gehen.« »Geht!« antwortete er. Sie kamen, öffneten die Thüre und gelangten wieder auf die Erdoberfläche. Gleich begaben sie sich zum Könige der Fliegen, der fragte sie: »Wo wart ihr gestern Nacht und heute?« Als sie es dem Könige erzält hatten, sagte er: »Kommt, zeigt mir die Ameisen.« »Komm!« erwiderten sie. Darauf gingen die drei Wächter mit dem Könige zu dem Ringe, zogen an ihm, die Thüre öffnete sich, sie traten ein, stiegen die Stufen hinunter in das Land der Ameisen und begaben sich zum Fürsten. Er fragte: »Wer ist dieser?« »Das ist der König der Fliegen«, antworteten sie. Da bewirtete er ihn mit grossen Ehren, sie assen und vergnügten sich. Darauf fragte er ihn: »Zu welchem Zwecke bist du, o König, in unser Land gekommen?« »Ich bin gekommen, es zu besehen.« »So besieh es dir.« Da sah der König sein Wunder am Lande der Ameisen. Als er auch die Tochter des Fürsten gesehen hatte, sprach er: »Fürst!« »Ja!« »Gib mir deine Tochter für meinen Sohn.« »Ich will sie geben«, erwiderte er. Da warben sie in[243] aller Form um sie, und der Fürst entgegnete: »Wenn ihr kommt, sie zu holen, so bringt mir hundert Lasten Honig.« »Zu Diensten!« antworteten jene. Nach der Werbung kehrten sie in das Land der Fliegen zurück; der König kam und erzälte seinem Sohne: »Ich habe für dich um ein Mädchen geworben, wie es kein schöneres gibt.« »Wer ist sie denn?« fragte er. »Die Tochter des Fürsten der Ameisen.« »So bringt sie, damit ich sie sehe.« »Dazu brauchen wir hundert Lasten Honig.« »So gehe ich hundert Lasten Honig beim Fürsten der Bienen holen«, versetzte er und begab sich alsbald zum Bienenfürsten. Dieser fragte ihn: »In welcher Absicht kommst du?« »Ich komme wegen Honigs«, antwortete er, »mein Vater schickt mich, ich wünsche hundert Lasten Honig.« »So geh und bringe uns Gras«, versetzte jener, »damit die Bienen es fressen und dir Honig machen.« Da berief er alle Fliegen, Gras zu sammeln, gab es den Bienen, und diese gaben ihm hundert Lasten Honig; er lud den Honig auf und brachte ihn nach Hause. Darauf brachte der König der Fliegen den Honig zum Fürsten der Ameisen. Er begab sich zu ihm und sagte: »Da ist der Honig.« Jener aber antwortete: »Ich gebe meine Tochter nicht in das Land der Fliegen.« »Wie so?« »Gib mir deinen Sohn, lass ihn zu mir kommen, dann gebe ich ihm meine Tochter, und er soll bei mir bleiben.« Da ward der Fliegenkönig zornig, stritt mit dem Fürsten und kehrte zornig nach Hause zurück. »Wo ist die Braut?« fragte sein Sohn. »Er hat mich belogen«, erwiderte er, »und sie nicht gegeben; er sagte: ›gib mir deinen Sohn, lass ihn zu mir kommen‹, ich aber antwortete: ›ich gebe meinen Sohn nicht; du gibst mir deine Tochter nicht, wie soll ich dir meinen Sohn geben?!‹ So stritten wir, und ich kehrte zurück.« –. Darauf rüstete der König ein Fliegenheer aus und zog gegen die Ameisen, um dem Fürsten seine Tochter mit Gewalt zu entreissen. Als der Fürst der Ameisen hörte, dass der König ein Heer gesammelt habe und komme, die Braut mit Gewalt zu entführen, da machte er sich auch auf und führte das Ameisenheer auf die Oberfläche der Erde hinaus, und nun begann der Krieg der Ameisen und Fliegen. Die Ameisen stechen die Fliegen und tödten sie so, die Fliegen aber setzen sich den Ameisen auf den Rücken, und diese bersten vor Aerger; auf diese Weise tödten sie die Ameisen. So kämpften sie einen Monat lang, auf beiden Seiten gab es viele Todte und Verwundete. Darauf kehrte das Heer der Fliegen nach Hause zurück, und das der Ameisen ebenfalls; die Fliegen brachten die Verwundeten in die[244] Häuser, ebenso die Ameisen. Der Fürst der letztem fragte nach einem Arzte, der die Verwundeten heile. Man sagte ihm: »Da ist der Wurm, der ist ein guter Arzt.« Da begab der Fürst sich zu demselben. Auch der König der Fliegen fragte nach einem Arzte, und auch ihm sagte man: »Da ist der Wurm, der ist Arzt und heilt die Verwundeten.« Da begab sich auch der König zu dem Wurm, aber er fand den Fürsten schon bei ihm. Der Fürst wollte ihn mitnehmen, der König aber sagte: »Mit mir geht er«, und der Fürst sagte: »Mit mir geht er.« Die beiden gerieten an einander, und der Fürst tödtete den König. Dann nahm er den Wurm mit, und dieser heilte die Verwundeten der Ameisen alle. Darauf sagte der Wurm: »Ich will nach Hause gehen.« »Gut! gehe!« antworteten sie. Als er in das Land der Fliegen kam, fragte man ihn: »Hat dich der König nicht gefunden?« »Allerdings.« »Wo ist er denn?« »Der Fürst hat ihn getödtet«, erwiderte er. Da wurden die Fliegen rasend vor Zorn. Der Wurm aber heilte die Verwundeten der Fliegen. Die Ameisen kamen Nachts in's Land der Fliegen, um zu stehlen, aber sie gerieten in das Fliegengewebe, und da sie aus demselben nicht entfliehen können, so tödteten die Fliegen sie. Darauf rüstete der Sohn des Königs ein Fliegenheer aus, schickte zum Fürsten der Bienen und liess ihm sagen: »Küste ein Bienenheer aus und stosse zu mir.« Der Fürst der Bienen sammelte ein Heer und kam zum König der Fliegen. Darauf brachen die beiden Heere auf und zogen gegen die Ameisen. Auch das Heer der Ameisen rückte aus und begann den Kampf mit den Fliegen; das Bienenheer kam diesen zu Hülfe, und sie schlugen die Ameisen. Darauf stiegen sie in das Land derselben hinab, nahmen es ein, tödteten den Fürsten und führten seine Tochter weg. Die Bienen zwangen die Weiber der Ameisen, ihnen zu Willen zu sein, und schändeten die Mädchen; jede von ihnen raubte sich ein Ameisenmädchen. Da erliess der König der Fliegen eine Bekanntmachung: »Jeder Fliege, welche ein Ameisenmädchen nimmt, lasse ich den Kopf abschlagen.« »Wie?« fragten die Fliegen, »aber die Bienen rauben doch die Mädchen?« »Ueber die Bienen habe ich keine Gewalt«, antwortete der König. Die Tochter des Fürsten aber nahm er mit, und als er nach Hause gekommen war, liess er sie sich antrauen. Die Bienen kehrten auch in ihr Land zurück und nahmen die Ameisenmädchen mit. – Bald erreichte den Kaiser der Ameisen die Kunde: »Sie haben den Fürsten und die Ameisen seines Landes getödtet, das Land haben sie geplündert, die Weiber geschändet und die Mädchen[245] geraubt.« »Wer hat das getan?« fragte er. »Die Fliegen und die Bienen.« Da machte sich der grosse Kaiser der Ameisen auf, versammelte ein Heer ohne Zal und zog gegen die Bienen. Oberhalb des Bienenlandes befindet sich ein Fluss, dessen Wasser lenkte er in der Nacht auf das Bienenland, so dass die Bienen alle ertranken, die Ameisenmädchen aber kamen heraus auf die Oberfläche des Wassers und wurden von den Ameisen und den Mücken? welche über dem Wasserspiegel weben, herausgezogen. Darauf wandte der Kaiser sich gegen die Fliegen und lieferte ihnen eine Schlacht. Als der König der Fliegen aber einsah, dass das Heer des Kaisers in der Uebermacht war, befal er den Fliegen: »Fliegt weg, denn ihr seid zu schwach gegen die Ameisen.« Die Fliegen flogen weg und nahmen die Tochter des Fürsten mit sich in die Lüfte. Als die Ameisen zuschauten, sahen sie das Heer der Fliegen nicht mehr auf der Erde; da kehrten sie in ihr Land zurück.

Nicht lange darauf erkrankte die Tochter des Fürsten, die Frau des Königs der Fliegen, an einer schlimmen Krankheit; der König suchte nach einem Arzte, konnte aber keinen finden. Da traf er einen Käfer, der fragte ihn: »Wohin, o König?« »Meine Frau ist von einer schlimmen Krankheit befallen worden«, erwiderte er, »ich suche nach einem Arzte.« »Die Tochter des Königs der Schlangen war auch sehr schwer erkrankt«, versetzte der Käfer, »da haben sie einen Arzt zu ihr geholt, und sie ist wieder gesund geworden, geh hin und frage die Schlangen nach dem Arzte.« Da machte der Fliegenkönig sich auf den Weg, den König der Schlangen aufzusuchen. Er traf eine Schlange, die fragte ihn: »Wohin, o König der Fliegen?« »Woher weisst du, ob ich ein König bin oder nicht?« entgegnete er. »Ich weiss es«, sagte sie. Darauf fragte er sie: »Wo ist der König der Schlangen?« »Lege dich zu mir«, versetzte sie, »dann sage ich dir, wo er ist.« »Das geht nicht an«, erwiderte er. »Gewiss«, wiederholte sie, »lege dich zu mir, oder ich beisse dich.« Damit setzte sie den König in Furcht, und er wollte ihr Begehr erfüllen. »So komm«, sagte sie, »lass uns dort hineingehen.« »Nein, hier«, versetzte er. »Hier, unter freiem Himmel«, entgegnete sie, »das wäre Sünde.« Da ging er mit ihr hinein. Sie streifte das Schlangenkleid ab und legte Menschenkleider an, und ward eine Frau, wie es keine schönere gibt. Da vergass er die Ameisenprinzessin, und als die Schlange ihn fragte: »Willst du mich zum Weibe nehmen?« antwortete er: »Ja.« Sie riefen den Sperling, und dieser traute die beiden. Darauf legte die Schlange wieder ihr Schlangenkleid an und sagte:[246] »Komm, ich will dir das Haus des Königs der Schlangen zeigen.« Sie gingen hin, sie zeigte ihm dasselbe, er trat zum König der Schlangen ein, ging auf ihn zu, ergriff seine Hand und küsste dieselbe. »Wer bist du?« fragte er ihn. »Ich bin der König der Fliegen.« Da rief der Schlangenkönig allen Schlangen, die versammelten sich und fragten: »Was wünschest du, o König?« »Macht eine Illumination«, befal er, »eine grosse Illumination, zehn Tage lang, der König der Fliegen ist zu mir gekommen, er wird dann den Fliegen Befehl geben, dass sie sich nicht auf euch setzen, wenn die Menschen euch tödten.« Als die Schlangen die Illumination veranstaltet hatten, fragten die übrigen Tiere sie: »Was ist das für eine Illumination, die euer König veranstaltet hat?« »Der König der Fliegen ist zu uns gekommen«, erwiderten sie, »desshalb hat er die Illumination veranstaltet.« Als nach zehn Tagen die Illumination zu Ende war, sprach der König der Fliegen: »Deine Tochter ist krank gewesen, wer ist der Arzt, der sie geheilt hat?« »Wer ist denn deine Frau?« fragte jener. »Die Tochter des Ameisenfürsten.« Da teilte er ihnen mit: »Die Schildkröte und der Wurm haben sie geheilt.« Jener begab sich zur Schildkröte und sagte: »Meine Frau ist krank geworden, komm und heile sie, was du willst, gebe ich dir.« Die Schildkröte ging mit ihm, und auch die Schlange, der er zu Willen gewesen war, seine Frau. So kamen sie zum Wurme. »Wurm!« sagte er. »Ja!« »Meine Frau ist krank geworden, du und die Schildkröte sollt sie heilen; was du forderst, gebe ich euch.« So nahm er den Wurm und die Schildkröte mit, und auch die Schlange begleitete ihn. Als er nach Hause gekommen war, verwandelte die Schlange sich in den Todesengel der Frau, und sie starb. Da sagten die Schildkröte und der Wurm zum Könige: »Gib uns den Lohn für unsere Reise.« Der aber antwortete: »Nichts gebe ich euch, meine Frau ist gestorben.« Der Wurm und die Schildkröte kehrten nach Hause zurück.

Einst erzälte der König der Schlange die Geschichte seines Krieges mit dem Kaiser; da sagte sie: »Der Kaiser hat eine Tochter, eine schönere gibt's nicht.« »Wir können nicht dorthin gehen«, antwortete er. »Ich lege dir Schlangenkleidung an«, versetzte sie, »wir gehen zum Kaiser, ich beisse ihn, und wir entführen die Tochter.« »So soll es sein!« erwiderte er. Sie legte dem König Schlangenkleidung an, dann machten sie sich auf den Weg und fragten nach dem Sitze des Ameisenkaisers. Als sie dorthin gekommen waren, traten sie bei ihm ein. Der Kaiser aber wusste[247] nicht, dass es der Fliegenkönig war, er meinte, sie seien Schlangen. Die Schlange sprach mit dem Fliegenkönig in der Sprache der Schlangen und erklärte ihm: »Dieser ist der Kaiser, und diese ist die Tochter, und das ist seine Frau, Söhne hat er nicht.« »Wie sollen wir's anfangen?« fragte der König auch in der Schlangensprache. »Wir gehen einen Geistlichen suchen, der uns einen Zauberspruch schreibt, dann rauben wir dem Mädchen den Verstand, so dass sie mit uns flieht, und ich beisse den Kaiser, dass er stirbt.« Sie begaben sich nun zum geistlichen Oberhaupte der Füchse, zum Schêch Nâïb, der hat einen Turban auf dem Kopf. Sie setzten sich zu ihm, und er fragte: »Wesshalb seid ihr gekommen?« »Schreibe uns einen Zauberspruch«, antwortete die Schlange, »verwirre den Verstand der Tochter des Kaisers der Ameisen für den König der Fliegen.« »Ja«, erwiderte er, »was wollt ihr mir dafür geben?« »Wenn wir nach Hause gehen«, versetzte sie, »so komm in das Land der Fliegen, und wir geben dir eine Ziege.« »Gut!« sagte er, fertigte den Zauberspruch aus und fuhr fort: »Legt ihn in Wasser und gebt ihr dasselbe zu trinken; wohin immer ihr dann geht, folgt sie euch.« Sie kehrten mit dem Zauberspruch zum Kaiser zurück und nahmen bei ihm Platz. Darauf bat die Schlange die Tochter des Kaisers um Wasser, legte den Spruch hinein, trank vorher selber und gab das übrige dem Mädchen zu trinken. Wo sie nun immer Sassen, da setzte sie sich zu ihnen. Darauf fragten sie sie: »Willst du mit uns kommen?« »Ja«, antwortete sie. Da legte die Schlange ihr Schlangenkleidung an, biss den Kaiser, und die drei entflohen. Als sie in das Land der Fliegen gekommen waren, heiratete der König die Tochter des Kaisers; und die Schlange war auch seine Frau; es stellte sich aber heraus, dass diese Schlange die Tochter des Schlangenkönigs war. Als die Ameisen hörten, dass die Tochter des Kaisers mit den Schlangen entflohen war (von dem König der Fliegen wussten sie natürlich nichts), und dass die Schlange den Kaiser gebissen hatte, setzten sie einen neuen Kaiser auf den Thron, rüsteten ein Heer und zogen gegen den König der Schlangen, indem sie behaupteten: »Die Schlangen haben die Tochter des Kaisers geraubt und den Kaiser gebissen.« Da rief der Schlangenkönig allen Schlangen und fragte die Ameisen: »Kennt ihr die, welche den Kaiser gebissen hat?« »Ja«, antworteten sie. Die Schlangen kamen alle zusammen, aber die Ameisen konnten diejenige nicht darunter entdecken, welche den Kaiser gebissen hatte. Daher sagten sie: »Unter diesen ist sie nicht.«[248] »Es gibt aber weiter keine Schlangen mehr als meine Tochter«, antwortete der König. »Wo ist denn deine Tochter?« fragten jene. »Die hat den König der Fliegen geheiratet.« »Jene ist es«, riefen sie, »es ist ein Werk des Fliegenkönigs, auf zu ihm!« Aber der König sagte: »Greift mich an, zieht nicht gegen den König der Fliegen, denn er ist mein Schwiegersohn.« Nun begann der Kampf der Schlangen und Ameisen. Der Schlangenkönig aber liess tausend Lasten Schmalz holen und verteilte dasselbe über das Schlachtfeld. Die Ameisen glitten auf dem Fette aus und verwirrten sich zu einem Knäuel, und dann erschlugen die Schlangen sie. Auf diese Weise tödteten sie die Ameisen. Als der König der Fliegen hörte, dass die Schlangen und die Ameisen mit einander kämpften, rüstete er auch ein Heer, um seinem Schwiegervater zu Hilfe zu ziehen, dieser aber schickte zu ihm und liess ihm sagen: »Du brauchst nicht zu kommen, ich habe die Ameisen schon todt geschlagen.«

Ein Jahr war verflossen nach der Niederlage der Ameisen, da starb auch der König der Fliegen. –.

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 242-249.
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