[280] Es war einmal ein Leopard, dem tödtete man Vater und Mutter, als er noch ganz klein war; aber Gott liess ihn aufwachsen, so dass er gross und stark wurde. Da führte er sich als Frau die Tochter des Vogels heim, bekam aber von ihr keinen Sohn; dann holte er sich die Tochter des Wolfes, und darauf die Tochter des Löwen zur Frau, so dass er nun drei Weiber hatte; von diesen drei Weibern schenkte ihm Gott einen Sohn. Als dieser herangewachsen war, wurde er todtkrank, jedoch genas er wieder. »Da nun mein Sohn gesund geworden ist«, sagte der Vater, »so will ich ihm eine Frau zur Ehe begehren, und zwar die Tochter des Elfenkönigs.« Er tat dies, und dann befal er dem Wolf, dem Vogel, dem Fuchs und dem Hund hinzureisen und die Braut heimzuführen. Der Fuchs sagte: »Ich kann nicht zu Fuss hingehen!« »Aber wie so denn?« fragte jener. »Gib mir den Esel, dass ich auf ihm reite.« Da stieg der Fuchs auf den Esel, und sie brachen auf; sie reisten in's Land der Elfen, um dem. Sohn des Leoparden die Braut heimzuführen. Als sie zum Elfenkönige gelangten, sagte der Fuchs zu demselben: »Schnell gib uns deine Tochter, damit wir sie heimführen.« Da wurde der König zornig über den Fuchs; der Vogel aber und der Wolf sprachen zu ihm: »Warum hältst du nicht dein Maul? es bedarf eines grösseren, als du, um zu reden.« Der Fuchs antwortete: »Wer ist grösser als ich?« Hierauf warfen die Elfen den Fuchs in's Gefängniss und übergaben die Braut dem Vogel, dem Wolf und dem Hunde; diese nahmen sie mit fort, wärend der Fuchs als Gefangener dort blieb. Der Hund aber führte das Pferd, auf welchem die Prinzessin sass. »Hund!« rief sie. »Ja!« »Ich gebe dir mein Wort bei meiner Seele, du hast viel Mühe mit mir gehabt, dafür werde ich mich von dir küssen lassen.« »Schön«, antwortete dieser. So zogen sie weiter und brachten die Braut[280] zur Wohnung des Leoparden; dort liessen sie sie vom Pferde steigen und man vermälte sie mit dem Sohne des Leoparden; letzterer veranstaltete einen grossen Schmaus und lud alle Tiere dazu ein. Aber der König der Mäuse und der König der Flöhe Waren zornig und schlugen es aus, an dem Hochzeitsschmaus Teil zu nehmen. »Warum?« fragte man sie. »Wesshalb hat man uns damals bei der Werbung nicht um Rat gefragt? jetzt ladet man uns zum Hochzeitsessen ein; wir haben ihr Essen gar nicht nötig.« Sie gingen nicht hin; aber er veranstaltete seinen Schmaus, und die, welche hingingen, assen. Da erkundigte er sich nach dem Fuchse: »Wo ist der Fuchs geblieben?« fragte er. »Er ist gefangen.« »Wo das?« »Beim König der Elfen.« In Folge dessen machte sich der Leopard auf den Weg, ihn zu befreien, er begab sich zum Elfenkönig und stieg bei ihnen ab; dabei erwies man ihm Ehre und bewirtete ihn reichlich. Er bat um den Fuchs, und man liess denselben frei.
Hierauf machten sich der Fuchs und der Leopard auf die Heimreise; als sie aber eine Tagereise weit gekommen waren und die Sonne untergangen war, fanden sie eine alte Schlange. Der Fuchs rief derselben: »Schlange, hast du keinen Platz bei dir im Hause, woselbst ich diese Nacht mich schlafen legen könnte, denn ich bin müde geworden.« »Freilich, mein Kind, habe ich Platz bei mir«, antwortete diese. Der Leopard aber sprach: »Fuchs, lass uns weitergehen!« Der Fuchs sagte: »Ich kann nicht mitkommen, ich bin müde, auch schmerzen mich meine Füsse noch von den Fussfesseln.« »Wie du willst«, entgegnete jener und ging weiter. Der Fuchs aber legte sich bei der Schlange zur Kühe, und auch diese schlief ein; da durchstöberte er die Wohnung. Die Schlange hatte zwanzig Piaster in einem Beutel; er band sich denselben an den Schwanz und machte sich in der Nacht auf und davon. Er kam damit zur Füchsin; die hatte eine Tochter. Er fragte die Mutter: »Willst du mir nicht deine Tochter zur Frau geben?« »Ja wol.« »Wie viel Heiratsgeld verlangst du von mir?« »Vierzig Piaster«, antwortete sie. »Schön, mit Vergnügen«, sagte jener und gab ihr die zwanzig Piaster, welche er bei sich hatte, indem er sprach: »Du hast noch zwanzig Piaster von mir zu gut; unterdessen gib mir deine Tochter, dass ich sie heimführe, und lass die andern zwanzig als Schuld bei mir stehen.« Jene aber wollte nicht einwilligen. Da ging der Fuchs zum Leopard und bat ihn: »Leihe mir doch zwanzig Piaster.« »Ich habe keine bei mir«, entgegnete dieser. Als der Fuchs nun zur Füchsin zurückkam,[281] hatte diese die zwanzig Piaster ausgegeben. »Füchsin!« rief er. »Ja!« »Entweder gib mir deine Tochter, oder gib mir die zwanzig Piaster zurück!« »Meine Tochter gebe ich dir nicht, und die zwanzig Piaster habe ich verbraucht«, antwortete sie. Da ging er zum Häuptling der Füchse und klagte; dieser aber schickte einen Diener nach der Füchsin, der brachte sie vor ihn. Der Häuptling der Füchse trägt Schellen am Schwanze. Als die Füchsin sich zum Handkusse ihm genähert und sich wieder etwas zurückgezogen hatte, rief er: »Füchsin«! »Ja!« »Wie verhält es sich mit deiner und des Fuchses Sache?« »Ich will es dir erzälen, Herr«, sagte sie. »So rede.« Da erzälte sie: »Der Fuchs kam eines Tages zu mir und sagte: ›Füchsin! gib mir deine Tochter zur Frau!‹ ›Warum nicht? gut, ich will sie dir zur Frau geben!‹ antwortete ich. ›Fordere Heiratsgeld‹, sagte er. Ich verlangte vierzig Piaster. Er hatte zwanzig Piaster bei sich und gab mir dieselben mit den Worten: ›Lass die übrigen als Schuld bei mir stehen!‹ Aber ich willigte nicht ein. Da sagte er: ›So will ich die übrigen zwanzig holen gehen.‹ Er ging und ich gab die zwanzig, welche er mir gegeben hatte, aus; da er kein Geld erhalten konnte, kehrte er zurück und sagte: ›Füchsin, entweder gib mir deine Tochter zur Frau, oder gib mir die zwanzig Piaster zurück!‹ Ich antwortete: ›Meine Tochter gebe ich dir nicht, und die zwanzig Piaster habe ich ausgegeben.‹ Darauf hin ist er zu dir gekommen und hat geklagt; nun sieh zu, was meinst du? hier ist mein Kopf, und dort ist dein Schwert.« »Ist das wahr? Fuchs!« fragte der Häuptling, »ist es so?« »Ja, so ist es«, antwortete dieser. »Du bist ihr gegenüber schuldig, Fuchs,« sagte er, »auf! schaffe die übrigen zwanzig Piaster zur Stelle und führe deine Braut heim.« Da ging die Füchsin nach Hause; der Fuchs aber machte sich auf den Weg, indem er dachte: »Ich will gehen, um die übrigen zur Stelle zu schaffen.« Er überlegte sich die Sache und ging zum Hasen. »Hase!« rief er. »Ja!« »Willst du mich nicht für diese Nacht beherbergen?« »Freilich, gerne!« Darauf legte er sich beim Hasen schlafen. In der Nacht stand er auf; denn der Hase besass zehn Piaster und eine Pfanne. Die zehn Piaster knüpfte er sich an den Schwanz, und die Pfanne legte er sich auf den Kopf. So kam er beim Hund vorbei; der rief: »Fuchs!« »Ja!« »Woher kommst du?« »Von der Wallfahrt.« »Möge deine Wallfahrt gesegnet sein!« »Und mögest du lange leben.« Dann kam er, gab der Füchsin die zehn Piaster nebst der Pfanne und führte ihre Tochter heim. Er rief den Hahn und[282] nahm ihn zum Priester; dieser segnete die Ehe ein; denn der Hahn war ihr Priester.
Die Schlange aber suchte nach ihrem Geld und fand es nicht, da weinte sie. Darauf ging sie zum Schlangenkönig und klagte: »Mein Geld ist mir verloren gegangen.« »Wo ist es verloren gegangen?« fragte dieser. »In meiner Wohnung.« »Wer ist zu dir gekommen?« »Der Fuchs hat eine Nacht bei mir geschlafen«, antwortete sie. »Was hatte der Fuchs bei dir zu tun?« fragte jener. »Er bettelte und sagte: ›Ich bin müde‹; dann schlief er in meinem Hause.« »Er hat es gestolen; geh klage beim Häuptling der Füchse.« Da begab sich die Schlange zum Häuptling der Füchse: unterwegs traf sie den Hasen und rief: »Wohin? Hase!« »Zum Fuchs!« antwortete dieser. »Wozu?« fragte die Schlange. »O Schwester«, erwiderte der Hase, »der Fuchs ist zu mir gekommen und hat bei mir übernachtet; ich besass zehn Piaster; die hat er nebst einer Pfanne gestolen.« Darauf trafen sie auf ihrer Weiterreise den Hund, und dieser erzälte: ›Ich habe den Fuchs angetroffen; er trug eine Pfanne auf dem Kopfe; ich fragte ihn: ›Woher kommst du?‹ Er antwortete: »Von der Wallfahrt«; ich aber dachte, er habe eine schwarze Binde um den Kopf. Was ist dir denn verloren gegangen, Schlange?‹ »Auch mir hat er zwanzig Piaster gestolen.« »Gut«, sagte der Hund; »geht nur und klagt ihn an; ich will dabei als Zeuge auftreten.« Also ging die Schlange mit dem Hasen zum Fuchs, und beide forderten ihr Geld zurück; doch er antwortete: »Ich weiss gar nichts von Geld!« Wie sie's auch angriffen, er gestand nichts ein, sondern läugnete. Da gingen sie zur Füchsin und fragten: »Was hat dir der Fuchs als Heiratsgeld gegeben?« Sie antwortete: »Er hat mir erst zwanzig Piaster gegeben, und dann zehn nebst einer Pfanne.« »Das gehört uns«, sagten sie, »gib es uns heraus!« »Ich will's aber nicht herausgeben«, antwortete sie. »Warum nicht?« »Er hat ja bei meiner Tochter schon eheliche Rechte genossen.« Darauf gingen sie zum Oberhaupt der Füchse und klagten; dieser schickte einen Diener nach dem Fuchs, welcher ihn herbeirief: »Fuchs!« sagte er darauf »Ja!« »Hast du das Eigentum dieser Leute gestolen?« »Nein, mein Herr!« antwortete er. »Lass sie Zeugen beibringen«. Da sagten die Schlange und der Hase: »Wir haben das Geld mit unsern eigenen Augen bei der Füchsin gesehen, und auch die Pfanne ist bei der Füchsin; die Pfanne ist Zeuge!« »Ich habe sie käuflich erworben«, sagte der Fuchs. »Von wem?« fragte man. »Vom Hund.« Da rief man den Hund und fragte:[283] »Ist es wahr? Hund!« »Was denn?« »Dass der Fuchs dir eine Pfanne abgekauft hat?« »Von mir?« »Ja, da steht der Fuchs.« Da fragte der Hund den Fuchs: »Ist das wahr?« »Ja.« »Habe ich dich denn nicht mit einer Pfanne auf dem Kopf gesehen?« und zu dir gesagt: ›Woher kommst du?‹ Da sagtest du: ›Von der Wallfahrt!‹ Ich sagte: ›Möge deine Wallfahrt gesegnet sein!‹ und du sagtest: ›Mögest du lange leben!‹ – Die Schwalbe aber hatte ihr Nest am Hause des Fuchses und sagte: »Bei meiner Treu, so verhält es sich, und der Fuchs lügt.« Darauf sandte der Häuptling der Füchse einen Diener mit dem Befehl: »Geh, rufe die Füchsin; sie soll hierher kommen.« Der Diener ging und holte sie. Als sie in die Versammlung kam, befal das Oberhaupt der Füchse: »Füchsin! gib der Schlange ihre zwanzig Piaster zurück, und gib dem Hasen seine zehn Piaster und die Pfanne!« Jene gehorchte. Dann sagte er: »Ich will deine Tochter von ihm frei machen, – Fuchs!« »Ja!« »Gib ihr ihre Tochter zurück.« »Rufe den Hahn«, antwortete dieser, »damit er uns scheide.« Da rief man den Hahn und sagte ihm: »Du hast sie getraut; scheide sie nun wieder.« Der Hahn aber sprach: »Das geht nicht; die, welche ich einander angetraut habe, kann ich nicht von einander scheiden.« »So werft den Fuchs in's Gefängniss«, befal man. Dies geschah. Die Füchsin aber ging und holte ihre Tochter; und zu ihr kam der Hund und freite sie sich zum Aerger des Fuchses. Sie gebar ihm einen Sohn und eine Tochter. Nachdem der Fuchs ein Jahr gefangen gesessen hatte, liess man ihn los; schnell lief er zum Hund und fragte ihn: »Warum hast du dir meine Frau genommen?« »Darum.« Da klagten sie einander beim Leoparden an; dieser aber konnte gar nichts zwischen ihnen schlichten. Hierauf klagten sie bei der Hyäne, woselbst das Pferd Richter und das Maultier Grossrichter ist; und die Hyäne befal dem Hund: »Gib dem Fuchs seine Frau; aber deine Kinder sollen dir gehören!« Der Fuchs nahm seine Frau zurück, und der Hund zog mit seinen Kindern davon; er ging aber zu seiner Schwiegermutter und sagte: »Entweder sind hier deine Kinder, oder du heiratest mich!« Sie walte das letztere und nahm ihn zum Manne. Darnach ging der Fuchs zum Leoparden und klagte: »Zur Zeit, als man deine Schwiegertochter heimführte, hat sie der Hund geküsst.« Da nahm der Leopard Soldaten von den Tieren und zog gegen den Hund. Man ergriff ihn drinnen im seinem Hause, tödtete ihn und seine Kinder nebst der Füchsin und verbrannte sie alle. Als der Leopard hierauf nach Hause zurückkam, jagte er seine Schwiegertochter[284] hinaus und schlug sie. Da wurde diese zornig und kehrte wieder in das Haus ihres Vaters zurück.
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