LXXII.

[297] Es war einmal ein Mann, der hatte einen Sohn; auch besass er viel Geld; da kam Jemand aus einem andern Dorfe zu ihm und bat ihn um ein Darlehen. Er gab ihm sechstausend Piaster und sagte zu seinem Sohne: »Wenn ich sterbe, so haben wir von Jemand Geld zu fordern; hier habe ich die Schuldscheine; nimm sie und geh das Geld holen; aber wenn du auf dem Wege bist und einen Reisegefährten bei dir hast und du Brot mitgenommen hast, so brich dasselbe, und gib die grössere Hälfte deinem Reisegefährten.« »Schön«, antwortete dieser. Darauf starb der Vater; jener aber machte sich auf, nahm die Schuldscheine und steckte sie in seine Brusttasche; so zog er seines Weges. Da traf er unterwegs einen schönen Jüngling, dieser fragte ihn: »Wohin reisest du?« »Ich reise, weil ich Geld von Jemand zu fordern habe; ich gehe dasselbe holen.« Hierauf kamen sie zu einer Quelle und tranken; der Gläubiger hatte ein Stück Brot bei sich; davon gab er den grösseren Teil dem Jüngling, und nachdem sie gegessen hatten, zogen sie weiter. Da fragte der Gläubiger jenen Jüngling: »Wer bist du denn?« »Ich bin der Todesengel«, antwortete jener. »Wohin gehst du?« »Ich gehe die Seele eben desjenigen holen, von welchem du dein Geld zu fordern hast.« »Ach nein; ich stehe ja unter deinem Schütze, darum bitte ich dich: lass mich erst mein Geld in Empfang nehmen, und nachher hole seine Seele.« Der Engel sagte zum Gläubiger: »Geh sogleich hin und übergib ihm die Schuldscheine; das Geld liegt in der Wandnische; sobald du hinkommst, gib ihm die Schuldscheine und nimm dir selber das Geld aus der Wandnische; wenn er sagt: ›Komm, setze dich!‹ so sage: ›Nein, meine Gefährten sind weitergegangen‹, gehe in den Hof hinaus und verlass ihn; dann will ich zu ihm hineintreten.« – So gingen sie miteinander und gelangten dorthin; der Gläubiger ging zu dem Manne, der krank war, überreichte ihm die Schuldscheine und bat um das Geld. »Setze dich doch«, sagte jener. »Ich mag mich nicht setzen«, antwortete er, »meine Reisegefährten sind weiter gegangen«; dann nahm er selber das Geld aus der Wandnische, steckte es in seine Brusttasche und ging in den Hof hinaus; da sah er den Todesengel zu jenem hereintreten, und der Engel nahm die Seele des Schuldners; darauf kehrten sie miteinander zurück, der Reiche und der Engel. Wiederum kamen sie zur Quelle, wo sie das Brot gegessen hatten, und verbrüderten[298] sich dort miteinander. Da fragte der Reiche den Engel: »Sage mir, wann wirst du meine Seele holen?« Jener antwortete: »Sobald du eine Frau heimführst; in der Nacht, wo du heiratest, werde ich deine Seele holen.« »Gut«, sagte jener. Darnach ging der Engel seines Weges, und der Jüngling ging seines Weges; ein jeder nach seiner Richtung.

Unterwegs kam den Reichen, der nun das Geld bei sich hatte, Schlaf an; er tat das Geld in den Ranzen und legte sich den Ranzen unter den Kopf. Da kam der Fuchs hinzu und sah, dass Jemand schlief und einen Ranzen unter dem Kopfe liegen hatte. Der Fuchs zog daher den Ranzen weg und legte statt desselben einen Stein unter den Kopf des Mannes; darauf ging er nach Hause. Als der Mann aufstand, fand er sein Geld nicht mehr; er suchte, konnte aber nicht in Erfahrung bringen, wer es weggenommen hatte. Darauf kam er nach Hause; daselbst hatte er noch viel Geld und Gut. Die Leute forderten ihn oft auf zu heiraten; er aber antwortete immer: »Ich mag nicht heiraten«; denn er wusste, was ihm der Todesengel gesagt hatte: »Wenn du heiratest, so will ich deine Seele holen.« Daher blieb er vierhundert Jahre unverheiratet; aber wie er nun alt geworden war, freite er sich doch ein Weib und führte dasselbe heim. Da stieg der Todesengel vom Himmel herab, um seine Seele zu holen; er aber schrie: »Gnade, Gnade, das kann nicht sein.« Jener antwortete: »Habe ich dir nicht gesagt«: ›Sobald du ehelichst, will ich deine Seele holen?‹ »So lass mich noch fünf Tage«, bat er. »Nein«, antwortete jener; »Gott hat mich zu dir geschickt.« »So lass mich noch, bis ich ein Vaterunser gesprochen habe!« Da ging der Todesengel hin und berichtete dies dem Herrn; der Herr aber befal ihm: »Höle seine Seele nicht eher, als bis er ein Vaterunser gesprochen hat!« Der Engel stieg wieder herunter und sagte ihm: »Sprich nun schnell ein Vaterunser!« Jener antwortete: »Ich mag nicht.« Gott hatte ja dem Todesengel gesagt: »Höle seine Seele nicht eher, als bis er ein Vaterunser gesprochen hat.« Deswegen sprach er zwanzig Jahre hindurch kein Vaterunser und vergass den Tod völlig. Aber einmal, als man ihm Speise vorsetzte, sprach er: »Unser Vater, der du bist im Himmel, geheiligt werde von der Sünde« – Da kam der Todesengel herab und packte ihn bei der Gurgel. Er schrie: »Gnade, Gnade!« Der Engel aber antwortete: »Nun ist's vorbei; du hast das Vaterunser gesprochen.«

Die Frau, welche der Reiche gehabt hatte, hütete einst die Rinder und hatte Brot und Käse bei sich. Da kam der Fuchs,[299] welcher das Geld gestolen hatte, stal auch ihr Brot und ihren Käse und nahm es mit nach Hause. Bis jetzt hatte er den Ranzen noch gar nicht geöffnet; nun aber, nachdem er das Brot und den Käse gefressen hatte, band er den Ranzen auf und leerte ihn aus, um das Geld zu zälen; aber er konnte nicht heraus bringen, wie viel es war. Da ging er zum Marder und rief: »Bruder!« »Ja!« »Verstehst du Geld zu zälen?« »Ja freilich verstehe ich mich darauf, Geld zu zälen; denn ich bin vier Jahre lang Wechsler gewesen.« Da nahm er den Marder mit; der ging hin und zälte das Geld; dann bat er um seinen Lohn für das Zälen; der Fuchs aber bot ihm an: »Das Geld soll mir und dir zusammen angehören.« »Gut«, antwortete jener. Da gingen sie und trugen das Geld mit sich fort; unterwegs trafen sie den Wolf an. »Wohin geht ihr?« fragte dieser. Der Fuchs antwortete: »Wir gehen Handel treiben.« »Habt ihr denn Geld?« »Ja.« »So macht mich zum Compagnon.« »Es sei so«, erwiderte der Fuchs. Darauf zogen sie weiter, um in eine Stadt zu gehen; unterwegs, als die Sonne untergegangen war, legten sie sich im Gebirge schlafen. Da fragte der Fuchs den Wolf: »Wie wollen wir's nun anfangen? Was wollen wir für das Geld kaufen?« »Wir wollen Ziegen dafür kaufen«, schlug der Wolf vor. Hierauf gingen sie in eine Stadt und kauften Ziegen für das Geld; die Ziegen nahmen sie mit und zogen weiter. In der Nacht schliefen sie abwechselnd; aber wenn der Marder und der Fuchs schliefen und der Wolf wach blieb, frass er eine Ziege; wenn der Fuchs aufstand und der Wolf sich schlafen legte, frass der Fuchs eine Ziege, und wenn der Fuchs und der Wolf schliefen und die Reihe an den Marder kam, frass dieser eine Ziege; ohne dass sie von einander wussten, verübten sie diese Schlechtigkeit an einander, und zwar jede Nacht, bis die Ziegen alle wurden. Da fragte der Fuchs: »Wer hat unsre Ziegen gestolen?« »Ich weiss es nicht«, antwortete der Wolf; sie fragten den Marder. »Ich weiss nichts«, antwortete dieser; dann aber sagte er zum Fuchs: »Eine Nacht habe ich dem Wolf aufgepasst und gesehen, wie er eine Ziege frass.« »So lasst uns weitergehen!« Da machten der Fuchs und der Marder gemeinschaftliche Sache.

Sie gingen weiter zu einem Weingarten und erblickten einen Esel, der drinnen weidete. Der Wolf sagte: »Ich will diesen Esel fressen gehen.« Darauf schwangen sie sich alle drei über die Mauer in den Weingarten hinein; aber um den Esel herum waren fünf Fallen gestellt. Als nun der Fuchs näher an den Esel herantrat,[300] erblickte er dieselben, und zog sich daher zurück mit den Worten: »Ich habe gerade keine Lust auf Eselsfleisch.« Darauf näherte sich der Marder dem Esel; er trat auf eine Falle, die machte: knack, packte jedoch das Bein des Marders nicht. Dieser sprang daher zurück, aber ohne zu sagen: »Es sind Fallen hier«; sondern er sagte nur: »Die Trauben sind schmackhafter, als der Esel.« – Da ging der Wolf hin und packte den Esel; dieser aber schrie auf; denn er war angebunden. Er sprang nach dieser Richtung, der Wolf folgte ihm; dann kehrte er wieder nach jener Richtung zurück, der Wolf kam an ihn heran und tappte in zwei Fallen hinein, mit einem Vorderfuss und einem Hinterfuss; der Marder und der Fuchs sahen ihm ruhig zu. Da rief der Wolf: »Kommt Und befreit mich!« Aber der Fuchs antwortete: »Du hast die Ziegen alle gefressen, und ich soll dich jetzt befreien?« Darauf erwachte der Gartenaufseher und tödtete den Wolf.

Der Fuchs aber zog mit dem Marder weiter, und sie trafen unterwegs einen Ziegenbock und einen Widder. »Wohin geht ihr?« fragten diese beiden den Marder und den Fuchs. »Wir gehen auf die Wallfahrt.« »So wollen wir mit euch kommen!« »Gut«, sagten jene. »Wer hat den Wallfahrtsort schon gesehen?« fragten sie. Der Fuchs antwortete: »Ich, ich habe ihn gesehen; ich bin schon viermal dorthin gegangen.« »Vorwärts denn«, sagten jene. Darauf trafen sie einen Hasen und einen Hahn; die fragten: »Wohin geht ihr?« »Wir gehen auf die Wallfahrt.« »Auch wir wollen mitkommen«, erwiderten jene. »So kommt.« Der Fuchs aber sprach: »Der Widder sei unser Anführer; der Ziegenbock sei unser Richter; der Hase soll uns Brot kneten und Essen kochen; der Hahn soll unser Priester Sein und der Marder unser Diener.« Alle waren es zufrieden und zogen weiter. Als sie aber in ein einsames freies Feld gekommen waren und sich schlafen gelegt hatten, ging der Fuchs hin und machte ein Steinhäuschen; und wie sie nun am Morgen aufstanden, führte er sie zu diesem Steinhäuschen und sagte: »Das hier ist der Wallfahrtsort.« »Ist er das?« »Ja, legt euch nur hinein.« Da legten sie sich drinnen schlafen; unterdessen streifte der Fuchs umher, bis er vier Wölfe fand; die riefen: »Fuchs!« »Ja!« »Wir kommen fast um vor Hunger.« Jener antwortete: »Warhaftig, da habe ich drei oder vier zum Fressen gesehen, aber sie sind auf der Wallfahrt begriffen; es wäre daher Sünde.« »Wer sind sie denn?« fragten jene. »Es sind der Widder, unser Anführer; der Ziegenbock, unser Richter; der Hase, unser Koch; der Hahn, unser Priester; und der Marder, unser Diener.«[301] »Zeige sie uns doch«, baten jene, »wir wollen sie uns ansehen.« – »Nein«, sagte der Fuchs; »aber wenn ihr schwört, dass ihr mir den Ziegenbock geben wollt, so will ich sie euch weisen, sonst werde ich sie euch nicht zeigen.« Sie antworteten: »Bei Gott sei es versprochen: der Ziegenbock soll dein sein.« Darauf ging der Fuchs hin und fand jene noch im Wallfahrtsort liegen; da trat er zu ihnen hinein und sagte: »Macht Platz; es sind noch andere Pilger angekommen!« »Woher sind sie?« fragten jene. »Es sind Wölfe«, sagte er. Der Widder und der Ziegenbock bekamen Angst; aber der Hahn rief: »Fuchs!« »Ja!« »Ich bin ein Priester; du wirst mich doch nicht von ihnen fressen lassen!« »Nein, nein«, antwortete dieser. Darauf kamen drei Wölfe; denn der vierte hatte gesagt: »Der Fuchs lügt doch nur«, und hatte ihm nicht geglaubt. Als die drei herankamen, sagten sie zum Ziegenbock und zum Widder: »Möge eure Wallfahrt gesegnet sein.« Der eine Wolf aber packte den Widder, der andere den Ziegenbock, und der dritte packte den Hasen; der Marder packte unterdessen den Hahn; dieser rief zwar: »Gnade, Schutz! ich bin ein Priester«, aber der Marder antwortete: »Ich will dich fressen!« Darauf frassen die Wölfe, doch ohne den Fuchs mitfressen zu lassen; dieser bat: »Marder, gib mir etwas vom Hahn«; aber der Marder antwortete: »Ich war sehr hungrig und habe den Hahn mit einem Biss verschlungen.« Darauf bat er: »Lasst mir ein wenig vom Ziegenbock und vom Widder übrig«; doch jene antworteten: »Geh zum Teufel!« »Gut«, sagte er. – Darnach machten sie sich auf und gingen fort, die drei Wölfe mit dem Fuchs und dem Marder. Da sagte der Fuchs: »Warhaftig, ich habe irgendwo eine Hürde Ziegen gesehen.« »Wo denn? Fuchs!« fragten jene, »zeige sie uns doch!« Der antwortete: »Ja, habt ihr mich denn vom Widder und vom Ziegenbock fressen lassen, dass ich sie euch zeigen sollte?« Nun aber schworen ihm die Wölfe und sagten: »Diesmal wollen wir alles, was wir erbeuten, wie Brüder miteinander fressen.« Sie gingen weiter und trafen einen Löwen an; der fragte sie: »Wohin?« »Wir suchen Ziegen«, antworteten sie. Der Löwe aber sagte: »Wir hatten zwei Hühner, die hat der Marder gefressen«; dabei schlug er mit seiner Tatze auf den Marder und frass ihn; dann sagte er: »Nun will ich mit euch kommen.« »So komm!« erwiderten sie. – Darauf gingen sie zur Ziegenhürde, aber es waren drei Hirten da, welche bei den Ziegen schliefen, um dieselben zu hüten. Der Fuchs sagte zum Löwen: »Geh du nicht hinein, sondern die Wölfe sollen hineingehen; ich[302] will machen, dass die drei umkommen.« Hierauf gingen sie zum Eingange der Hürde, und der Löwe sagte: »Geht ihr drei hinein; der Fuchs aber soll bei den Hirten bleiben, und euch als Späher dienen, damit, wenn die Hirten erwachen, er euch davon benachrichtige.« Die Wölfe erklärten sich bereit und drangen hinein unter die Ziegen. Der Fuchs aber leckte das Gesicht eines Hirten; unterdessen schleppte der eine Wolf zwei Ziegen heraus – da erwachten die Hirten; jedoch der Fuchs holte einen Widder heraus und entfloh. Nun besetzten die Hirten den Ausgang, denn zwei Wölfe waren noch drinnen geblieben; diese wurden von den Hirten gefangen und getödtet.

Jetzt war noch ein Wolf, der Löwe und der Fuchs übrig. Diese drei trugen die beiden Ziegen und den Widder weg und gingen auf ein einsames Feld. Dort sagte der Löwe: »Wolf!« »Ja!« »Verteile die Beute!« Er antwortete: »Die beiden Ziegen gehören mir, und der Widder gehört dem Fuchs; du, Löwe, hast nichts!« Da packte der Löwe den Wolf und riss ihm die Augen aus; dann forderte er den Fuchs auf zu teilen. Der antwortete: »Alle drei sollen dir gehören!« »Woher hast du diese Art des Teilens gelernt?« fragte jener. »Davon, dass du den Wolf gepackt hast«, antwortete dieser. »So nimm dir eine Ziege; die andere und der Widder sind für mich!« Darauf wurde der Löwe krank, so dass er nicht fressen konnte. Da rief der Fuchs die Schlange herbei und bat dieselbe: »Komm, der Löwe ist krank geworden, beisse ihn! was immer du verlangst, werde ich dir geben!« »Ja«, sagte sie, »es soll geschehen; aber die Elfen haben meine Jungen entführt; wenn du ihnen dieselben wieder abnimmst, so will ich ihn beissen.« »Ja, ich will sie ihnen abnehmen; habe keine Furcht.« Da kam die Schlange heran, den Löwen zu beissen; sie wickelte sich um seine Schnauze und biss ihn; der Löwe aber öffnete das Maul; da zerriss die Schlange in vier Stücke. Hierauf kam der Fuchs heran; da nun sowol die Schlange als auch der Löwe gestorben war, nahm er die Ziegen und den Widder mit und kam nach Hause. Daselbst fragte man ihn: »Woher kommen diese Ziegen? Fuchs!« Er antwortete: »Sie sind von den Kurden.« »Gibt es denn viele dort?« »Ja, eine grosse, grosse Menge.« »So lasst uns gehen und uns welche holen«, sagten jene. »Gut.« Da versammelten sich die Füchse, es wurden ihrer ungefähr zwanzig. Unterwegs fanden sie den todten Löwen und die todte Schlange; darnach kamen sie zu der Ziegenhürde und sagten: »Da sind die Kurden.« Darauf drangen alle Füchse in die. Hürde ein, ausser[303] einem einzigen; die Hirten aber fingen sie und tödteten sie; dann verfolgten sie noch den einen, der draussen geblieben war; doch dieser entfloh. Die Hirten zogen den Füchsen das Fell ab und gingen in eine Stadt, um die Felle zu verkaufen. Der Fuchs aber frass seinen Widder und seine Ziegen; dann ging auch er in die Stadt, wohin die Hirten gegangen waren um die Felle zu verkaufen, und trat bei einem Kaffewirt in Dienst. So wurde er Kaffewirt. Da gingen vor der Bude des Fuchses jene Hirten vorbei; der Fuchs aber ergriff sie am Arm und schrie: »Das sind die Felle meiner Brüder.« Dann verklagte er sie, und einer der Hirten trat vor Gericht. »Wie viel Brüder hast du gehabt?« fragte der Statthalter den Fuchs. »Ich hatte deren neunzehn«, antwortete dieser; denn er wusste, dass zwanzig ausgezogen waren, jene aber neunzehn gefangen hatten, und einer entflohen war. Darauf befal der Statthalter: »Bringt die Felle herbei; wenn es neunzehn sind, so spricht er die Wahrheit; aber wenn es mehr sind, oder wenn es weniger sind, so lügt er.« Man brachte die Felle und zälte sie; es ergab sich, dass es neunzehn waren, wie der Fuchs behauptet hatte; da hiess es: »Es ist die Wahrheit; werft die Hirten in's Gefängniss.« Als dies geschehen war, verkaufte der Fuchs die Felle und übergab das Geld seinem Herren, dem Kaffewirt, indem er sagte: »Ich muss irgendwohin reisen; behalte das Geld, bis ich zurückkehre.« »Gut«, antwortete jener. Der Fuchs aber ging zu der Hürde, holte die Ziegen alle heraus und trieb sie weg; da traf ihn aber ein Löwe an und rief: »Du hast die Schlange aufgefordert, meinen Bruder zu beissen.« Deshalb tödtete der Löwe den Fuchs und nahm die Ziegen als Beute mit sich fort.

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 297-304.
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