LXXVII.

[326] Es war einmal ein Minister, der hatte viel Geld und Gut; auch hatte er eine schöne Frau. Einst wurde er krank und liess die Aerzte zu sich rufen; diese beschauten ihn und sagten: »Wenn du bei einem Fuchse schläfst, so wirst du gesund.« In Folge dessen setzte sich der Minister zu Pferde und ritt in's Gebirge; daselbst fand er einen Fuchs. »Fuchs!« rief er. »Ja!« »Komm hierher!« Der Fuchs kam zu ihm heran und fragte: »Was gibt's, Minister?« »Willst du als Diener bei mir eintreten?« »O ja«, antwortete der Fuchs. »Jede Nacht will ich dir ein Goldstück geben.« Der Fuchs versprach zu kommen. Aber jener hatte dem Fuchs nicht die Wahrheit gesagt. Als nun der Fuchs zu ihm gekommen war, schlief er mit dem Minister in einem Zimmer; der Minister aber ging nicht zu seiner Frau, sondern rief: »Fuchs!« »Ja!« »Lege dich bei mir schlafen!« Da legte sich der Fuchs zu ihm; er aber schlief die ganze Nacht bei dem Fuchse; dann gab er ihm ein Goldstück. Die Frau des Ministers hatte darauf Acht; und als sie bemerkte, dass der Minister nicht bei ihr schlief, rief sie den Fuchs zu sich und bat ihn: »Fuchs, schlafe bei mir, ich will dir dafür jedesmal ein Goldstück geben.« So schlief der Minister bei dem Fuchs und gab ihm jedesmal ein Goldstück; und der Fuchs schlief bei der Frau des Ministers und erhielt dafür jedesmal ein Goldstück. Nachdem aber der Minister wieder gesund geworden war, sagte er: »Fuchs, du bist nun nicht mehr nötig.« »Schön«, antwortete dieser; er hatte sich aber unterdessen zweitausend Goldstücke gesammelt. Die Frau des Ministers fragte ihren Genial: »Wie viel hast du dem Fuchs gegeben?« »Ich habe ihm tausend Goldstücke gegeben«, antwortete er. »Und auch ich habe ihm tausend gegeben.« »Weshalb?« fragte jener. Sie aber antwortete: »Du schliefst bei dem Fuchs, und er schlief bei mir.« Er erwiderte: »So sind wir quitt.« –[326]

Darauf kam der Fuchs nach Hause; er hatte aber daselbst noch zwei Brüder und eine Mutter. Seine Brüder fragten ihn: »Wo bist du gewesen?« »Ich habe mich herumgetrieben«, antwortete er. »Zu welchem Zweck?« fragten sie. »Ganz nach meinem Belieben«, erwiderte er. Sie versetzten: »Unsere Ehre duldet das nicht, dass wir arbeiten und du issest!« »Wie es euch beliebt«, antwortete er. »Hebe dich weg von uns«, riefen sie. Da ging der Fuchs von ihnen fort, aber seine Mutter zog mit ihm. Doch sagte er ihnen nicht, dass er Geld mitgebracht habe. Er liess nun das Lehmhüttchen, das er hatte, abbrechen und sich ein Schloss bauen. Darauf riet ihm seine Mutter: »Verheirate dich nun, mein Lieber!« Er aber erwiderte: »Nein, nein, Mutter!« – So hatte der Fuchs grossen Reichtum gewonnen; seine Brüder hingegen waren unvermögend; wenn sie aber kamen, Geld von ihm zu verlangen, so schlug er sie. Seine Mutter jedoch bat ihn: »Fuchs, gib deinen Brüdern Geld; sie sind unbemittelt.« Der Fuchs aber sprach kein Wort. –

Darauf traf er den Hund an und rief: »Hund!« »Ja!« »Willst du nicht mitkommen? wir wollen zu den Mäusen gehen.« »Ja freilich!« »Verstehst du zu weben?« fragte der Fuchs. »Ja«, antwortete der Hund. Da machte sich der Fuchs mit dem Hund auf die Reise. Nun aber gingen die Brüder des Fuchses zu ihrer Mutter in's Schloss und assen und tranken dort auf Kosten des Fuchses. – Als der Fuchs und der Hund im Lande der Mäuse angelangt waren, fragten diese: »Was treibt ihr für ein Handwerk?« »Wir sind Weber«, antworteten sie; darauf schlugen sie einen Webstuhl auf, und der Hund wob, wärend der Fuchs haspelte; jedes Pfund Garn aber beschnitt der Fuchs ohne Wissen des Hundes um eine Strähne. Er hatte dort eine Familie, auf die er sicher rechnen konnte; bei diesen Leuten hinterlegte der Fuchs das Garn. So woben sie ein Jahr lang und verdienten sich hundert Goldstücke. Dann teilten sie dieses Geld, so dass ein Jeder von ihnen fünfzig Goldstücke erhielt. Darauf schlug der Hund vor: »Komm, lass uns wieder in die Heimat ziehen!« Der Fuchs antwortete: »Ich mag noch nicht mitkommen.« Der Hund jedoch brach auf, unterwegs aber hielt er sich auf, um den Fuchs zu erwarten. Unterdessen nahm der Fuchs sein Garn aus jenem Hause, in welchem sich dasselbe befand, verkaufte es für tausend Piaster, steckte das Geld zu sich und machte sich ebenfalls auf die Heimreise. Da fand er den Hund am Wege sitzen; der fragte: »Was hast du denn noch gemacht, Fuchs?« »Ich[327] hatte noch ein Geschäft zu verrichten.« »Komm, lass mich dein Geldzälen«, schlug der Hund vor, aber der Fuchs wollte dies durchaus nicht zugeben. Sie gerieten daher miteinander in Streit; aber der Hund zälte das Geld des Fuchses, und es war mehr als das seinige. Da fragte er: »Woher kommt dieses Geld?« »Es gehört mir.« »So komm und lass uns vor Gericht gehen«, sagte jener. »Nur vorwärts!« Auf der Weiterreise trafen sie einen Löwen, einen Wolf und einen Esel an; da fragte der Hund: »Wer und was seid ihr?« Der Esel antwortete: »Der Löwe ist Fürst, der Wolf Richter und ich bin Oberrichter.« »So wollen wir, der Fuchs und ich, euch unsre Sache vortragen«, sagte der Hund. Jene waren's zufrieden. Der Fuchs aber rief dem Löwen und bot ihm an: »Ich will dir hundert Piaster geben; aber verurteile den Hund«; der Hund aber sagte leise zum Wolf: »Verurteile den Fuchs; ich will dir zweihundert Piaster geben.« – Darauf setzten sich der Löwe, der Wolf und der Esel hin und sagten: »Tretet vor, Fuchs und Hund, und tragt euren Rechtshandel vor.« »Ich will zuerst reden«, sagte der Hund. »Nein, ich will zuerst reden«, entgegnete der Fuchs. Sie entschieden: »Der Hund soll sprechen!« Da erzälte dieser: »Wir, ich und der Fuchs, sind in's Land der Mäuse gezogen; daselbst haben wir uns einen Webstuhl aufgestellt; ich wob, wärend der Fuchs den Haspel trieb. So haben wir ein Jahr lang gewoben, und dabei jeder fünfzig Goldstücke verdient, da habe ich Vorgeschlagen: ›Fuchs, lass uns heimziehen!‹ ›Ich mag nicht mitkommen‹, antwortete er. Darauf bin ich fortgegangen und habe ihn dort gelassen. Aber unterwegs hielt ich mich auf, um ihn zu erwarten; und wie er nun kam, der Fuchs, fragte ich ihn: ›Was hast du denn noch getan?‹ Er antwortete: ›Ich hatte noch ein Geschäft zu verrichten.‹ Da habe ich gesagt: ›Komm, lass mich dein Geld zälen.‹ Und wie ich nun sein Geld zälte, ergab sich, dass er tausend Piaster mehr hatte, als ich; diese hat er unterschlagen.« Jene fragten: »Ist das wahr, Fuchs, dass du sie unterschlagen hast?« »Durchaus nicht«, antwortete der Fuchs, »sondern ich will euch den wahren Sachverhalt erzälen.« »So rede.« »Als er wob und ich den Haspel drehte, habe ich von jedem Pfund Garn eine Strähne auf die Seite getan; diese Sünde gegen die Mäuse habe ich mir auf den Hals geladen; dann habe ich das Garn verkauft, so bekam ich tausend Piaster mehr als der Hund, und nun fragt er, woher das Geld sei.« Der Löwe wandte sich zum Hund und sprach: »Du hast nichts von ihm zu[328] fordern, es ist dies nicht von deinem Gelde.« Der Wolf hingegen entschied: »Sie sind ja doch Geschäftsgenossen; das Geld, welches da ist, mag es nun gerecht oder ungerecht erworben sein, soll in zwei gleiche Hälften geteilt werden.« Da erhob sich aber der Esel, liess einen Wind in der Versammlung und sprach zum Wolf und zum Löwen: »Euer Urteil ist kein Urteil; ihr habt Bestechung angenommen, der Löwe steht auf Seiten des Fuchses, und der Wolf auf der des Hundes.« Darüber gerieten sie mit einander in Streit, und der Löwe tödtete den Hund und den Wolf; den Esel aber frass er auf, indem er sagte: »Warum hast du gesagt: ›Euer Urteil ist kein Urteil?‹ Dann nahm der Löwe das Geld des Hundes und des Fuchses an sich, indem er sagte: ›Fuchs, ich will dich nicht tödten, aber gib mir das Geld!‹ Mit dem Gelde ging der Löwe nach Hause.« –

Der Fuchs aber weinte lange, dann sagte er: »O weh über mich, und über die Sünde, die ich begangen habe; ich will hingehen und Mönch werden. Ich habe so viele Sünden auf mir: der Minister hat bei mir geschlafen, und ich habe Garn gestolen; ja ich will hingehen und Mönch werden!« Darauf wand er sich eine schwarze Binde um den Kopf und ging in eine Stadt. Daselbst war ein Färber, zu diesem begab sich der Fuchs, schlüpfte in's Indigofass hinein und färbte sich. »Warum hast du dies getan?« fragte ihn der Färber. »Lass mich!« bat der Fuchs, »es sind mir zehn Brüder gestorben; desshalb habe ich mich, um Leid zu tragen, dunkel gefärbt.« »Es hat nichts zu sagen«, erwiderte jener, »lass es um Gotteslohn geschehen sein; um Gottes Willen kann mir schon ein Pfund Indigo verloren gehen!« Die Leute der Stadt aber hatten einen Pfaffen, der starb, und nun hatten sie keinen mehr. Da ging der Fuchs in die Kirche, und man fragte ihn: »Wer und was bist du?« »Ich bin ein Mönch«, antwortete er. »Kannst du denn lesen?« »Ja.« »Welche Sprache verstehst du zu lesen?« »Abessinisch«, erwiderte er. »Schön«, sagten jene, »bleibe in der Kirche und werde unser Mönch.« Wenn er nun in der Kirche betete, verstanden sie zwar nicht, was er redete; sie sagten aber: »Unser Mönch macht seine Sache gut.« Darauf befal der Fuchs den Einwohnern der Stadt: »Schickt eure Kinder zu mir, damit ich sie lesen lehre.« Auch pflegte ihnen der Fuchs jeden Sonntag zu predigen: »Tödtet nicht und treibt keine Unzucht, lügt nicht und richtet nichts Böses an, seid nicht neidisch aufeinander und stehlt nicht; betet und preist Gott, so wird euch Gott vergelten.« Dann pflegten[329] sie zu sagen: »Ach wie schön kann's unser Mönch.« Auch die Weiber kamen zu ihm, um bei ihm zu beichten; wenn aber eine von ihnen schön war, sagte der Fuchs zu ihr: »Ergib dich mir! du hast dann keine Sünde mehr, sondern ich bin Bürge für deine Sünde«, dann glaubte die Frau den Worten des Mönches. Darauf machte er sich ein besonderes Zimmerchen auf seine eigenen Kosten, und wenn man ihn fragte: »Wozu dient dieses Zimmerchen?« antwortete er: »Um darin Gott zu dienen«; aber jede schöne Frau, die zu ihm kam, führte er dorthin und lag bei ihr. Die Kirche hatte auch einen Kirchendiener; zu diesem sagte der Fuchs, wenn er in das Zimmerchen ging: »Ich will beten gehn.« Da kam einmal eine schöne Frau zu dem Mönch, und eben lag er bei ihr, als auch der Ortsschulze zur Kirche kam und fragte: »Wo ist der Mönch?« »Er dient Gott im Betzimmerchen«, antwortete man ihm. »So will ich gehen und zusehen, wie er denn Gott dient«, sagte dieser. Der Schulze ging hin und ertappte den Mönch, wie er eben bei einer Frau lag; er erkannte wol, dass der Mönch der Frau beiwohnte, aber er fragte: »Was machst du, Mönch?« Er antwortete: »Diese Frau legt mir eben eine geheime Beichte ab.« Der Schulze aber ging in die Kirche und setzte sich dorthin, bis der Mönch zu ihm kam; dann berief er den Rat in die Kirche zusammen und befal, Holzscheite und Feuer zu bringen. Dies geschah, und sie verbrannten den Mönch; das Feuer jedoch sprach dabei: »Ich will, nicht schnell brennen; denn er hat so viele Sünden auf sich.«

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 326-330.
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