LXXXI.

[342] Es war einmal ein Fuchs, der hatte eine Frau. Eines Tages wollte er Granatäpfel stehlen, da geriet sein Schwanz in eine Schnappfalle und wurde abgerissen, er selbst entkam. Als er, nun so nach Hause kam, lachten die andern Füchse über ihn und sagten: »Sein Schwanz ist abgerissen«; seine Frau aber wollte nichts mehr von ihm wissen. Da überlegte er bei sich: »Ich will mich aufmachen, die andern Füchse holen und ihnen einen Streich spielen.« »Nicht weit von hier ist ein Weinberg«, sagte er zu ihnen, »der ist voller Trauben.« »Auf!« erwiderten sie, »lasst uns dorthin gehen!« Sie gingen hin und fanden auf der Spitze des Weinberges einen Maulberbaum. »Fuchs!« sagten sie, »blase uns auf der Flöte, damit wir hier im Schatten dieses Maulberbaumes tanzen.« »Ja«, antwortete er, »aber lasst mich eure Schwänze an den Maulberbaum anbinden und dann tanzt.« Sie erklärten sich damit einverstanden, und er band ihre Schwänze an den Maulberbaum, ganz fest band er sie mit Stricken, und dann spielte er ihnen auf. Da kam der Wächter des Weinberges, der Fuchs mit dem abgerissenen Schwanze entfloh, die übrigen waren fest angebunden. Jedoch auch sie suchten zu entkommen,[342] mussten aber alle ihre Schwänze im Stiche lassen. So kamen sie nach Hause und klagten: »Fuchs! was hast du mit uns angestellt!« Der aber antwortete: »Was soll ich mit euch angestellt haben! und ich, wer hat's denn mit mir angestellt?« Da erwiderten sie nichts.

Kurz darauf wurde der Fuchs mit dem abgerissenen Schwanze krank, seine Frau aber wollte nichts mehr von ihm wissen; wenn er aufstand und drinnen an der Thüre sein Wasser lassen wollte, dann verbot sie ihm das. Eines Nachts musste er wieder sein Wasser lassen, da veranlasste die Frau ihn hinaus zu gehen, liess ihn darauf aber nicht wieder herein. »Mach mir die Thüre auf!« rief er; sie aber antwortete: »Ich öffne sie nicht.« Da machte er sich auf und ging zum Dorfe hinaus. Draussen vor dem Dorfe war eine Quelle, an dieser liess er sich nieder, da tauchte plötzlich ein Mann aus dem Wasser auf und fragte: »Wesshalb bist du hier, Fuchs?« »Ich komme um vor Hunger«, antwortete dieser, »und meine Frau hat mich vor die Thüre gesetzt.« »Ich will dir etwas schenken, aber du darfst es deiner Frau nicht zeigen.« »Gewiss nicht!« versprach er. »So nimm diese Schüssel; wenn du mit dem Finger auf sie schlägst, so wird Gott dir soviel Speise du immer verlangst geben.« »Schön!« versetzte der Fuchs und schlug mit dem Finger auf die Schüssel, »fülle dich mit Gekochtem.« Alsbald füllte sich die Schüssel mit Gekochtem, und der Fuchs liess sich's schmecken. Darauf nahm er die Schüssel mit nach Hause, seine Frau aber rief ihm entgegen: »Ich nehme dich nicht in's Haus auf.« »Ich will ja gar nichts aus deiner Tasche essen«, erwiderte er. Da öffnete sie ihm die Thüre und sagte: »Dass du mir ja nichts issest.« Wenn er auf die Schüssel schlug, erschien Speise von jeglicher Art. Die Füchsin geriet in Entzücken über ihren Mann und schlug vor: »Wir wollen den Fürsten der Füchse zu uns einladen.« »Nein!« entgegnete er. »Ja«, sagte sie, ging hin und rief den Fuchsfürsten, und dieser kam zu ihnen. Sie schlug auf die Schüssel und forderte Essen von ihr, alsbald füllte sich der Tisch mit Speisen. Als der Fuchsfürst das sah, verwunderte er sich sehr. Er ass und ging nach Hause, dann schickte er zwei Diener und befal ihnen: »Geht und holt die Schüssel; wenn sie sie nicht gutwillig geben, nehmt sie mit Gewalt.« Die Diener gingen hin und verlangten die Schüssel. »Die geben wir nicht«, entgegneten jene; da nahmen sie sie mit Gewalt, und der Fuchs war wieder ein Hungerleider. Am Abend ging er zu der Quelle[343] und setzte sich an dieselbe. Der Mann tauchte aus dem Wasser auf und rief: »Fuchs!« »Ja!« »Habe ich dir nicht gesagt, du möchtest sie deiner Frau nicht zeigen?« »Ich habe gefehlt«, erwiderte er. »Ich schenke dir jetzt einen Esel«, versetzte der Mann, »aber zeige ihn nur ja nicht deiner Frau.« »Gewiss nicht!« versprach er. »Jedesmal wenn du ihn mit der Hand auf den Rücken schlägst, macht er Dukaten.« Der Fuchs nahm den Esel und kam mit ihm nach Hause. »Was bringst du da?« rief ihm seine Frau entgegen. »Einen Esel.« »Was sollen wir mit dem Esel machen! Der braucht ja Häcksel und Gerste.« »Lass dich das nicht kümmern!« entgegnete er, schlug den Esel auf den Rücken, und dieser machte gleich eine ganze Schachtel voll Goldstücke. Da freute sich die Füchsin. – Bald riss der Fuchs sein Haus nieder, rief Baumeister und nahm Werkleute und liess sich ein neues Haus, einen Palast, bauen. Er hatte Geld in Hülle und Fülle. Eines Tages sagte seine Frau: »Ich will auf den Esel steigen und in's Bad reiten.« Wie der Fuchs sich auch dagegen wehrte, er vermochte nichts über seine Frau, sie nahm den Esel mit zum Bade. Nun hatte die Badefrau auch einen Esel, ganz von der Art jenes; die beiden waren zum Verwechseln ähnlich. Als die Füchsin an's Bad gekommen war, schlug sie den Esel auf den Rücken, er machte vier Goldstücke. Die Badefrau hatte zugesehen; darauf ging sie hin, holte ihren Esel und vertauschte ihn mit dem Dukatenesel. Als die Füchsin aus dem Bade gekommen war, bestieg sie den Esel und ritt nach Hause. So brachte sie den Esel der Badefrau nach Hause, die beiden waren ja nicht von einander zu unterscheiden. Gewohnter Weise schlugen der Fuchs und seine Frau den Esel auf den Rücken, damit sie Goldstücke bekämen; soviel sie aber auch schlugen, es kam nichts. Der Fuchs war wieder ein armer Teufel geworden. Er ging zu der Quelle, der Mann kam aus ihr hervor und rief: »Fuchs!« »Ja!« »Habe ich dir nicht verboten, ihn deiner Frau zu zeigen?« »Ich bin blind gewesen!« seufzte der Fuchs. »Nimm diesen Ranzen und nimm ihn mit, es sind zwei Kiesen darin; fordere deine Schüssel vom Fuchsfürsten; wenn er sie nicht geben will, so öffne den Ranzen, die beiden Kiesen werden herauskommen, den Fuchsfürsten tödten und die Schüssel nehmen.« Der Fuchs nahm den Ranzen mit und ging nach Hause. Als er in die Nähe desselben kam, rief seine Frau ihm entgegen: »Ich lasse nicht zu, dass du hereinkommst.« Da öffnete er den Ranzen, zwei Riesen kamen heraus und fragten: »Was ist dein Begehr?«[344] »Tödtet das Weib da, meine Frau«, befal der Fuchs. Alsbald tödteten die Riesen sie und frassen sie auf. Dann gebot der Fuchs: »Kommt, geht wieder in den Ranzen!« Sie gingen hinein, er band ihn fest zu und begab sich zum Fuchsfürsten. »Gib mir meine Schüssel«, bat er ihn. »Nein«, erwiderte dieser, »ich gebe sie nicht heraus.« »Dann nehme ich sie«, entgegnete der Fuchs. »Werft ihn in's Gefängniss«, gebot der Fürst. Der Fuchs aber öffnete den Ranzen, die Riesen kamen heraus und fragten: »Was ist dein Begehr?« »Tödtet den Fuchsfürsten!« befal er. Sie tödteten ihn und frassen ihn auf. Der Fuchs nahm die Schüssel und sagte: »Kommt, geht wieder in den Ranzen hinein.« Sie gingen hinein, und er band ihn fest zu. Darauf begab er sich zu der Badefrau und sagte: »Gib mir meinen Esel!« »Welchen Esel?« »Den du meiner Frau im Bade vertauscht hast.« »Ich habe keinen Esel gesehen«, erklärte sie. Da öffnete der Fuchs den Ranzen, die beiden Riesen kamen heraus und fragten: »Was ist dein Begehr?« »Tödtet die Badefrau!« Alsbald tödteten sie sie und frassen sie auf. Der Fuchs führte den Esel mit sich weg und kam zur Quelle. Da fragte der Mann ihn: »Was hast du getan, Fuchs?« »Wie du mir aufgetragen hast, habe ich getan«, antwortete er. »Gib mir die Schüssel«, fuhr der Mann fort, »und den Esel und die Riesen, dass ich sie dir aufhebe; wann immer du ihrer bedarfst, gebe ich sie dir.« »Nein!« bat der Fuchs, »lass mir wenigstens die Riesen.« Der Mann nahm den Esel und die Schüssel an sich, der Fuchs aber hing den Ranzen mit den Riesen über die Schulter und ging in die weite Welt

Er kam in eine Stadt, da traf er einen Bäcker, der fragte ihn: »Willst du nicht mein Geselle werden?« »Gewiss!« antwortete er. »Ich gebe dir«, fuhr jener fort, »zwanzig Piaster den Monat und die Kost.« »Gut!« sagte der Fuchs, wurde Bäckergeselle, buk Brot und verkaufte es. Wenn er aber ass, assen die Riesen immer mit ihm. Ein Jahr blieb er so beim Backofen, da sagte der Bäcker: »Ich habe dieses Jahr Verlust erlitten«, jagte den Fuchs weg und wollte ihm seinen Lohn nicht geben. »Holla! Bäcker!« sagte der Fuchs, »gib mir meinen Lohn.« »Nein, ich gebe dir ihn nicht«, versetzte jener. Der Fuchs aber öffnete den Ranzen, die Riesen kamen heraus und fragten: »Was ist dein Begehr?« »Tödtet den Bäcker!« befal er. Alsbald tödteten sie den Bäcker und frassen ihn auf; der Fuchs nahm seinen Lohn, und die Riesen fuhren wieder in den Ranzen. – Darauf verliess der Fuchs die Stadt und begab sich auf einen Berg. Auf diesem[345] traf er eine wunderschöne Frau. Sie war die Tochter des Schlangenkönigs, die im Groll ihrem Vater entflohen war und sich verirrt hatte. Der Fuchs fing ein Gespräch mit ihr an und sagte: »Lass mich deine Liebe gemessen.« Als sie ihm aber wehrte, drohte er: »Ich werde dich tödten.« »Das vermagst du nicht«, antwortete sie. Da öffnete er den Ranzen, die Riesen kamen heraus – als sie aber die Frau erblickten, gerieten sie in Entzücken, hoben sie auf und entführten sie. Der Fuchs fing an zu weinen und rief den Riesen, aber die waren weg, er bekam sie nicht mehr zu sehen, sie hatten die Tochter des Schlangenkönigs entführt. So blieb der Fuchs allein auf dem Berge mit dem leeren Ranzen. Er begab sich nun auf den Weg nach Hause, da traf er den Schlangenkönig in Begleitung von hundert Schlangen. »Fuchs!« rief der König. »Ja!« »Hast du hier auf dem Berge keine Frau gesehen?« »Gewiss! bei Gott! ich habe eine gesehen.« »Wo ist sie?« »Die beiden Riesen haben sie entführt.« »Wohin sind sie gegangen?« fragten die Schlangen. »Dorthin.« »Komm, führe uns.« »Das kann ich nicht«, entschuldigte er sich. »Auf der Stelle kommst du«, erwiderten sie und nahmen den Fuchs mit Gewalt mit; einen Monat lang suchten sie, aber sie fanden nichts. Da trafen sie eine Schwalbe, die fragte sie: »Wonach sucht ihr?« »Wir suchen nach Riesen, sie haben eine Frau entführt.« »Geht in der Richtung nach Mekka, da ist eine Ebene, dort liegt ein Schloss zwischen den beiden Seen, in diesem ist sie, gerade jetzt komme ich von dort.« »Komm, zeige es uns«, baten sie. »Ich kann nicht«, entschuldigte sie sich. »Wenn du nicht kommst«, fiel der König ein, »so lasse ich die Schlangen deine Jungen fressen.« Da fürchtete sich die Schwalbe, ging mit ihnen und zeigte ihnen das Schloss. »Da ist das Schloss«, sagte sie und kehrte zurück. Der Fuchs blieb am Rande des Wassers, er konnte nicht hinüber schwimmen, die Schlangen aber mit ihrem Könige zogen über das Wasser und gelangten zu dem Schlosse. Sie gingen in dasselbe hinein und sahen, wie die Riesen die Liebe – des Mädchens genossen. Da bissen sie die Riesen, diese starben, das Mädchen aber nahmen die Schlangen mit. Als sie zum Fuchse zurückkamen, fragte dieser sie: »Wo sind die Riesen?« »Wir haben sie gebissen, und sie sind gestorben.« Die Königstochter aber sagte: »Dieser hier hat die Riesen aus dem Ranzen herausgelassen.« »Wirklich?« fragten die Schlangen. Da entfloh der Fuchs, sie eilten ihm nach und riefen: »Beisst ihn!« aber sie erreichten ihn nicht mehr, und er entkam.[346]

Darauf traf der Fuchs einen Mann, den fragte er: »Was führst du mit dir, Mann?« »Ich habe Leinwand zum Verkaufe bei mir«, antwortete jener. »Gerade suche ich nach Leinwand«, rief der Fuchs, »mein Bruder und mein Vater sind gestorben, sie brauchen Todtenhemden, miss mir zwanzig Ellen und nimm was dir zukommt.« »Gut!« versetzte der Mann und mass ihm zwanzig Ellen. Der Fuchs nahm sie in Empfang und wickelte sie sich als Turbanbinde um den Kopf – die zwanzig Ellen! »Bezale mich!« mahnte der Mann. »Ja«, antwortete der Fuchs, »mein Geld liegt hier in der Nähe verborgen, ich hole es heraus und bezale dich.« Damit ging er weg und entfloh, der Mann rief ihm nach, aber er lief immer weiter. Da fing der Mann an zu weinen. Der Fuchs aber begegnete einem Manne mit einer Kuh. »Wohin gehst du, Mann?« fragte er ihn. »Meine Kleinen sind nackt«, erwiderte er, »ich will daher die Kuh für Leinwand verkaufen.« »Komm, ich will dir Leinwand für die Kuh geben.« Sie wurden Handels einig, und der Fuchs nahm die Kuh mit nach Hause. Unterwegs begegnete ihm der Wolf und fragte ihn: »Fuchs, woher hast du die Kuh da bekommen?« »Ich habe sie gekauft.« »Lass uns beide zusammen sie fressen.« Davon wollte aber der Fuchs nichts wissen, jedoch der Wolf machte sich an sie heran, tödtete sie und frass sie auf, ohne den Fuchs mitfressen zu lassen. Zornig ging dieser von dannen und fand in einer Falle Brot mit Schmalz. Da sagte er zum Wolfe: »Komm und friss das Brot hier.« »Warum frissest du es denn nicht?« fragte jener. »Ich, ich habe geschworen, kein Fett zu fressen, seit der Zeit, da ich meinen Schwanz verlor.« Der Wolf kam, griff nach dem Brote und geriet in die Falle, das Brot flog aus derselben hinaus, und der Fuchs frass es auf »Fuchs!« rief der Wolf, »komm, befreie mich.« Der aber antwortete: »Das ist für die Kuh, welche du gefressen hast; bleib du gefangen.« So blieb der Wolf gefangen, der Fuchs aber kam nach Hause.

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 342-347.
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