LXXXV.

[361] Es war einmal ein Fuchs, der hatte einen Vater und eine Mutter. Er pflegte aber stehlen zu gehen, und obgleich sein Vater ihm zu stehlen verbot, so vermochte er doch nichts über ihn. Da nahm er ihn und brachte ihn zum Pfaffen in die Schule. Dieser sagte zum Vater: »Wen immer ich lesen lehre, dem gebe ich Schläge.« »Schlage ihn nur, ich gebe dir die Erlaubniss dazu«, antwortete der Vater. So lernte nun der Fuchs beim Pfaffen lesen, und dieser sagte ihm: »Geh, Fuchs, und lest zusammen, du und mein Sohn.« Als der Fuchs aber mit dem Sohne des Pfaffen zusammen lesen lernte, stal er des Pfaffen Tintenfass, ging hin und verkaufte es. »Fuchs!« rief der Pfaffe. »Ja!« »Wo ist mein Tintenfass?« »Ich habe es nicht gesehen.« Der Pfaffe sagte nichts weiter, sondern ging auf den Markt, und als er dort das Tintenfass fand, fragte er den Makler: »Woher ist dieses Tintenfass?« »Ich habe es gekauft.« »Von wem?« »Vom Fuchse.« Der Pfaffe ging nach Hause und rief den Fuchs: »Fuchs!« »Ja!« »Du hast das Tintenfass dem Makler verkauft.« »Bewahre!« erwiderte der Fuchs, »ich gehe den Makler holen.« »Geh!« Der Fuchs ging zum Makler und sagte: »Makler!«[361] »Ja!« »Ich habe gestolene Sachen bei mir, die will ich dir zum Verkaufen geben.« »Gut!« »Aber, du verrätst mich.« »Nein, nein! ich verrate nichts.« »Ich habe dir ja das Tintenfass gegeben, das hast du doch dem Pfaffen verraten; komm, sage ihm: nicht von diesem Fuchse habe ich es bekommen.« »Ich komme!« versetzte der Makler, ging zum Pfaffen und sagte: »Nicht dieser Fuchs hat mir das Tintenfass verkauft.« »Aber welcher denn?« »Ein anderer Fuchs.« Der Pfaffe sprach nicht weiter davon. – Einst ging der Fuchs mit dem Sohne des Pfaffen Wässer aus dem Brunnen ziehen. Der Fuchs sagte: »Ich werde ziehen«, und auch der Sohn des Pfaffen sagte: »Ich werde ziehen.« Wie nun der Sohn des Pfaffen zog, stiess der Fuchs ihn in den Brunnen; dann ging er zum Pfaffen und rief: »Pfaffe!« »Ja!« »Dein Sohn ist in den Brunnen gefallen.« »Wirklich?« »Ja.« Da ging der Pfaffe, stieg in den Brunnen hinab und ertrank. Seine Hausleute kamen, Stiegen ihm nach, holten ihn und auch seinen Sohn heraus und brachten sie nach Hause. »Wer hat den Sohn des Pfaffen in den Brunnen geworfen?« fragten sie; einige sagten: »Er ist von selbst hineingefallen«, aber der Kater sagte: »Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie der Fuchs ihn hineinwarf.« »Der Fuchs bat ihn hineingeworfen?« fragten sie. »Ja.« »So packt ihn.« Sie packten den Fuchs, brachten ihn zum Statthalter auf die Polizei und liessen ihn in's Gefängniss werfen. Jeden Tag musste einer von den Gefangenen das Gefängniss kehren; als an den Fuchs die Reihe zu kehren kam und man ihm sagte: »Auf, Fuchs! kehre«, antwortete er: »Lasst mich von der Kette los, dann kehre ich.« Sie machten ihn von der Kette los, und er nahm den Besen zur Hand; dann sagte er: »Ich habe grosse Not«, ging hinaus, wie um seine Notdurft zu verrichten, und entfloh. Der Pförtner, welcher am Eingänge war, fragte ihn: »Wohin, Fuchs?« »Der Statthalter hat mich freigelassen«, erwiderte er. Der Pförtner ging den Statthalter fragen: »Hast du den Fuchs freigelassen?« »Nein!« »Er ist entflohen.« »Schickt ihm Reiter nach und nehmt ihn fest«, befal jener. Die Reiter sassen auf und verfolgten ihn; der Fuchs aber kam zum Bauern und sagte: »Bauer!« »Ja!« »Bei deinem Heil! die Reiter suchen nach mir, verbirg mich.« Da verbarg ihn der Bauer, indem er ihn in seinen Doppelsack steckte. Die Reiter kamen heran und fragten: »Bauer, hast du keinen Fuchs gesehen?« »Nein.« Sie suchten weiter, aber als sie ihn nicht fanden, kehrten sie zurück und berichteten dem Statthalter: »Wir haben ihn nicht gefunden.«[362]

Der Bauer ging nach Hause und nahm den Fuchs mit sich; darauf sagte er ihm: »Geh, Fuchs, wohin du willst, ich habe dich vor den Reitern gerettet.« Der Fuchs aber antwortete: »Ich will diese Nacht bei euch schlafen.« »Schlaf nur«, versetzte jener. Die Bauersleute hatten eine Henne und Küchlein. In der Nacht stand der Fuchs auf und frass die Küchlein. Als die Bauersleute am Morgen aufstanden, fragten sie: »Wo sind die Küchlein?« »Ich habe gesehen, dass der Kater sie gefressen hat«, antwortete der Fuchs. Sie riefen den Kater und fragten ihn: »Wesshalb hast du die Küchlein gefressen?« »Ich habe sie nicht gefressen; wer hat das gesagt?« »Der Fuchs hat das gesagt.« »Wirklich, Fuchs?« fragte der Kater. »Ja.« »So schwöre.« »Ich will schwören; wobei soll ich schwören?« »Schwöre bei der Wallfahrtskapelle von Bâdschänne.« »Gut, ich will dabei schwören.« Der Kater ging mit dem Fuchse zur Kapelle, unterwegs trafen sie eine Bärin, die fragten sie: »Wohin, Bärin?« »Man hat meine Tochter angeschossen, wer? weiss ich nicht –« »Der Kater hat sie geschossen«, fiel der Fuchs ein, »gerade habe ich ihn gefasst und zu dir gebracht.« »Wirklich, Kater?« »Nein!« »Da ist aber der Fuchs, der sagt es und zeugt gegen dich«, damit gab sie dem Kater einen Schlag mit der Tatze, dass er davon. Dann fragte sie den Fuchs: »Wohin gehst du?« »Ich treibe mich in der Welt herum.« »So komm zu mir«, bat sie. »Nein«, entgegnete er, »ich habe Kinder zu Hause.« Da riss die Bärin ihr Maul auf, um den Fuchs zu fressen. »Nein«, rief er, »ich komme mit dir.« So nahm sie ihn mit sich nach Hause. Dort bat sie ihn: »Sei mein Mann!« »Gut!« antwortete er und schlief bei ihr. – Die Bärin hatte eine Arznei. »Lege von diesem Heilmittel«, sagte sie zum Fuchse, »auf die Wunde meiner Tochter, ich will auf die Jagd gehen.« »Gut!« antwortete er. Die Bärin ging auf die Jagd, und der Fuchs behandelte die Wunde der Tochter, bis sie gesund wurde; am Tage schlief er bei der Tochter und Nachts bei der Bärin, die war seine Frau. Als auf diese Weise ein Jahr vergangen war, wurde die Bärin krank. »Fuchs!« sagte sie. »Ja!« »Geh, hole mir einen Arzt.« »Ja; und wenn ich keinen Arzt finde, komme ich zurück.« »Wenn du ohne Arzt zurückkommst, so schlage ich dir den Kopf ab.« »Gut«, sagte er, ging hin und traf eine Heuschrecke. »Was machst du hier, Heuschrecke?« »Ich bin das geistliche Oberhaupt der Schlangen.« »Auf welche Weise bist du dies geworden?« fragte der Fuchs weiter. »Ich habe hier diese Mütze, wenn ich sie aufsetze,[363] kommen alle Schlangen zu mir, und ich verstehe ihre Sprache.« »Bleib hier, Heuschrecke«, bat der Fuchs, »ich gehe eben in jenes Dorf, ich habe da etwas zu tun, ich bin im Augenblick wieder hier.« »Gut!« versetzte sie. Der Fuchs ging und traf einen Ssimermervogel. »Vogel!« rief er. »Ja!« »Wonach suchest du?« »Ich suche nach einer Heuschrecke, zur Arznei für unsern Fürsten.« »Komm, ich will dir eine Heuschrecke zeigen.« »Voran!« Er zeigte dem Vogel die Heuschrecke, und dieser kämpfte mit ihr. Die Heuschrecke griff nach der Mütze, um sie aufzusetzen, damit die Schlangen kämen, den Vogel zu beissen; aber der Fuchs riss sie ihr aus der Hand. Da tödtete der Vogel die Heuschrecke und trug sie im Schnabel davon. Der Fuchs blieb allein zurück und setzte sich die Mütze auf, da kamen die Schlangen. Als sie den Fuchs erblickten, sagten sie: »Wir haben ein neues geistliches Oberhaupt bekommen.« »Ich bin der Freund der Heuschrecke«, sagte der Fuchs, »sie hat mir die Mütze gegeben und mich zu ihrem Stellvertreter eingesetzt.« »Gut!« erwiderten sie. Als die Schlangen insgesamt zu ihm gekommen waren, fragte er: »Ist nicht eine kühne unter euch?« »Gewiss!« antworteten sie und riefen eine kühne. »Komm mit mir«, sagte ihr der Fuchs. »Voran!« »Ihr andern kehrt an euren Ort zurück!« befal er. Die Schlangen verzogen sich, der Fuchs nahm die kühne mit sich und kam zur Bärin, die war unterdess wieder gesund geworden. »Schlange!« sagte der Fuchs. »Ja!« »Krieche in die Wand, bis dass ich dich rufe.« »Wo warst du, Fuchs?« fragte die Bärin. »Ich habe nach einem Arzte gesucht.« »Wo suchtest du?« »In den Ländern.« »Wo ist der Arzt?« »Ich habe keinen gefunden.« »So fresse ich dich.« »Friss mich nicht diesen Abend, warte bis zum Morgen, damit ich mich ausruhe.« »Nein!« erwiderte die Bärin. Da sagte die Tochter: »Lass ihn bis zum Morgen.« Als sie sich schlafen gelegt hatten, rief der Fuchs der Schlange; diese biss die Tochter der Bärin, dann sagte sie: »Ich habe sie gebissen.« »So geh nach Hause«, erlaubte er ihr. Die Schlange hatte aber aus Versehen die Tochter der Bärin gebissen, er denkt, sie hätte die alte Bärin gebissen, desshalb erlaubte er ihr, nach Hause zu gehen. Am Morgen stand er auf und auch die Bärin, da fand er, dass die Bärin ganz gesund war: bei sich dachte er: »Sie hat sie gebissen, und doch ist sie gesund.« Dann sagte er ihr: »Wecke deine Tochter.« Als sie sie aber wecken wollte, gab diese keine Antwort, und sie fanden, dass sie todt war. Da sagte der Fachs: »Siehe! Um meiner[364] Sünde willen ist deine Tochter gestorben.« »Bei Gott! es ist wahr«, erwiderte die Bärin, »ich will dich nicht fressen.« Einen Tag lang weinte die Bärin über ihre Tochter, dann trugen sie sie weg und begruben sie, sie und der Fuchs.

Als sie nach Hause zurückgekehrt waren, (sie waren ja Mann und Frau), sagte die Bärin: »Fuchs!« »Ja!« »Komm, lass uns zum Marder gehen, damit wir sehen, wer stärker ist, du oder er.« (Sie sagte ihm das aber nur aus List). »Der Marder ist stärker als ich«, versetzte der Fuchs. »Nein! komm!« Als sie in ein ödes Gebirge gekommen waren, sagte sie: »Fuchs, wir wollen uns hier schlafen legen.« »Gut!« erwiderte der Fuchs. Als sie sich aber niedergelegt hatten, stand die Bärin auf, um den Fuchs zu fressen. »Was machst du, Bärin?« fragte der. »Ich will dich fressen.« »So warte, dass ich meine Mütze aufsetze.« Er setzte seine Mütze auf, da kamen die Schlangen insgesamt und fragten: »Was wünschest du?« »Beisst die Bärin, denn sie will mich fressen.« Die Schlangen machten sich an die Bärin, wickelten sich um ihre Beine und ihren Hals und bissen sie. »Fuchs! bei deinem Heil!« rief sie. Der aber erwiderte: »Das verfängt nicht mehr! du willst mich ja immer fressen.« So tödteten die Schlangen sie. Darauf befal er: »Kehrt an euren Ort zurück!«, »Komm mit uns!« baten sie. »Wesshalb?« »Unser König hat seinem Sohne eine Braut heimgeführt, komm und traue sie.« »Gut! – woher ist die Braut, die er seinem Sohne zugeführt hat?« »Sie ist die Tochter des Fürsten der Vögel.« Der Fuchs begab sich zum Palaste des Schlangenkönigs und nahm dort Platz. Die Leute des Königs freuten sich und sagten: »Unser Oberpriester ist zu uns gekommen.« Als der Fuchs im Audienzsale des Schlangenkönigs sass, sagte er: »Berufe die Grossen der Schlangen.« Der König berief die Grossen, und die Beratung ging vor sich. Da fragte der Fuchs: »Wer ist jene, welche du für deinen Sohn gefreit hast, o König?« »Die Tochter des Fürsten der Vögel.« »Ich werde die Verlobung wieder aufheben.« »Wie so?« »Wenn ich euer Oberpriester bin, so hebe ich die Verlobung auf; wenn ihr mich nicht weiter als solchen haben wollt, wie ihr wollt.« Da sagten alle: »Was du auch befehlen magst, wir werden dein Gebot nicht verletzen.« »So freit sie nicht.« »Wesshalb denn nicht?« »Es geht nicht an, dass die Schlangen Vögel heiraten, noch auch, dass die Vögel Schlangen nehmen; freie deinem Sohne eine Schlange.« »Es gibt aber keine schönen Schlangen mehr«, warf der König ein. »So will ich ihm eine Frau suchen gehen.« –[365] Der Fuchs begab sich zum Panther, der hatte eine schöne Tochter. »Wesshalb bist du gekommen, Fuchs?« fragte er. »Ich bin gekommen, um deine Tochter für den Sohn des Schlangenkönigs zu freien.« »Geh zum Teufel! Wie werde ich meine Tochter den Schlangen geben? die beissen sie, ich gebe sie nicht.« Da setzte der Fuchs die Mütze auf, und alsbald versammelten sich die Schlangen um ihn und fragten: »Was wünschest du?« »Beisst den Panther.« Sie bissen ihn, der Fuchs aber nahm das Mädchen mit und traute es dem Sohne des Schlangenkönigs an. Er selbst aber wohnte ihr heimlicher Weise bei.

Ein Jahr lang lebte er unter den Schlangen, in vertrautem Umgange mit der Schwiegertochter des Königs. Eines Tages aber sah der König, dass der Oberpriester bei seiner Schwiegertochter lag. Da biss er ihn, aber der Fuchs hatte die Mütze bei sich, und der Biss war machtlos. Man nahm ihn nun fest und warf ihn in's Gefängniss des Königs. Der König aber begab sich zum Fürsten der Heuschrecken und fragte ihn: »Wo ist die Heuschrecke, die du uns zum Oberpriester gegeben hast?« »Die ist bei euch.« »Nein, bei uns ist keine Heuschrecke, ein Fuchs ist an ihrer Stelle, als Vertreter eingesetzt; er besitzt die Mütze.« »Sonderbar!« erwiderte der Fürst, bestieg sein Ross und begab sich mit dem Schlangenkönige zu dessen Wohnung. »Fuchs!« rief er. »Ja!« »Wer hat dir die Mütze gegeben?« »Sie lag hingeworfen am Wege.« »Nein, du lügst, sprich die Wahrheit, oder wir hängen dich auf.« Da erzälte der Fuchs: »Ich traf eine Heuschrecke und einen Vogel, die mit einander kämpften, der Vogel tödtete die Heuschrecke, diese gab mir die Mütze und bat mich, ihr Stellvertreter zu werden; der Vogel nahm die getödtete Heuschrecke mit sich, ich fragte ihn, wozu? Da sagte er: Für unsern Fürsten zur Arznei.« Darauf begaben sich der Schlangenkönig und der Heuschreckenfürst zum Fürsten der Vögel und fragten ihn: »Wesshalb hat der Vogel die Heuschrecke getödtet?« »Ich weiss nichts davon«, erwiderte dieser, »kennt ihr den Vogel, der die Heuschrecke getödtet hat?« »Wir kennen ihn nicht, aber der Fuchs kennt ihn.« Sie riefen die Vögel alle zusammen, der Fuchs suchte unter ihnen herum, aber er fand den betreffenden nicht. Da fragte der Schlangenkönig den Vogelfürsten: »Bist du nicht krank gewesen?« »Bewahre! ich bin nicht krank gewesen; an welcher Krankheit denn?« »So ist es dieser Fürst gar nicht«, versetzte der Schlangenkönig, »kommt, lasst uns zum Ssîmer, dem Fürsten der Vögel, gehen.« Sie kamen[366] zu ihm und der König fragte: »Wo ist der Vogel, der die Heuschrecke getödtet hat?« (Der Fürst der Heuschrecken ist in Feindschaft mit dem Ssîmer, desshalb wagt er nicht zu sprechen, und der Schlangenkönig und der Fuchs müssen die Verhandlungen mit ihm führen). »Welcher Vogel?« erwiderte jener. »Der die Heuschrecke getödtet hat.« »Er ist da unter den Vögeln; was soll er?« »Die Heuschrecke war unser Oberpriester, und der Vogel hat sie getödtet.« »Weisst du denn nicht, dass wir und die Heuschrecken Feinde sind?« »Mögt ihr immerhin Feinde sein, diese war unser Oberpriester.« »Ich habe sie verbrannt und mir ein Pflaster für meinen Kopf daraus gemacht.« Da sagten der König und der Heuschreckenfürst: »Fuchs, gib uns die Mütze.« Dieser aber weigerte sich, sie zu geben. Die Heuschrecke brach auf, kehrte zu ihrem Volke zurück, rüstete ein Heer – der Fuchs und der Schlangenkönig waren beim Vogelfürsten geblieben – und führte es heran. Nun kämpften die Heuschrecken mit den Ssimermer. Da der Fuchs die Mütze noch besass, konnten die Schlangen nicht beissen. Da sagte der Ssîmer: »Fuchs, gib mir die Mütze, wir sind ja Freunde, fürchte nicht, dass der König sie dir stehle, denn wenn wir ihn sie stehlen lassen, dann beissen uns ja die Schlangen.« Der Kampf der Ssimermer und Heuschrecken entschied sich zu Gunsten der erstem, da bat die Heuschrecke die Schlangen ihnen zu helfen, aber die Schlangen sagten: »Höle die Mütze, dann helfen wir dir, ohne die Mütze können wir nicht beissen.« Schliesslich tödteten die Ssimermer die Heuschrecken, und der Ssîmer nahm den Schlangenkönig gefangen. Als der Fuchs aber die Mütze von dem Vogel zurückforderte, wollte dieser sie nicht herausgeben. »Vogel!« sagte er, »gib mir die Mütze.« »Geh zum Teufel!« antwortete dieser und wollte nichts von der Mütze wissen. Wie der Fuchs es auch anlegte, der Ssîmer gab sie nicht. Da blieb der Fuchs beim Ssîmer wohnen. Einst traf er eine Katze und sagte zu ihr: »Katze, komm, lass uns Brüderschaft machen.« »Gut!« erwiderte sie. »Was ich dir auftrage, wirst du das tun?« fragte der Fuchs. »Ja; und was ich dir auftrage, wirst du das auch tun?« fragte sie. »Ja; geh, beim Ssîmer ist eine Mütze, wenn du die stiehlst, sollst du meine Schwester sein.« »Ich gehe!« sagte sie und begab sich in das Zimmer des Ssîmer. Dieser wollte sich gerade schlafen legen, er öffnete den Kasten, legte die Mütze hinein – die Katze schaute zu – verschloss den Kasten und legte den Schlüssel unter's Kopfkissen. Dann schlief er ein. Da ging die[367] Katze, stal den Schlüssel, öffnete den Kasten, nahm die Mütze heraus und gab sie dem Fuchse. Dieser sagte: »Geh jetzt und schlafe bis zum Morgen.« Darauf begab er sich zum Schlangenkönig in's Gefängniss und rief noch in der Nacht: »König!« »Ja!« »Ich will dir die Mütze geben, wenn du mir Sicherheit gibst, dass die Schlangen mich nicht beissen und dass du mir deine Schwiegertochter gibst.« »Gott sei Zeuge zwischen mir und dir, dass ich ihnen nicht erlaube, dich zu beissen, und dass ich dir meine Schwiegertochter gebe.« »So spucke in meinen Mund, dass du dein Wort nicht brichst.« Da spuckte der König in seinen Mund, und der Fuchs gab ihm die Mütze. Der König versammelte alle Schlangen, wie besessen kamen sie heran, und er gebot ihnen: »Den Fuchs, dass ihr mir den nicht beisst, hört ihr!« »Nein! Nein!« antworteten sie. Darauf befal er ihnen, den Ssîmer und die Vögel anzugreifen. Sie bissen die Vögel und den Ssîmer, dann kamen sie nach Hause, und der Fuchs kam mit ihnen. Der König gab ihm die Schwiegertochter, und der Fuchs führte sie mit sich weg und zog in seine Heimat, aber unterwegs begegneten ihm die Panther, die erschlugen ihn und nahmen das Mädchen weg.

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 361-368.
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