1.

Es war einmal ein Holzhauer, der verdiente mit Holzhauen täglich einen Groschen und brachte dafür seinen Kindern Essen. Als er einst beim Backofen war, sah er einen, der Pasteten buk. Da dachte er: »Heute Abend will ich meinen Kindern auch Pasteten backen.« Er tat das und brachte sie seinen Kindern nach Hause; da erklärte aber seine Frau: »Ich gebe sie den Kindern nicht zu essen, Gift hast du hineingetan; willst du meine Kinder töten?« Darüber gerieten sie mit einander in Streit, und der Mann verließ die Frau und die Kinder und ging auf die Heide. Er wanderte immer weiter, bis er ans Ufer des Meeres gelangte; dort traf er einen Derwisch, der sagte Beschwörungen her, bis das Meer sich öffnete. Dann ging er in dasselbe hinein, verweilte jedoch nicht lange, sondern kam wieder heraus. Nachdem er dann weggegangen war, blieb der Holzhauer noch eine Weile sitzen, darauf wandte auch er sich an das Meer und sagte: »Ich beschwöre dich, o Meer, wie dich beschworen hat der Derwisch.« Da öffnete sich ihm das Meer, er stieg hinab und fand ein Mädchen, welches mit den Haaren an der Decke aufgehangen war. Die sagte: »Ich bitte dich, löse mich.« Er löste sie, und dann befahl sie ihm, eine Schachtel aus der Wandnische mitzunehmen. Mit ihr flohen sie zum Meere hinaus. »Eile dich,« mahnte sie, »eben kommt der Derwisch, wenn er uns sieht, so tötet er uns.« Sie liefen weiter und trafen Pferdetreiber an, welche gerade Baumwolle aufluden1. Zu denen sagte das Mädchen: »Ich bitte euch, tut etwas2 Baumwolle beiseite und verbergt mich, dann werde ich euch den Futtersack voll Gold geben, und wenn der Derwisch kommt und euch fragt, ob ihr hier ein Mädchen habt vorüber – gehen sehen, so antwortet: Nein!« Darauf kam der Derwisch zu den Pferdetreibern und fragte sie: »Habt ihr irgend ein Mädchen[1] gesehen?« Der Derwisch hatte das Mädchen gestohlen und wollte es heiraten, sie aber wollte nicht, und nun hatte der Holzhauer sie ihm weggeholt und hatte sie bei den Pferdetreibern verborgen, und wie nun der Derwisch kommt und die Pferdetreiber fragt, so sagen sie ihm, sie sei nicht bei ihnen; sie hatten Baumwolle beiseite getan und das Mädchen zwischen der Baumwolle versteckt. Darauf zogen sie weiter und gelangten zu einem Orte. In der Schachtel war ein Ring; was auch immer jemand von diesem Ringe verlangte, das gewährte er ihm. Da verlangte sie Goldstücke von ihm und gab sie den Pferdetreibern als Belohnung. Darauf baute sie sich eine Wohnung und kaufte Sklaven, die sie an die Türe setzte, indem sie ihnen befahl: »Wenn der Derwisch kommt, so laßt ihn nicht herein.« Dann ließ sie eine Grube graben und eine Eisenplatte holen, stieg in die Grube hinab und bedeckte damit die Öffnung derselben. Hierauf ließ sie eine Sklavin kommen und sich ein Lager auf der Grubenöffnung bereiten und empfahl ihr an: »Wenn der Derwisch kommt, so laß nicht zu, daß er zu mir hinabsteige.« Bald darauf kam der Derwisch und fragte die Sklavin: »Wo ist deine Herrin?« »Ich bin die Herrin,« versetzte sie. Da ergriff er sein Schwert und hieb ihr den Kopf ab, dann entfernte er sie von der Grubenöffnung und stieg zu dem Mädchen hinunter. Als er aber seinen Kopf hinabstreckte, zückte sie das Schwert und rief: »O Gott, o heiliger Elias, erlöse mich von diesem Derwisch!« So tötete sie ihn. Hierauf stieg sie aus der Grube heraus. Gott und der heilige Elias hatten sie von dem Derwisch erlöst, und nun ist die Geschichte aus.

1

[B. geladen hatten].

2

[hier und im Folgenden: die].

Quelle:
Bergsträsser, G[otthelf] (Hg.): Neuaramäische Märchen und andere Texte aus Malula. Leipzig: F.A. Brockhaus, 1915, S. 1-2.
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