35.

[105] Es gibt (ein Tier namens) Rabōṣa, klein, von der Größe einer Katze, und dieses Rabōṣa bewacht Schätze. Es kommt zu einem Menschen und schläft auf seinem Rücken schwer, schwerer als ein Mensch. Der Mensch, der unter ihm schläft, wacht auf und findet etwas Schweres auf sich. Er fürchtet sich vor ihm und sagt: »Was ist das, das auf mir ist?« Wenn einer mutig ist, hält er es vorsichtig fest, hält es an seinem Ohr fest und sagt zu ihm: »Wo ist der Schatz?« Das Rabōṣa erwidert: »Im Hintern des Esels.« Er sagt noch einmal so, und es gibt ihm eine Antwort, wie diese Antwort. Dann kneipt er es in sein Ohr, und es sagt zu ihm: »Nimm ein Gefäß mit und folge mir!«

Einmal schlief meine Großmutter, da kam dieses Rabōṣa und setzte sich auf den Rücken der Bettdecke. Meine Großmutter erwachte und fand etwas Schweres; sie sagte: »Was ist das?« Sie sah auf dem Rücken der Bettdecke nach und fand, daß es ein Rabōṣa war. Sie stand vorsichtig auf, hielt es an seinem Ohr fest und sagte zu ihm: »Wo ist der Schatz?« Es sagte zu ihr: »Im Hintern des Esels.« Sie knipp es noch einmal in sein Ohr und sagte zu ihm: »Wo ist der Schatz?« Es sagte: »Nimm ein Gefäß mit und folge mir!« Sie stand auf. So sehr sie aber die Satteltasche suchte, fand sie sie nicht. Sie ging zu den Kappušō und sagte zu ihnen: »Borgt uns eure Satteltasche eine Weile.« Sie sagten zu ihr: »Eben hat sie unser Sohn Georg aufs Land mitgenommen.« Sie ging fort und ging zu den Bauṷabīž und sagte zu ihnen: »Gebt, borgt uns eure Satteltasche.« Sie sagten zu ihr: »Eben war sie hier, da sind die Qamar gekommen und haben sie mitgenommen; sie sind zu den Ṭīna gegangen, um sie ihnen zu bringen.« Sie sagte zu ihnen: »Wozu all dies Gerede? Ist sie da, so gebt sie uns, und ist sie nicht da, so ohne viel Gerede.« Da sagte die Frau des Ḏēba Bauṷabīž zu ihr: »Die Qamar haben sie mitgenommen.« Da ging sie fort und ging nach Hause, und das Rabōṣa hielt sie immer noch an seinem Ohre fest. Sie gelangte zur Haustür und sagte: »Woher wollen wir eine Satteltasche bekommen?« Während sie in die Haustür hineinging, sah sie die Satteltasche vor sich. Sie sagte bei sich: »Wer hat die Satteltasche weggenommen und wiedergebracht?« Sie sagte:[105] »Vielleicht haben die Ğinn sie entliehen und jetzt wiedergebracht.« Sie hob die Satteltasche auf und sagte: »Wo wollen wir gehen?« Das Rabōṣa sagte zu ihr: »Hier.« Es machte sich auf und zeigte ihr den Weg. Sie gelangten zu der Öffnung einer Höhle. Während sie den Schlüssel herausholte, um die Tür zu öffnen, entschlüpfte ihr das Rabōṣa aus ihrer Hand und lief weg. Sie ging ärgerlich wieder nach Hause und sagte: »Ach, hätte ich die Tür aufgemacht und wäre mit dem Rabōṣa hineingegangen, wieviel Schätze hätte ich da mitgebracht! Aber es war mir nicht bestimmt.

Quelle:
Bergsträsser, G[otthelf] (Hg.): Neuaramäische Märchen und andere Texte aus Malula. Leipzig: F.A. Brockhaus, 1915, S. 105-106.
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