37.

[106] Es war eine Näherin, die nähte; sie holte die Nadel und nähte. Sie wollte den Fingerhut holen, fand ihn aber nicht. Da ging sie zu ihrer Nachbarin und sagte zu ihr: »Borge mir deinen Fingerhut eine Weile!« Sie sagte: »Wozu brauchst da ihn?« Sie sagte: »Ich nähe ein wenig, ich will ihn an meinen Finger stecken.« Sie sagte: »Ich will mit ihm arbeiten.« Sie sagte: »Ich bringe ihn gleich wieder.« Sie sagte: »Nimm ihn;« sie sagte: »Komm, ich will dir etwas sagen: Jedesmal, wenn du mit deiner Arbeit fertig bist, steh auf und lege jedes Ding an seinen Platz, dann wirst du es finden.« Sie sagte: »Ja.« Sie ging fort, um zu nähen. Sie nähte und wurde fertig und sah nach dem Fingerhut, fand ihn aber nicht. Sie ging zu ihrer Nachbarin und sagte zu ihr: »Der Fingerhut ist verloren gegangen, und ich schäme mich, zu kommen und es dir zu sagen.« Sie sagte: »Das macht nichts; aber komm her, ich will dir etwas sagen: Wer eine Gewohnheit hat, wird sie nicht wieder los. Du brauchst jeden Tag einen Fingerhut. Dein Verdienst reicht kaum aus für die Kosten der Fingerhüte.«

Quelle:
Bergsträsser, G[otthelf] (Hg.): Neuaramäische Märchen und andere Texte aus Malula. Leipzig: F.A. Brockhaus, 1915, S. 106-107.
Lizenz:
Kategorien: