III. Der Lebensapfel.

[20] Es lebte, es war ein König und er hatte drei Söhne. Dieser König wurde krank. Soviel Ärzte und Quacksalber es nur gab, alle wurden gerufen, aber keiner konnte helfen. Einer von ihnen war sehr belesen und sagt: »In Indien ist ein königlicher Garten, in dem der Baum mit den Lebensäpfeln wächst. Wenn man dem König einen solchen Apfel bringt und er ihn isst, wird er gesund und blühend werden und wie neu geboren sein. Sie gingen und meldeten das dem Könige.« Und der König sagt: »Ich[20] habe gehört, dass die Dewen diese Apfel pflücken und dass sie ein Sterblicher nicht bekommen kann.«

Da kommt der älteste Königssohn und sagt: »Sei gegrüsst o Herr, ich will die Äpfel holen.« Er ging fort und ging, ging und kam zu demselben Apfelbaume. In der Nacht, da die Äpfel reif werden, wurde der Königssohn sehr schläfrig; es kam ein Dew, pflückte die Äpfel und ging fort; der Königssohn kehrte mit leeren Händen nach Hause zurück. Im nächsten Jahre zog der mittlere Königssohn nach den Äpfeln aus und auch dieser verschlief und vergähnte es und kehrte leer zurück. Da bot sich der dritte Königssohn an.

»Sei gegrüsst, o Herr!« sagt er. »Ich werde die Äpfel holen.«

»Was willst du dort machen?« sagen sie zu ihm, »wenn die älteren Brüder nichts machen konnten, was drängst du dich da hervor?« Lange beharrte der Königssohn dabei und bat. Und der König sagt zu ihm: »Nun, da gehe!« Es nahm der Königssohn einen Bogen und Pfeile mit sich und machte sich auf den Weg. Er ging, ging und kommt endlich zum Apfelbaume. In der Nacht, in welcher die Äpfel völlig reif werden, schnitt er sich in den Finger und legte Salz auf die Wunde, damit er vor[21] Schmerzen nicht einschlafe. Da bemerkt er um Mitternacht, es kommt ein Dew unter den Apfelbaum geschlichen. Der Königssohn nahm seinen Bogen und jagt dem Dewen einen Pfeil in den Fuss. Dieser läuft mit lautem Geheul davon und der Königssohn pflückte Äpfel und brachte sie dem Vater. Der König ass davon und wurde ganz gesund.

Da fing der jüngste Königssohn an den Vater zu bitten: »Väterchen, lass mich fort,« sagt er, »ich will gehen, um mich an meinem Feinde zu rächen.« Die zwei älteren Brüder schlössen sich ihm an und abends machten sie sich auf den Weg. Sie kamen zum Apfelbaume und sehen Blut, das aus der Wunde des Dewen geflossen war. Sie gingen lange, lange der Spur nach und kamen endlich an eine tiefe Grube. Hier muss der Schlupfwinkel der Dewen sein, dachten sie.

Der älteste Bruder sagt: »Lasst mich in diese Höhle hinunter, ich will mit ihm kämpfen.«

Kaum haben sie ihn etwas hinunter gelassen, als er schreit: »Ach, ach, ich brenne wie im Feuer, zieht mich heraus!« Sie zogen ihn heraus.

Da trat der zweite Bruder hervor, aber kaum haben sie ihn etwas hinunter gelassen, als er schreit: »Ach, ach, ich brenne wie im[22] Feuer, zieht mich heraus!« Sie zogen ihn heraus. Jetzt kam die Reihe an den jüngsten. Dieser sagt: »Brüder, so lange ich schreien werde: ich brenne, ich brenne! lasst mich immer tiefer hinunter!« Sie liessen ihn hinunter und dieser schreit, und jene lassen ihn immer tiefer hinunter, bis er unten ankam. Er sieht, es liegt ein ungeheurer Dew da; sein Kopf liegt auf dem Schosse einer wunderschönen Jungfrau und er schläft. Die Jungfrau stickt etwas und vor ihr auf einem goldenen Brette spielt eine goldene Katze mit einer goldenen Maus. Die Jungfrau bemerkte den Königssohn und sagt: »Du Erdgeborener, die kriechende Schlange, der gefiederte Vogel kann nicht hier eindringen, wie bist du hierher gekommen?« Der Königssohn antwortet: »Meine Liebe zu dir hat mich hierher geführt.« Die Jungfrau sagt: »Hüte dich, wackrer Bursche, geh eiligst fort von hier, denn wenn der Dew erwacht, bleibt von dir nichts als dein Ohr übrig.«

Der Königssohn antwortet: »Wecke ihn, mag er aufwachen, ich bin gekommen, ihn zum Kampfe herauszufordern.« Die Jungfrau antwortet: »Er wird vierzig Tage schlafen; erst vor acht Tagen hat er die Augen geschlossen, es bleiben noch zweiunddreissig Tage, bis er aufsteht. Wenn du nicht warten willst, da nimm[23] diese eiserne Stange unterm Pfluge hervor, mache sie glühend bis sie weiss wird und wirf sie dem Dewen auf die Füsse, da wird er aufwachen.« Der Königssohn nahm die eiserne Stange, machte sie glühend und warf sie dem Dewen auf die Füsse. Der Dew rührte die Füsse, erwachte, reibt sich die Augen und sagt: »Pfui, wie die Flöhe beissen!« Die Jungfrau sagt: »Das ist mir ein schöner Floh! Sieh nur, was für ein Held hierher gekommen ist, um mit dir zu kämpfen.« Der Dew blickte auf den Königssohn und sagt: »Das ist ein guter Bissen, die Zähne jucken mir.« Der Königssohn sagt: »Nun, steh auf, wir werden sehen, wem von uns Gott hilft!« Jeder nahm Bogen und Pfeil und der Kampf begann. Der Dew sagt zum Königssohne: »Zuerst schiesse du!« Der Königssohn sagt: »Nein, schiesse du zuerst!« Der Dew schoss, aber der Königssohn duckte sich nieder und der Pfeil flog vorbei. Jetzt schoss der Königssohn und sein Pfeil flog dem Dewen in die Seite. Der Pfeil durchbohrte sie ganz und schlug tief in die Erde ein. Der Dew wankte und fiel tot zu Boden. Jetzt lief der Königssohn herbei und hieb ihm den Kopf ab. Dann schnitt er ihm die Ohren ab, steckte sie sich in die Tasche und ging weiter. Er geht ein Stück und sieht, da hat ein anderer[24] Dew seinen ungeheuren Kopf auf den Schoss einer schönen Jungfrau gelegt und schläft. Die Jungfrau stickt etwas und vor ihr in einem goldenen Käfige spielt ein Iltis mit einem goldenen Hahne. Die Jungfrau bemerkte den Königssohn und sagt: »Du Erdgeborener, wie bist du hierher gekommen, da die kriechende Schlange, der befiederte Vogel nicht hier eindringen konnte!« Der Königssohn antwortet: »Meine Liebe zu dir hat mich hierher geführt.« Die Jungfrau sagt: »Hüte dich, wackerer Bursche, geh eiligst fort von hier, so lange der Dew noch schläft. Wenn er aufsteht, zerreisst er dich in kleine Stücke.« Der Königssohn antwortet: »Wecke ihn auf, mag er erwachen, ich bin gekommen, um ihn zum Kampfe herauszufordern.« Die Jungfrau sagt: »Wenn dem so ist, so mache diesen Feuerhaken glühend und werfe ihn ihm auf die Füsse und er wird erwachen.« Der Königssohn nahm den Feuerhaken, machte ihn glühend und warf ihn dem Dewen auf die Füsse. Dieser rührte die Füsse, erwachte, reibt sich die Augen und sagt: »Pfui, wie die Flöhe beissen!« Die Jungfrau sagt: »Das ist mir ein schöner Floh! sieh nur, was für ein Held gekommen ist, um mit dir zu kämpfen.« Der Dew blickt auf den Königssohn und sagt: »Nun gut, wir werden Schischlik1[25] aus ihm machen.« Der Königssohn sagt: »Nun, stehe auf, wir werden sehen, wem von uns Gott hilft, mir oder dir!« Der Königssohn warf ihn zu Boden und schlug ihm den Kopf ab, schnitt ihm die Ohren ab, steckte sie in seine Tasche und ging weiter.

Er sieht, es liegt ein ungeheurer Dew da, er hat seinen Kopf auf den Schoss einer wunderschönen Jungfrau gelegt und schläft. Und die Jungfrau sitzt da wie eine glänzende Sonne. Sie stickt etwas und vor ihr auf einem goldenen Präsentierteller spielt ein goldenes Jagdhündchen mit einer goldenen Henne. Die Jungfrau bemerkte den Königssohn und sagt: »Du Erdgeborener, die kriechende Schlange, der gefiederte Vogel kann nicht hier eindringen, wie bist du hierher gekommen?« Der Königssohn antwortet: »Meine Liebe zu dir hat mich hierher geführt.« Die Jungfrau sagt: »Du thust mir leid, du bist so jung! Lauf fort von hier, ehe der Dew aufwacht! Denn wenn er aufwacht, zerreisst er dich in kleine Stücke.« Der Königssohn antwortet: »Wecke ihn, mag er aufwachen, ich bin gekommen, um ihn zum Kampfe herauszufordern.« Die Jungfrau sagt: »Wenn es einmal so ist, so nimm diesen eisernen[26] Mühlenpfahl und wirf ihn dem Dewen auf die Füsse und er wird erwachen.« Der Königssohn nahm den glühenden Pfahl und warf ihn dem Dewen auf die Füsse. Dieser rührte die Füsse, erwachte und sagt: »Pfui, wie die Flöhe beissen!« Die Jungfrau sagt: »Das ist mir ein schöner Floh, er ist nicht leicht! Sieh nur, was für ein Held gekommen ist, um mit dir zu kämpfen!« Der Dew reibt sich die Augen, blickte den Königssohn an und sagt: »Das ist gut, dieses ungefiederte Rebhuhn ist von selbst in die Schlinge gefallen.« Der Königssohn sagt: »Nun, stehe auf, wir werden sehen, wem von uns Gott hilft, mir oder dir!« Sie fingen an zu kämpfen. Der Held richtete den Dewen gehörig zu, schnitt ihm die Ohren ab, steckte sie in seine Tasche und ging und nahm alle schönen Jungfrauen an einen Ort zusammen. Die Jungfrauen führten ihn mit sich und zeigten ihm die Schätze der Dewen; hier lag eine unberechenbare Menge Gold und Silber, Edelsteine von natürlicher Farbe, Perlen, Waffen und reiche Gewänder. Der Königssohn machte aus allem drei Bündel, für jede Jungfrau ein Bündel. Bei sich behielt er nur das Blitzschwert und den Zauberring, den ihm die jüngste Jungfrau gegeben hatte. Er ging in den Pferdestall der Dewen; hier stehen drei[27] feurige Rosse, ein schwarzes, ein braunes und ein weisses, er zog jedem ein Haar aus dem Schweife und steckte sie sich in die Mütze und alle gingen zusammen an die Öffnung der Höhle. Der Königssohn rief seine Brüder, diese antworteten. Hier nahm er und band die zwei ersten Jungfrauen mit ihren Bündeln an den Strick und schreit: »Brüder, zieht hinauf, da habt ihr jeder eine Braut, die älteste für den ältesten, die zweite für den jüngeren Bruder, jede hat ihre Mitgift.« Sie zogen sie heraus und es blieb nur der Königssohn mit seiner Braut und die sagt zu ihm: »Lass du dich zuerst hinaufziehen!« – »Nein,« sagt er, »lass du dich zuerst hinaufziehen!« Die Jungfrau sagt: »Wenn sie mich erblicken, werden sie dich nicht hinaufziehen wollen und du wirst hier bleiben, du thust mir leid.« – »Wie denn,« sagt der Königssohn, »sind sie denn nicht meine Brüder?« – »Nun, wie du willst,« sagt sie zu ihm, »wenn sie dich hier lassen sollten, so merke dir, dass Freitag nachts drei Widder hierher kommen werden, ein schwarzer, ein roter und ein weisser; gieb dir Mühe, auf den schwarzen zu springen und der wird dich auf den roten werfen und dieser auf den weissen und der weisse wird dich ans Licht der Welt bringen. Denke auch daran, dass du den wunderbaren[28] Ring hast. Was du nur denkst, wird durch ihn in Erfüllung gehen und die Pferdehaare verbrenne am Feuer und eins der Rosse wird vor dir erscheinen, wo du auch sein magst. Und nun lebe wohl!«

Als die Brüder die jüngste Schwester herausgezogen hatten, waren sie entzückt über ihr Antlitz und ihre Schönheit und sagten zu einander: »Sieh, der Bruder hat sich die Schönste genommen und uns die anderen überlassen.« Und ihre Herzen erfüllten sich mit Neid; sie liessen den armen Bruder in der Höhle zurück, nahmen die Jungfrauen mit allen Schätzen und kehrten in ihr Reich zurück.

Freitags, in der Nacht, kamen zum Königssohne die drei Widder. Von Kummer gequält sprang er in Eile auf den weissen Widder, dieser warf ihn auf den roten und dieser auf den schwarzen und der schwarze trug ihn ins Reich der Dunkelheit (Unterwelt). Herumtappend fand der Königssohn eine Thür und klopfte. Ein altes Weib kommt die Thür öffnen und fragt: »Wer ist da?«

Der Königssohn antwortet: »Ich bin vater- und mutterlos, eine ganze Waise, Mütterchen!«

Die Alte öffnete die Thür, liess den Königssohn hinein und sagt: »Ich habe keine Kinder, sei du mein Sohn und ich werde dir Mutter[29] sein; vielleicht wird uns Gott Brot senden. Und sie fingen an wie Verwandte zu leben.«

Als der Königssohn etwas ausgeruht hatte, sagt er: »Mütterchen, gieb mir Wasser, ich verschmachte vor Durst.«

Die Alte antwortet: »Wie thut es mir doch leid, es ist ja kein Wasser da. Warte etwas, bis wir welches finden.«

Der Königssohn fragt: »Mütterchen, was bedeutet denn das?« – »Wir haben nur eine Quelle hier,« sagt die Alte, »und dort hat sich ein schrecklicher Drache hingesetzt. Jeden Tag bringt man ihm eine keusche Jungfrau zum Fressen und da nur erlaubt er Wasser zu schöpfen. Sobald er nur sein Opfer verzehrt hat, legt er sich wieder vor die Quelle. Heute ist die Reihe an der Königstochter. Man hört schon den Lärm und das Geschrei. Wahrscheinlich führen sie die Jungfrau zum Drachen.«

Der Königssohn schaute hin, er sieht, sie bringen wirklich eine wie der Mond schöne Jungfrau geführt. Und er selbst ging ihnen nach. Sie führten die Jungfrau an die Quelle und liessen sie dort allein, damit sie den Drachen erwarte.

Der Königssohn, mit seinem Blitzschwerte umgürtet, geht zur Königstochter und sagt: »Du Schöne, erlaube mir, dass ich meinen Kopf[30] auf deinen Schoss lege und einschlummere. Du lass dir vom Drachen nichts anthuen, wenn er kommt, da wecke mich. Ich werde dich vor ihm retten.« Und er schlief ein.

Und da eilt der Drache mit aufgesperrtem Rachen und den Schwanz hin und her bewegend und zischend auf die Jungfrau zu. Vor Angst verlor sie die Sprache und fing an zu weinen. Die heissen Thränen fielen auf die Wange des Königssohnes und dieser erwachte. Er sprang auf und sieht, der Drache hat die Jungfrau schon bis an die Kniee verschlungen. Er zog sein Blitzschwert und liess den Drachen die Jungfrau ganz samt dem Schwerte verschlingen. Der Drache wurde in zwei Teile erschnitten und verendete, und die Jungfrau kam aus seinem Leibe heraus, als wäre nichts mit ihr geschehen.

Der Königssohn sagt zu ihr:

»Nun, jetzt kannst du nach Hause gehen!«

Da tauchte die Königstochter ihre Hand in das Blut des Drachen und berührte damit den Rücken des Helden, damit sie ihn dann erkennen könne.

Das Mädchen ging zum Vater ins Schloss und der Königssohn in die Hütte zu der Alten.

Das Volk kommt um Wasser zu schöpfen. Der Königssohn kam nach Hause und fragt:[31] »Mütterchen, was ist denn das für eine Finsternis bei Euch?« Die Alte antwortet: »Es giebt hier bei uns einen grossen Adler, der brütet jedes Jahr Junge aus, aber niemals leben sie lange. Ein Drache verschlingt sie immer alle. Und in seinem tiefen Kummer hat uns der Adler des Sonnenlichtes beraubt.«

Der Königssohn bat die Alte um Erlaubnis und geht das Adlernest ansehen. Hier legte er sich unter einen Felsen hin. Da kommt zischend der Drache zu den Jungen geschlichen. Der Königssohn zieht sein Blitzschwert und zerhieb das Ungeheuer in Stücke. Dann gab er den jungen Adlern sein Fleisch zu fressen. Diese pipen und picken das Fleisch auf. Als der Adler das Pipen seiner Jungen hörte, kommt er zu ihnen geflogen, und da er glaubte, dass der Königssohn der Räuber sei, stürzte er sich auf ihn, um ihn zu zerfleischen.

Aber da fingen die Jungen selbst an zu sprechen: »Um Gottes willen, was machst du? Wenn er nicht wäre, hätte uns der Drache aufgefressen, aber er hat dieses Ungeheuer getötet.« Der Adler wandte sich zum Königssohne und sagte: »Du hast mir einen grossen Dienst erwiesen, bitte von mir, was du willst!« Und dieser sagt: »Trage mich hinaus ans Licht der Welt!« – »Du hast mir eine schwere[32] Arbeit aufgegeben, aber was soll ich thuen? Du hast meine Jungen gerettet und ich werde deinen Wunsch erfüllen, verschaffe mir nur vierzig Schläuche Wein und vierzig Fettschwänze.«

Unterdessen war die Königstochter nach Hause gegangen und erzählte dem Vater, wie der unbekannte Held den Drachen getötet und ihr Leben gerettet habe. Der König liess durch Herolde den Töter des Drachen suchen. Er versprach ihm, seine Tochter zur Frau zu geben und alles zu erfüllen, was dieser wünschen würde. Viele kamen zum Könige und sagen: »Ich habe den Drachen getötet, ich habe deine Tochter gerettet.« Aber die Königstochter erkannte in keinem den Helden.

Schon waren alle aus der Stadt ins Schloss gekommen.

Der König fragt: »Ist nicht noch jemand übrig geblieben?«

»Lebe lange Jahre, o Herr!« antworten sie ihm, »es ist noch ein Wanderer in der Hütte der Alten da.«

»Holet ihn!« befiehlt der König.

Sie brachten ihn und die Königstochter sagt: »Das ist derselbe!« und sie zeigt das von ihr selbst auf dem Rücken des Helden zurückgelassene blutige Zeichen.[33]

Der König wendet sich zu ihm: »Nun, wackerer Bursche,« sagt er, »mag meine Tochter, die du gerettet hast, deine Frau werden, du hast es verdient. Aber bitte noch, um was du willst!«

Der Königssohn antwortet: »Lebe lange Jahre, o Herr! Mag deine Tochter glücklich sein mit wem sie will und deine Schätze erhalte Gott dir zum Wohle und zur Freude! Ich will nur vierzig Schläuche Wein und ebensoviel Fettschwänze haben.« Der König liess ihm sofort geben, worum er gebeten. Der Königssohn nahm alles und brachte es dem Adler.

»Nun, jetzt lege mir alles auf die Flügel,« sagt der Adler zum Königssohne, »dann setze dich selbst auf meinen Hals! Wenn ich Bu! schreien werde, gieb mir einen Schlauch Wein und wenn ich Ku! schreie, gieb mir einen Fettschwanz.«

Der Königssohn ging zur Alten, um von ihr Abschied zu nehmen. Er küsste ihr die Hand, empfing ihren Segen und ging fort.

Der Adler nahm ihn auf die Flügel und sie flogen davon. Wenn er Bu! schreit, giebt ihm der Königssohn einen Schlauch Wein, wenn er Ku! schreit, einen Fettschwanz. Und sie flogen empor, hoch, hoch bis ans Licht der[34] Welt. Das letzte Mal schrie der Adler Ku! aber der Königssohn war so erfreut, dass er in der Eile den letzten Fettschwanz fallen liess. »Was soll ich thuen?« dachte er und schnitt sich die Waden aus und gab sie dem Vogel. Dieser erkannte, dass es Menschenfleisch war und steckte es sich unter die Zunge. Endlich kamen sie ins Heimatland. Der Adler setzte den Königssohn auf die Erde nieder und sagt: »Nun, jetzt geh etwas, wir werden sehen!«

»Nein,« sagt jener, »fliege du fort und ich werde schon gehen; meine Füsse thuen mir etwas weh vom Sitzen.«

Der Adler bittet den Königssohn, wenigstens einige Schritte zu thuen; er macht einen Schritt, aber er kann nicht gerade gehen. Da zog der Adler die Waden des Königssohnes unter der Zunge hervor, legte sie an seine Beine, spie darauf, leckte es mit der Zunge ab und sofort waren sie wieder angewachsen. Und er flog fort zu seinen Jungen.

Der Königssohn ging hinkend weiter. Er sieht, ein Hirte hütet eine Herde Schafe; er bat ihn um ein Schafsfell, legte es sich um den Kopf, sodass er aussah wie ein Kahlkopf und ging in die Stadt. Hier erfuhr er, dass seine Brüder ihre Hochzeit feiern, und an demselben Tage sollte seine Braut mit dem Könige[35] selbst getraut werden. Das beklomm dem Königssohne das Herz, aber was konnte er thuen?

Er ging auf den Basar zu einem Vergolder und sagt: »Willst du mich nicht als Gesellen annehmen?«

Der Goldarbeiter schaute ihn an, schaute ihn an und sagt: »Nun gut, komm herein, Kahlkopf!«

An demselben Tage brachten die Leute des Königs einen Ballen Gold und Silber zum Vergolder und sagen: »Mache du auf einem goldenen Brette eine goldene Maus und eine goldene Katze, sodass eine immerfort der anderen nachläuft, und dass niemals die eine die andere einholt.«

Der Vergolder antwortet: »Die Katze mit der Maus werde ich machen, aber ich bürge nicht dafür, dass sie einander nachlaufen werden.«

»Das geht uns nichts an,« sagen die Leute des Königs, »der König hat es so befohlen. Seine junge Braut wünscht es so.« Man sagt, sie habe gesagt: »Wenn du meinen Wunsch nicht erfüllst, will ich dich nicht heiraten.«

Die Leute des Königs gingen fort. Der arme Vergolder weiss vor Kummer nicht, was er machen soll. Die Bestellung kann er nicht[36] ausführen und wenn er sie nicht ausführt, muss er mit seinem Kopfe dafür einstehen.

Da sagt der kahlköpfige Geselle: »Meister, was bist du so in Gedanken versunken?«

Dieser erzählt ihm seinen Kummer.

»Habe keinen Kummer!« sagt der Kahlkopf. »Bringe mir nur Nüsse und ich werde es bis zum Morgen schon machen.«

Der Meister antwortet mit Ärger: »Ach, du Bestie, ich habe Kummer genug und du lachst noch über mich.«

»Keineswegs,« antwortet der Kahlkopf. »Kaufe du mir nur Nüsse und morgen früh fordere von mir, was du brauchst.«

Der Vergolder brachte dem Kahlkopfe Nüsse, aber trotzdem kann er die ganze Nacht nicht schlafen. Wie kann er auch hier schlafen! Fortwährend schleicht er an die Thür des Kahlkopfes und horcht und dieser knackt ruhig die Nüsse auf.

Gegen Morgen nahm der Kahlkopf den Zauberring aus der Tasche, näherte ihn dem Feuer und sagt: »Ich bitte dich und du bitte deinerseits den Herrn, dass eine goldene Maus mit einer goldenen Katze auf einem goldenen Brette, wie ich sie beim Dewen gesehen habe, hier erscheinen möge!«[37]

Sogleich brachten zwei Mohren das Geforderte und gingen wieder fort.

Es kommt der Meister in die Werkstätte und vor Freude fängt ihm das Herz zu hüpfen an. Und der Kahlkopf zeigt ihm die Bestellung. »Hier, Meister, ich habe es schon gemacht, du kannst es nehmen und zum Könige hintragen.«

Dem Meister zittern vor Freude die Beine. Er nahm es und trug es ins Schloss. Der König beschenkte ihn reichlich und lud ihn sogar zur Hochzeit ein.

Der Vergolder kehrte froh nach Hause zurück und am nächsten Tage macht er sich auf, um auf die Hochzeit zu gehen. Der Kahlkopf bittet, ihn mitzunehmen, aber dieser schlägt es ihm ab:

»Du kannst noch den Pferden unter die Füsse geraten und dir den Kopf zerschlagen. Bleibe lieber zu Hause!«

Am Morgen ging der Vergolder auf die Hochzeit, und der Kahlkopf nahm ein Haar vom Rappen, versengte es über dem Feuer und das Ross des ersten Dewen steht vor ihm mit schwarzer Rüstung und schwarzer Kleidung. Der Kahlkopf kleidete sich um, legte die Rüstung an, bestieg den Rappen und, als atme er Feuer, sprengte er[38] auf den Platz hin. Hier tummeln die Veziere und Königssöhne ihre Rosse und ergötzen sich am Waffenspiel. Der Kahlkopf ritt auf den Platz, sprengte hin und her, dann hob er die Veziere und Königssöhne aus dem Sattel, stiess auch seinen Meister an den Ellenbogen und jagte nach Hause. Hier kleidete er sich um und sitzt da, als wäre nichts vorgefallen.

Abends kam der Vergolder nach Hause; der Kahlkopf bittet ihn, er möge ihm erzählen, wie es auf der Hochzeit zugegangen. Dieser erzählt ihm auch alles, was er gesehen: »Ein Reiter, ganz schwarz gekleidet, auf schwarzem Rosse – ein Teufel oder ein Engel – ist wie der Sturmwind oder der Blitz auf den Platz gesprengt und hat alle aus dem Sattel gehoben. Auch mich hat er so gestossen, dass ich vom Pferde gefallen bin und dann ist er verschwunden.«

Der Kahlkopf schüttelt verwundert den Kopf, als wüsste er gar nicht, von wem hier die Rede sei.

Lassen wir die hier und sehen wir zu, was die jüngste Jungfrau macht.

Sobald sie nur die goldene Maus und die goldene Katze auf dem goldenen Brette erblickte, erriet sie sogleich alles und spricht zu sich selbst: »Wie ich sehe, ist mein Bräutigam[39] schon herauf in die helle Welt gekommen.« Und dann sagt sie zum Könige: »Verschaffe mir einen goldenen Iltis mit einem goldenen Hahne, die in einem goldenen Käfige einander nachlaufen. Wenn du mir das nicht verschaffst, heirate ich dich nicht.«

Der Vergolder wird wieder gerufen; mit der Zustimmung des kahlköpfigen Gesellen verspricht er es zu machen. Er kauft ihm Nüsse und der Kahlkopf knackt wie das erste Mal die Nüsse auf und macht in der Nacht vermittelst des Zauberringes das Bestellte, und der Meister trägt es am Morgen zum Könige. Der König belohnte ihn und lud ihn auch zur Hochzeit ein. Der Kahlkopf bittet den Meister, er möge auch ihn auf die Hochzeit nehmen, aber dieser nimmt ihn nicht mit. Da versengte er über dem Feuer das Haar vom roten Rosse und das Ross des zweiten Dewen steht vor ihm mit schönen Waffen und einem Bündel roter Kleider. Er kleidete sich um, legte die Rüstung an, bestieg das rote Ross und, als atme er Feuer, sprengte er auf den Platz hin.

Alle Veziere und Königssöhne hob er aus dem Sattel, mit einem kräftigen Schlage ins Genick warf er seinen Meister vom Pferde und jagte nach Hause. Hier kleidete er sich um und sitzt wie zusammengeschrumpft im Winkel.[40]

Abends kommt der Vergolder nach Hause und erzählt alles, was vorgefallen, und der Kahlkopf schüttelt den Kopf und stellt sich ganz verwundert.

Da verstand schon die schöne Jungfrau, dass ihr Bräutigam gekommen sei, denn könnte denn jemand anders diese Sachen verfertigen?

Am nächsten Tage sagt sie daher zum Könige: »Verschaffe mir einen goldenen Fuchs mit einem goldenen Hunde, die auf einem goldenen Brette einander nachlaufen. Wenn du mir das nicht verschaffst, heirate ich dich nicht«

Die Leute des Königs gingen wieder zum Vergolder und bestellten es. Der Kahlkopf winkte dem Meister und dieser versprach es. Er kaufte ihm Nüsse und dieser knackt eine nach der andern auf; die ganze Nacht knackte er. Am Morgen näherte er den Zauberring dem Feuer und sogleich brachten ihm zwei Mohren einen goldenen Fuchs und einen goldenen Hund auf einem goldenen Präsentierteller. Der Meister nahm es und trug es zum Könige. An diesem Tage fand die glänzende Hochzeit statt.

Als der Kahlkopf allein war, nahm er das Haar vom Schimmel, versengt es über dem Feuer und das Ross des dritten Dewen steht[41] vor ihm mit weisser Rüstung und einem Bündel weisser Kleider. Er kleidete sich um, legte die Rüstung an, nahm sein Blitzschwert, sprang aufs Pferd und sprengt auf den Platz. Bald schwebt er zu den Wolken empor, bald zur Erde nieder und wie er mit seinem Schwerte auf seinen Vater und seine zwei Brüder losschlägt, macht er sie alle auf der Stelle nieder. Dann nahm er seine schöne Jungfrau und heiratete sie.

Die Hochzeit wurde gefeiert und er war nun selbst König. So fand er die Erfüllung seines Wunsches. Mag der Herr auch eure Wünsche erfüllen!

1

Eine Fleischspeise.

Quelle:
Chalatianz, Grikor: Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1887, S. 20-42.
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