XVII
Wie die Ṭiâri eine Mühle bauen wollten.

[132] Eines Tages wollte ein Ṭiâri zur Mühle gehen und trug einen mit Durra, Hirse und ....1 angefüllten Ledersack, damit er sie zu Mehl mahlen lasse. Er begab sich zur Mühle und sagte zum Müller: »Ich möchte haben, dass du für mich mahlest, damit ich schnell weggehen kann.« »Es sind viele da, die mahlen lassen«, erwiderte der Müller. »Steig also heute hinauf nach Hause und komme morgen wieder, dann will ich für dich mahlen.« »Gut«, antwortete der Mann und begab sich hinauf nach Hause. Die Mühle stand an der tiefsten Stelle des Thales, und das Haus des Mannes stand auf der Spitze des Berges an jenem Thale. Auch war der Berg sehr hoch.

Am folgenden Tage kam der Sackmann wieder und sprach zum Müller: »Hast du mein Mehl gemahlen?« »Nein«, antwortete dieser. »Warum hast du es nicht gemahlen?« – »Du warst noch nicht an der Reihe.« – »Was soll nun daraus werden?« rief der Mann, »meine Kinder sind hungrig;[132] was soll ich thun?« »Geh wieder heim und komme morgen«, antwortete der Müller. »Kann ich etwa tagtäglich hinauf- und wieder hinuntersteigen?« erwiderte der Mann, »das geht so nicht.« »Was soll ich machen«, sagte der Müller, »es geht nun einmal nicht.« Der Mann mochte wollen oder nicht, er stieg böse und ärgerlich hinauf nach Hause.

Am folgenden Tage stieg er wieder zur Mühle hinab und sagte zum Müller: »Was hast du nun gemacht? Hast du mein Mehl gemahlen?« – »Kein.« – »Warum nicht?« – »Du warst noch nicht an der Reihe.« Da wurde der Mann wütend und raufte mit dem Müller. Dann nahm er seinen Ledersack und stieg nach Hause hinauf ohne mahlen zu lassen. »Hast du gemahlen?« fragte ihn seine Frau. »Nein«, erwiderte er. »Warum?« – »Ich weiss nicht. Ich wurde ärgerlich und brachte den Sack heim, ohne mahlen zu lassen.«

Gleich darauf verliess er sein Haus und rief alle Leute des Dorfes zusammen. »Kommt«, sagte er, »wir wollen hier auf dem Berge eine Mühle bauen. Wozu sollen wir täglich an den Fuss des Berges hinab- und dann wieder hinaufsteigen?« »Kommt, lasst uns bauen«, sagten sie. Sie beschlossen also, eine Mühle auf dem Berge zu bauen. Sie sammelten nun Steine zum Bau und machten auch alles sonstige bereit. Dann kam aber einer, der verständiger war als sie alle, und sprach: »Was wollt ihr da machen?« »Wir bauen eine Mühle«, sagten sie. »Wo ist das Wasser?« fragte er sie. »Wozu taugt eine Mühle ohne Wasser?« »Ja bei Gott!« riefen sie aus, »wir haben uns verrechnet.« Sie liessen dann ihr Mühlenprojekt fallen, und ein jeder ging nach Hause.

Auch das wurde erzählt von den Dümmlingen (?) der Ṭiâri.

1

Für prge, und khrûrje, giebt die Übersetzung gâris und duḫn. Ich weiss aber nicht, ob diese Wörter zwei verschiedene Arten Hirse, und was für welche, bezeichnen.

Quelle:
Lidzbarski, Mark (Hg.): Geschichten und Lieder aus den neuaramäischen Handschriften. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1896, S. 132-133.
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