Bemerkung B.

[367] Annas Seufzer über den Gegensatz der jetzt herrschenden Theurung und der guten alten Zeit, da das Brod noch billig war und man mit einen Rupee so viel weiter reichte, als jetzt, ist sehr bezeichnend. Die Klage ist allgemein. Sie wird laut in der höheren, sowohl wie in der niederen Beamtenwelt, in den Zusammenkünften der Eingebornen aller Stände und mehr oder weniger in allen Theilen Indiens. Es ist eine Klage, die größere Aufmerksamkeit verlangt, als man ihr bis dahin zugewandt hat. Die Politiker und Finanzkundigen gestehen es gern, daß das in den letzten Jahren stattgefundene Steigen der indischen Preise eine Folge der bedeutenden, langanhaltenden Zuflüsse des köstlichen Metalles ist, und sie betrachten es deshalb als ein Zeichen des Wachsthums und Gedeihen des Landes. Ein englischer Subalternbeamter aber oder ein Eisenbahnmaschinist, der sich am Jahresschluß ärmer findet, als er es daheim gewesen wäre,[367] während er sich doch zu bereichern hoffte, – ist leicht geneigt, seine Enttäuschung der Regierung in die Schuhe zu schieben und sich einzubilden, man habe absichtlich einen faulen Handel mit ihm abgeschlossen.

Die Eingeborenen sind natürlich noch weniger geneigt, die Unannehmlichkeiten der steigenden Preise, die hervorgerufen werden durch das Sinken des köstlichen Metalles, gegen die vielen Vortheile abzuwägen, die eine erhöhte Theurung den Arbeitern und den Kaufleuten bringt, und man hört oft bittere Beschwerden über die Regierung, die das Brod so theuer macht.

Die Bemerkung der Erzählerin, daß die Engländer den Werth einer Rupee auf sechszehn Annas festsetzten, ist ein zweites Beispiel von einem in Indien sehr weit verbreiteten Irrthume. Eine Rupee bestand immer aus sechszehn Annas, denn das Wort Anna bedeutet den sechszehnten Theil irgend eines Dinges. Für die Armen ist natürlich die Menge der kleinen Münze, die sie für das Goldstück erhalten, in welchem ihnen ihr Lohn ausgezahlt wird, von größer Wichtigkeit. Ehemals hing dieselbe von dem Kupferwerth ab, und die Masse des Kupfergeldes, welches man für eine Rupee erhielt, wechselte je nachdem das Kupfer theuer oder billig war und stand dann am höchsten, wenn der Werth desselben am tiefsten sank. Die Engländer führten in ganz Indien einen gleichmäßigen Preis des Kupfer- sowohl wie des Silbergeldes ein, und in Wirklichkeit zog niemand im Laufe der Zeit einen größeren Vortheil von dieser Gleichmäßigkeit, als gerade die Armen. Aber wie das meistens der Fall zu sein pflegt, überlebte die Erinnerung an den gelegentlichen Verdienst, der dadurch entstand, daß man für eine Rupee mehr als gewöhnlich einwechseln konnte, den Gedanken an den viel häufigeren Verlust, der dann eintrat, wenn man weniger dafür löste. Und hat auch das Volk unter den Uebelständen eines ungewissen und[368] unregelmäßigen Geldwerthes gelitten, so begreift es doch schwer die Wohlthat einer derartigen Gleichförmigkeit.

Quelle:
Frere, M[ary]: Märchen aus der indischen Vergangenheit. Hinduistische Erzählungen aus dem Süden von Indien, Jena: Hermann Costenoble, 1874, S. 367-369.
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