40. Prinzessin Sini ma Sidaja

[137] Es war einmal ein König, der hatte eine wunderschöne Tochter, die hieß Sini ma Sidaja. Weil sie gar so schön war, fürchtete der Vater, daß die Freier sich zu früh einstellen möchten; deshalb baute er ihr auf einem hohen Pfahl ein Kämmerlein, in dem sie mit zwei Hofjungfern wohnte. Die beiden hießen: Manuru-lela und Manuru-de.

Nun war da aber ein Si Kuduru-Karanai, der Sohn eines Fürsten, der hatte sich in Sini ma Sidaja verliebt. Und eines Nachts kletterte er an dem Pfahl in die Höhe, um ihr einen Besuch abzustatten. Er nahm nur seinen Kris mit, der in einer goldenen Scheide saß, und den er in seinen Gürtel gesteckt hatte.

Als er oben war, wollte er sie wecken; aber sie dachte, es wäre eine ihrer Hofjungfern, und befahl, sich ruhig zu verhalten. Trotzdem fuhr er fort, sie zum Erwachen zu bringen, dabei glitt ihm der Kris aus der Scheide und drang mit der Spitze in ihre Brust, so daß sie auf der Stelle tot war. Wohl verband er die Wunde mit seinem Gürtel, doch sie kam nicht wieder zu sich – sie war und blieb tot. Da entfloh er.

Am andern Tage wurde durch die weinenden Hofjungfern bekannt, daß Sini ma Sidaja gestorben war. So trug man sie denn aus dem Kämmerlein heraus und begrub sie mit ihrer Kopfbank.

Si Kuduru-Karanai hatte im ersten Schrecken seine Scheide zurückgelassen; nun wurden die Leute damit herumgeschickt, die den Missetäter suchen sollten. Alle Krisse der Stadt wurden [137] hineingepaßt, keiner paßte, bis sie schließlich auch zu ihm kamen. Sein Kris paßte genau in die Scheide. Da wurde er verurteilt, neben der Prinzessin begraben zu werden. Nach dem Begräbnis feierte man das Trauer- und Totenfest. Und am siebenten Tage hörte man im Grabe lachen. Das Grab wurde geöffnet und – sieh' da: Prinzessin Sini ma Sidaja war wieder lebendig geworden, und Si Kurunu-Karanai lebte auch noch. Und als man sie aus dem Grabe herausholte, waren sie beide wieder frisch und munter.

Nun wurden sie Mann und Frau, und es wurde ihnen eine Hochzeit ausgerichtet, die dauerte sieben Tage und sieben Nächte.

Quelle:
Hambruch, Paul: Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde. Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 137-138.
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