12. Wie Eulenspiegel sein Kalb wiederbekam

[230] Einstmals hatte Towo eine Strafe zu verbüßen, da bekam seine Büffelkuh ein Kalb. Und eines guten Tages legte sich das Kalb zwischen die Pferde des Königs, um dort zu schlafen. Da sagte der König zu seinen Leuten: »Paßt auf, daß das Büffelkalb nicht entwischt, jetzt ist es mein Büffel.« Der König wußte jedoch sehr wohl, daß das Büffelkalb von Towo war. Der König wollte hören, was Towo wohl sagen würde, wenn er behauptete, es wäre sein Büffelkalb. Während das Büffelkalb sich also bei den Pferden des Königs aufhielt und die Leute aufpaßten, daß es sich nicht entfernte, begab sich Towo zum König und sagte: »Das Büffelkalb, Herr König, gehört mir, es hat sich nur unter Eure Pferde verloren. Wenn der Herr König es erlaubt, darf das Kalb wohl zu seiner Mutter zurück.« Der König antwortete: »Towo, da irrst du dich. Das ist kein Büffelkalb, das ist eins meiner Füllen.« Ob dieser Antwort war Towo sehr niedergeschlagen.

Am selben Tage wollte der König sich aber auf eine Reise nach einem andern Dorf begeben. Towo erfuhr dies. Deshalb fragte er den König: »Mit Verlaub, Herr König, ich möchte um die Erlaubnis bitten, heute nach Hause gehen zu dürfen.« Der König sagte: »Jawohl.« Als er die Erlaubnis erhalten hatte, ging er die Treppe hinunter, begab sich nach Haus und holte sich ein Wams, um es zu waschen. Er wusch es in einem Bache, an dem der König vorbei mußte, wenn er in das Dorf ging. Während er so beim Waschen war, kam der König. Als er Towo bemerkte, war er einigermaßen verwundert und sagte: »Hast du mich gestern nicht gebeten, nach Hause gehen zu dürfen?« Towo erwiderte: »Ja, Herr König! Aber [230] gestern erhielt ich die Nachricht, daß mein Vater von einem Sohne entbunden wurde.« Der König wunderte sich noch mehr und sprach: »Towo, du bist ein Narr. Ein Mann kann doch nicht entbunden werden? Das ist gar nicht möglich.« Towo erwiderte: »Herr König, Ihr habt wohl recht, aber ebensowenig kann eine Stute ein Kalb bekommen.« Als Towo das gesagt hatte, erwiderte der König: »Du hast recht, nun hol' dir dein Kalb wieder. Ich habe dich nur auf die Probe stellen wollen.« Und so bekam er sein Büffelkalb zurück.

Quelle:
Hambruch, Paul: Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde. Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 230-231.
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