2. Wie der Eulenspiegel eine Maultrommel stahl, und was darnach kam

[217] Eines Tages spielte Towo mit seinen Altersgenossen. Da nahm er einem die Maultrommel fort und lief damit weg. Der Junge, dem das Spielzeug gehörte, weinte und lief zu seinen Eltern. Die fragten ihn: »Warum weinst du?« Der Knabe antwortete: »Towo hat mir meine Maultrommel weggenommen.« Als der Vater dies gehört hatte, wurde er böse; er holte sich einen Knüppel und sagte: »Ich werde dem Towo sofort eine Tracht Prügel verabreichen.« Mit den Worten eilte er nach dem Hause von Londa und Pa'ut. Als er da ankam, bemerkte er, daß Towo tatsächlich auf der Maultrommel spielte. Er wandte sich an Towo und sagte: »So, jetzt werde ich dich umbringen! Warum hast du meinem Jungen die Maultrommel gestohlen?« Ängstlich schaute der Sünder sich in der Runde um und glaubte wirklich sein letztes Stündlein gekommen, da erblickte er den König, der zufällig am Hause vorüberging. Als er ihn sah, bat er ihn um Hilfe und rief: »O, Herr König, sie wollen mich totschlagen.« Der König kam eilends herbei. Inzwischen tat der Vater des Jungen, dem Towo die Maultrommel weggenommen hatte, noch immer so, als ob er ihn umbringen wollte. Wie der König dies bemerkte, sprach er zur Wache, die ihm folgte: »Greift mir den Bösewicht da und führt ihn nach meinem Hause.« Sofort wurde er festgenommen. Dann wandte der König sich an Towo, beruhigte ihn und sagte: »Freundchen, sei still, weine nicht mehr, du sollst mit mir nach meinem Palaste gehen, da will ich dir Fleisch, Reis, Kleider und eine wunderschöne Maultrommel schenken.« Towo war sofort ruhig und folgte dem König. Als sie im Palaste waren, sagte der König zu einer der Prinzessinnen: »Geh' und schau' dich beim Koch nach Essen für diesen Jungen um.« Nachdem er gegessen hatte, schenkte ihm der König schöne Kleider. Und als er die angezogen hatte, sprach der König: »So, nun komm' mit, Freundchen, wir wollen nach dem Hause dort drüben gehen.« [218] Das war das Gerichtshaus. Der Vater des Jungen, dem Towo die Maultrommel weggenommen hatte, war ebenfalls dorthin gebracht worden.

Als Towo mit dem König im Gerichtshause war, fragte der König den Vater von dem bestohlenen Jungen: »Was für Reden sind das, mit denen du Towo bange gemacht hast?« Der antwortete: »Das kommt von der Maultrommel, die er meinem Jungen fortgenommen hat.« Der König entgegnete: »Du bist ja ein ganz übler Bursche, wie wird man denn einen Menschen wegen einer Maultrommel totschlagen wollen? Und obendrein ist Towo noch ein Junge, und du bist erwachsen; soll nicht der Erwachsene einem Kinde zum Vorbild dienen? Du sollst neun Tage in den Block geschlossen werden.« Inzwischen war auch der Vater von Towo, der sein Kind suchte, angekommen. Der König fragte ihn: »Wohin willst du?« Er erwiderte: »Ich suche meinen Jungen.« Der König sprach: »Hier ist er!« Und nun erzählte ihm der König, was sich mit seinem Knaben zugetragen hatte und gab ihm zum Schluß die Ermahnung mit auf den Weg: »Paßt auf Euren Jungen, überlaßt ihn nicht sich selbst, denn der Bengel taugt nicht viel.« Darauf nahm der Vater Towo mit nach Hause.

Quelle:
Hambruch, Paul: Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde. Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 217-219.
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