9. Wie Eulenspiegel sich rächte und dem König ein trauriges Geschick bereitete

[226] Towo hatte sich jedoch nach Hause zu seiner Mutter begeben. Nun dachte er nach und sagte: »Wie soll ich es bloß anfangen: auszugehen, und doch nicht vom Könige bemerkt zu werden? Na, ich werde mal die Mutter fragen, vielleicht weiß sie noch, wie das Wams aussah, das der verstorbene König getragen hat.« So erkundigte er sich bei seiner Mutter und sagte: »Du, Mutter, weißt du noch, was für ein Wams der verstorbene Vater des Königs getragen hat?« Die Mutter antwortete: »Natürlich weiß ich mich darauf zu besinnen, ich habe es ja selber seinerzeit genäht.« Darauf sprach Towo: »Willst du mir bitte auch solch' ein Wams nähen, Mutter?« Die Mutter erwiderte: »Nanu, warum willst du denn solch' ein Wams haben?« Er versetzte: »Mach' es mir, Mutter, später sollst du erfahren, weshalb ich es nötig habe.« Darauf sagte die Mutter: »Gut.«

Sie machte ihm also das Wams. Towo zog es an und ging damit vor dem Palaste des Königs auf und nieder. Während er da umherging, bemerkte ihn der König; der erschrak nicht [226] schlecht; er ließ ihn zu sich rufen und sprach: »Nanu, Towo, wie ist das nur möglich, wie bist du zurückgekommen?« Er antwortete: »Herr König, das kam so: Nachdem ich schätzungsweise zehn Faden tief hinabgesunken war, sah ich einen großen Weg, und als ich darauf weiter ging, erblickte ich eine große, schöne Stadt. Und wie ich nun so durch diese Stadt wandere, sah mich der König und fragte: ›Woher kommst du?‹ Ich antwortete: ›Ich komme von der Oberwelt.‹ D'rauf fragte er mich weiter: ›Sag‹, geht es dem König auf der Oberwelt gut? Ich erwiderte: ›Ja.‹ Dann sagte er wieder zu mir: ›Nun, dann bestelle ihm nur, daß ich hier ein Fest geben will, und ich möchte, daß dazu alle die Würdenträger und Vornehmen des Landes samt ihren Frauen hierher kommen, um das Fest mit zu feiern, denn der König der Oberwelt ist mein Sohn. Und damit niemand dir mißtraut, hast du hier mein Wams, zieh' es an und trag' es zur Schau.‹ Und nun, Herr König, bin ich hier und habe das Wams Eures Vaters angezogen.«

Als der König die Erzählung von Towo vernommen hatte, sprach er: »Gut, dann muß ich mich wohl mit den Würdenträgern und Großen des Landes samt ihren Frauen auf das Fest meines Vaters begeben.« Nachdem alle zusammengerufen waren, machte der König bekannt: »Merkt alle auf! Mein Vater ist wieder unter der Erde König geworden; er will d'rum ein Fest geben, aber er wünscht, daß wir alle daran teilnehmen. Deshalb müssen wir alle, und zwar so viel wie möglich, gehen, damit er nicht enttäuscht ist, wenn wir nicht kommen.«

Als der König dies den Anwesenden mitgeteilt hatte, sprach er weiter zu den Würdenträgern: »Laßt sogleich recht viele Boote fertig machen, in denen wir losfahren können, um uns mitten im Meer ins Wasser fallen zu lassen.« Sie machten sich also fahrtbereit. Und als alles fertig war, sagte der König: »Laßt uns an Bord gehen.« So gingen sie denn alle in die Boote und ließen sich mitten im Meer über Bord fallen. Als sie alle hineingefallen waren, sagte Towo: »So, nun bin ich der [227] rechtmäßige König, denn der König, seine Würdenträger und die Großen des Landes, die hier befehlen konnten, sind alle ertrunken.« So wurde Towo König.

Wer pfiffig ist und listig, bekommt leicht ein Amt.

Quelle:
Hambruch, Paul: Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde. Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 226-228.
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