Der Hastermann in der Mühle.

[157] Unweit der Stadt Moldautein auf dem rechten Ufer der Moldau befindet sich eine Mühle, die schon sehr alt ist. Dieselbe liegt einsam in dem von hohen und bewaldeten Bergen umschlossenen Moldauthale. Von dieser Mühle erzählt sich das Volk folgendes:

Der frühere Besitzer derselben war ein ungerechter hartherziger Mann, der die Mahlgäste auf jede mögliche Art bestahl und daher bei dem Landvolke in einem üblen Rufe stand. Die Leute verfluchten den Müller und wünschten, er möge bestraft werden, daß er das Geld wieder so verliere, wie er dazu gekommen. Bald darauf war das Gerücht allgemein, daß es in der Mühle spuke. Jeder, der nur konnte, vermied die Mühle und fuhr das Getraide lieber um einige Stunden weiter. Sobald es nur zu dämmern anfieng, eilte Alles aus der Mühle in das auf dem Berge liegende Dorf. Der Müller sah dieses als eine Strafe Gottes an und bereute seinen Fehltritt; indessen war es zu spät. So oft er auch die Leute bat, sie möchten ihm sagen, wie er dieses Gespenst losbringen könne, niemand gab ihm Aufschluß. Der Müller beschloß daher die Mühle zu verlassen. Den letzten Tag vor seiner Abreise kam in die Mühle ein Komödiant mit einigen Affen, Papageien und andern Thieren, und bat den Müller, welcher eben im Begriffe war die Mühle zu verlassen, er möge ihn hier übernachten lassen. Ich rathe es euch nicht, Freund, antwortete der Müller, denn es könnte euch das Leben kosten. Ein Gespenst treibt hier[158] in der Nacht wilden Unfug. Keiner konnte es bis jetzt vertreiben, trotzdem daß ich einem solchen die Hälfte meines Reichthums versprach. Der Komödiant erwiederte darauf: Laßt mich nur hier übernachten, ich will das Gespenst schon zum Teufel jagen. Ihr müßt aber euer Versprechen halten.

Gebt mir nur jetzt Licht, dann etwas zu essen und zu trinken. Für das Uebrige werde ich sorgen. Der Müller brachte das Verlangte in das Gesindezimmer (šalanda), wohin sich auch der Komödiant mit seinen Thieren begab, und gieng fort. Um eilf Uhr fielen durch die Decke des Zimmers zwei menschliche Füße auf den Boden. Das Geräusch weckte den bereits Eingeschlafenen. Er blieb nun wach und erwartete, was weiter geschehen werde. Als die Uhr ein Viertel auf zwölf zeigte, fiel eine Hand, um halb die zweite und um drei Viertel der Leib. Um die zwölfte Stunde blieben die Räder stehen, das Wasser rauschte viel stärker und mit großem Geräusche fiel ein Kopf mit langem grünen Haaren herab, und die Theile vereinigten sich zu dem Hastermann, der nun in dem Zimmer einige Zeit herumsprang, dann vor dem Komödianten stehen blieb und ihm drohte. Derselbe ließ sich jedoch nicht schrecken und schickte einen Affen nach dem anderen auf den Hastermann. Jetzt entstand ein blutiger Kampf, der zur Folge hatte, daß der Wassermann ganz mit Blut bedeckt entfloh. In der Früh kam der Müller, und als er vom Komödianten gehört, wie die Geschichte geendet habe, gab er ihm das versprochene Geld, mit dem sich derselbe fort machte. Der Müller zog nun in die Mühle ein und wurde ein ganz anderer Mensch. Eines Abends klopfte jemand an das Fenster und fragte: Hast du noch die Katze? – Der Müller erschrack, da er die Stimmen des Hastermannes[159] erkannte und sagte: Ja ich habe sie noch und 6 Junge dazu, die sie unlängst geworfen hat. Da komme ich nimmermehr in deine Mühle, antwortete der Hastermann und eilte in's Wasser. (Vernaleken, Mythen und Bräuche S. 180.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 157-160.
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