Das graue Männlein.

[184] In einem Dorfe bei Braunau lebte einst vor alten Zeiten ein Maurer, der nie ohne Rausch sein konnte. Einst hatte er sich wieder einen solchen angetrunken und taumelte seinem Heimaths-Dorfe zu. Wie er durch den Wald gieng, fällt es ihm ein, daß in demselben oft wunderbare Feuer brennen, die Gold statt Kohlen haben. »So ein Feuer mit Dukaten statt Kohlen, denkt er bei sich, könnt ich schon brauchen.« Und wie er so denkt, sieht er wirklich über den Holzwiesen ein helles Feuer und wackelt darauf los. Dabei mußte er vor einem großen Birnbaume vorüber. Als er vorbeigieng, hörte er jemanden niesen, denkt aber in der Eile nicht daran, »Helf Gott!« zu sagen. Schnell will er sein Sacktuch herausziehn, um es auf den brennenden Schatz zu werfen, aber er kann es nicht finden. Da zieht er sein Wamms aus und wirft es aufs Feuer, aber es verbrennt mit Knopf und Zwirn und hinter dem Baum hervor lacht jemand und ruft: »Auch das Brusttuch und das Hemd darauf!« Der Maurer flucht; denn es war eine bitterkalte Winternacht; allein er wollte reich werden und so schleudert er denn auch noch Brusttuch und Hemd ins Feuer. Aber Alles verbrennt und das Gelächter hinter dem Baum wird immer[184] ärger. Da wird der Maurer zornig und schreit: »Wart du verdammter Knirps! Ich schlag dir die Haut voll, daß dir das Lachen vergehen soll.« Kaum aber hatte er das gesagt, so huscht ein Männchen hinter dem Baume hervor, packt ihn bei den Haaren, stößt ihn dreimal mit dem Gesicht ins Feuer und spricht: »Hast Weib und Kind zu Haus, sollst nicht in jedem Wirthshaus einkehren.« Der Maurer ist ganz wüthend: »Was geht dich mein Weib und Kind an, gib mir Geld!« »Da hast du Geld!« rief der Zwerg und schlug ihn mit der flachen Hand so stark auf den bloßen Rücken, daß er grün und blau wurde. Dann ließ er ihn laufen. Als aber der Maurer meinte, er sei weit genug entfernt, drehte er sich um und fieng an zu schelten: Du Knirps, du Zwerg, du Lauskerlchen! Wenn ich dich nur wieder einmal erwische, ich will dir die Ohren reiben! Kaum aber hatte er das letzte Wort gesprochen, so hockte ihm das Männchen auf dem Rücken und hetzte ihn durch Busch und Dorn, bis er halb todt ohne Wamms und Weste bei seiner Hütte ankömmt. Seit jener Nacht hat der Maurer nie mehr mit dem grauen Männlein Händel angefangen und alle Feuerlein ruhig brennen lassen. (F. Kahler aus Braunau.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 184-185.
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