V.
Letzte Schlacht und Weltuntergang.

[58] Nach dem Glauben der alten Deutschen war der Untergang der Welt mit einer großen Schlacht zwischen den Göttern und den Dämonen verbunden. Das schreckenvolle Ereigniß selbst aber dachte man sich in weite Ferne gerückt. Die Götterschlacht und der jüngste Tag würden erst hereinbrechen, prophezeihte man, wenn ein Schiff (Naglfar) vollendet wäre, das aus den Nägeln der Todten gebaut wird. Um diese Zeit hinauszuschieben, war es Pflicht, den Todten die Nägel zu beschneiden. Schreckliche Vorzeichen würden den Anbruch des Weltuntergangs verkünden. Insbesondere wird das Land vom Wasser überflutet werden. (Midgardschlange.) Als Nachklänge solcher uralten Kunde von dem Weltuntergange und der letzten großen Schlacht müssen die böhmischen Prophetien gedeutet werden. Es finden sich darunter ganz altertümliche Anklänge, die Ueberflutung der Wasserhöle bei Landskron, das Vertrocknen des Baches (während des Weltbrandes vertrocknen alle Gewässer. Muspilli) und der Stiefel des Feldherrn Schwejda, der sogar auf den Schuh gedeutet werden könnte, den Widar anzieht,[59] wenn er gegen den Wolf kämpft, welcher den Weltenvater Wuotan verschlungen hat. – Unter den Slaven müssen ganz ähnliche Vorstellungen geherrscht haben, wie unter den Deutschen, wie denn derartige Prophetien sehr leicht Gemeingut der Völker werden. Ich gebe hier beispielsweise einige derartige Prophezeihungen aus Ungarn: In den Weinbergen von Tokai steht ein ungeheurer Weinstock, darunter ist eine riesige Maus verborgen; wenn die herauskommt, so bricht das Ende der Welt an. – Auf der Margaretheninsel bei Pesth liegen die Ruinen eines Klosters. Im Keller dieses Klosters ist ein Maulwurf schon seit undenklicher Zeit verschüttet. Er gräbt fortwährend an einem Wege, der ihn ins Freie bringen soll. Wenn ihm dies gelungen sein wird, kommt das Ende der Welt. In den Waizener Gebirgen steht ein Berg, wo man einige versteinerte Mausköpfe sieht. Wenn diese Mäuse lebendig werden, kommt der jüngste Tag. An dem Tage, wo eine weiße Schlange aus dem Blocksberge in Ofen hervorkriechen wird, soll die Welt untergehen. (J. Herzl aus Pesth.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 58-60.
Lizenz:
Kategorien: