[145] 48. Vom Kranich, der dem Fuchs das Fliegen lehrte

Einmal, als der Kranich zum Winter dageblieben war, begegnete ihm der Fuchs und sagte zu ihm: »Nun, Kranich, wie lebst du denn?« Dieser antwortete: »Je nun, wie soll ich denn leben? Viel zu fressen gibt es nicht.« Da sagte der Fuchs: »Willst du mich fliegen lehren, so will ich dich den ganzen Winter durchfüttern.«

Der Kranich war mit diesem Vorschlag zufrieden, und der Fuchs ernährte ihn den Winter über; doch als es Sommer wurde, verlangte der Fuchs den ausbedungenen Lohn.

»Gut«, sagte der Kranich, »setz dich auf meinen Rücken.«

Darauf erhob sich der Kranich mit dem Fuchs in die Lüfte und flog und flog hoch hinauf. Plötzlich ließ er jedoch den Fuchs von seinem Rücken hinabfallen, so daß der Arme auf die Erde[145] stieß und sich ein Bein brach. Dann ließ sich auch der Kranich aus den Lüften nieder und fragte:

»Nun, Fuchs, wie gefällt dir das Fliegen?«

»Ach«, sagte der Fuchs, »hübsch ist es sonst, nur hab' ich mir dabei das Bein gebrochen.«

»Nun, hast du's gebrochen, so mag es gebrochen sein!« meinte der Kranich.

Quelle:
Löwis of Menar, August von: Finnische und estnische Volksmärchen. Jena: Eugen Diederichs, 1922, S. 145-146.
Lizenz:
Kategorien: