25. Von dem Schiff, das zu Wasser und zu Lande fuhr.

Ein reicher und mächtiger König hatte nur eine einzige Tochter. Er ließ ein Gebot ausgehen in alle Länder, [121] worin es hieß, er wolle die Tochter nur dem geben, der ein Schiff machen könnte, welches zu Wasser und zu Lande führe. Das hörten drei Jungen und die sprachen unter einander: »Wart, wir wollen doch einmal sehen, ob wir das nicht fertig kriegen;« der erste von ihnen war aber ein Schreiner, der zweite ein Ebenholzarbeiter und der dritte machte Schuhe, zu denen man kein Leder braucht1. Als sie nun so recht frisch am Werke waren, kam ein alt Weibchen vor des Schreiners Thür gegangen und frug: »Ei, was macht ihr denn da so Künstliches?« – »Da kennst du ja doch nichts von, alte Schlore; geh nur deines Weges und bekümmere dich nicht um mich,« sprach der Schreiner und arbeitete fort; da sprach das alte Weibchen: »Ja ja, ich weiß, daß ihr ein Schiff wollt machen, das zu Wasser und zu Lande fährt, und daß ihr damit des Königs Tochter winnen wollt. Ich rath euch aber, euch weiter keine Mühe zu geben, denn ihr kriegt es doch nicht fertig;« und damit ging sie von dem Schreiner weg und kam zu dem Ebenholzarbeiter, der auch gar frisch und fröhlich drauf zimmerte. »Was macht ihr denn da, Freundchen?« frug sie; doch der Ebenholzarbeiter sprach: »Das geht dich nichts an, schmierige Hexe!« Da sprach das alte Weibchen: »Ja, ja, ich weiß wohl, ihr wollt ein Schiff machen, das zu Wasser und zu Lande fährt und damit des Königs Tochter winnen, aber gebt euch keine Mühe, ihr kriegt's doch nicht fertig,« und damit ging das alte Weibchen weg und zu dem Holzschuhmacher, der auch just an seinem Schiff arbeitete; den frug sie auch: »Freundchen, was machet ihr denn da?« – »Das will ich euch einmal sagen, Mütterchen,« sprach der Holzschuhmacher; »ich mach' ein Schiff, womit man zu [122] Wasser und zu Lande fahren kann; wenn ich das fertig bring, dann gewinne ich des Königs Tochter.« Da sprach das alte Frauchen: »Gut, Freundchen; arbeitet nur hübsch weiter, es wird schon gehen und des Königs Tochter ist dann für euch. Wenn ihr euer Schiff fertig habt, dann will ich es einmal besehen kommen;« und damit ging sie weg und der Holzschuhmacher arbeitete noch einmal so flink und so rüstig und es dauerte nicht lange, da hatte er sein Schiff da stehen fix und fertig. Da kam das Frauchen wieder zu ihm und sprach: »Hab ich's euch nicht gesagt? Das Schiff ist ganz wohl. Nun fahrt weg zum König und nehmt Alle in euer Schiff, die euch unterwegs begegnen. Und daß ihr mir Keinen haußen laßt, hört ihr?« – »Gut,« sprach der Klumpenmacher und er zog mit seinem Schiffe weg zum Könige. Als er schon ein Endchen Wegs im Rücken hatte, fand er einen Mann, der stand neben einem trocknen Weiher und seufzte. »Was thut ihr da?« frug er und der Mann sprach: »Da hab ich nun drei Tage lang an dem Weiher getrunken und nun ist er leer und ich habe noch so großen Durst.« – »Kommt in mein Schiff und fahrt mit, es soll euch nicht gereuen,« sprach der Klumpenmacher, und der Mann trat in das Schiff und fuhr mit.

Als sie wieder ein wenig weiter waren, fanden sie Einen am Wege sitzen, der Knochen aß. »Was macht ihr da, Freundchen?« frug der Holzschuhmacher, und der Mann sprach: »Ich sitz nun schon drei Tage hier und hab all das Vieh gegessen, was hier in der Weide lief, und ich habe noch so großen Hunger.« – »Kommt in mein Schiff und fahrt mit, es wird euch nicht gereuen,« sprach der Klumpenmacher und der Mann stieg ein und fuhr mit.

Ein bischen ferner noch trafen sie auf einen Mann, der hielt mit beiden Händen sein Knie fest. »Was thut [123] ihr da, Freundchen?« frug der Holzschuhmacher und der Mann antwortete: »Ich muß mein Knie festhalten, denn thät ich das nicht, ich wär in Eins – zwei – drei mehr denn zweitausend Stunden von hier.« – »Gut, dann kommt in mein Schiff und fahrt mit, es soll euch nicht gereuen,« sprach der Holzschuhmacher und der trat auch ein und fuhr mit.

Abermals ein Endchen weiter stand Einer am Wege, der zielte mit einer Büchse auf sie. »Was thut ihr da, Freundchen?« frug der Schiffsherr. »Geht aus dem Wege,« sprach der Mann, »denn wenn ich mit meiner Büchse schieße, das gibt einen Knall, den man mehr denn zweitausend Stunden weit hören kann.« – »Kommt in mein Schiff und fahrt mit, es soll euch nicht gereuen,« sprach der Holzschuhmacher und der Mann kletterte auch ein und zog mit.

Noch ein wenig weiter begegnete ihnen Einer, der seinen Mund sorgfältig mit der Hand zuhielt. »Warum thut ihr das, Freund?« – »Weg, weg,« rief der Mann, »denn wenn ich blase, dann müssen alle ersticken, die hinter mir sind.« – »Kommt mit in mein Schiff, es soll euch nicht gereuen,« sprach der Holzschuhmacher und der Mann sprang hinein und sie fuhren weiter und immer weiter, bis sie zum Könige kamen. Da ließ der Holzschuhmacher sich anmelden und sprach: »Seht, Herr König, da steht das Schiff, wie ihr es gewünscht habt.« Der König besah es genau von innen und von außen und er fand auch wol nichts daran auszusetzen, doch wollte er seine Tochter nicht gern einem Holzschuhmacher zur Frau geben, suchte darum Ausflüchte und sprach: »Ja, das Schiff ist gut, ehe ihr aber meine Tochter heirathen könnt, müßt ihr mir einen ganzen Keller voll Wein in Zeit von vierundzwanzig Stunden austrinken.« Da rief der Holzschuhmacher den, der so viel trinken [124] konnte, und frug ihn, in wieviel Zeit er wol einen Keller voll Wein austrinken könnte? »Bah, in einem halben Stündlein,« sprach der und der Andere ging zum König und sprach, der Keller sollte in Zeit von einer halben Stunde leer sein. Da ließ der König all den Wein, der in der Stadt war, in seinen Keller bringen und auslaufen, so daß der Keller so voll stand, daß der Wein aus den Fenstern auf die Straße lief. Der so stark trinken konnte, legte sich mit dem Munde daran und trank immer tiefer hinunter von einer Stufe zur andern, bis er endlich auf dem Boden stand und kein Tröpfchen Wein mehr zu sehen war. Da ging der Holzschuhmacher zum König und sprach: »Der Keller ist leer, nun gebet mir auch eure Tochter.« – »Ja,« sprach der König, »wenn ihr acht Kühe in einem Tage essen könntet, dann gäbe ich sie euch gleich auf der Stelle.« – »Wenn ich noch einen zu mir nehmen darf, der mit ißt, dann ist es gut,« sprach der Andere und das bewilligte der König. Da rief der Holzschuhmacher den, der so viel essen konnte, und der schnabulirte die acht Kühe in Zeit von einer Stunde und ließ weder Haut noch Knochen davon übrig. Nun sprach der Meister wieder, der König sollte ihm jetzt auch die Königstochter zur Frau geben, doch der König suchte wieder einen Ausweg und sagte: »Ich muß meinem Bruder einen Brief senden, der hat große Eil. Wenn du mir nun den Brief binnen vier und zwanzig Stunden hin und Antwort zurückverschaffen könntest, dann gäbe ich dir meine Tochter; du mußt aber wissen, daß mein Bruder zweitausend Stunden weit von hier wohnt.« – »Das thut nichts,« sprach der Meister, »ich will euch schon Antwort bringen,« trug den Brief dem hin, der so schnell laufen konnte, der ließ seine Knie mit einer Hand los und pf, weg war er und wäre schon zurückgewesen, als die vier und [125] zwanzig Stunden noch lange nicht um waren, hätte ihn nicht unterwegs der Schlaf überfallen; nun lag er aber unter einem Baum und schnarchte, daß es eine Art hatte. Als es nun schon mit den vier und zwanzig Stunden zu Ende ging und der Läufer immer noch nicht kommen wollt', da sprach der Holzschuhmacher zu dem, der so hart schießen konnte, er solle nun auch seine Kunst mal zeigen. Der schoß alsbald seine Büchse ab und das gab einen Schlag, als wäre die Welt zusammengefallen; der mit dem Briefe erwachte auch augenblicks und war in zwei Sprüngen mit der Antwort zurück. Da konnte der König nun nichts mehr gegen die Heirath einwenden und die Hochzeit wurde auch mit vieler Pracht gefeiert, aber er war doch heimlich falsch, daß die Königstochter einen gemeinen Holzschuhmacher zum Mann haben sollte, und trachtete darum, diesen auf die Seite zu schaffen.

Gerade zu der Zeit kam ein großer Krieg in's Land und der König mußte gegen seine Feinde zu Felde ziehen. Da schickte er seinen neuen Schwiegersohn voraus, dachte, der würde gewiß gleich todtgeschlagen werden; das ging aber nicht so. Der Tochtermann nahm den gewaltigen Bläser an seine Seite, und als der Feind kam, begann der zu blasen und das ganze Heer erstickte von dem Geruch seines Athems, dann drehte er sich um und blies auch auf des Königs Lager, daß das auch erstickte mitsammt dem König und all seinen Räthen. Da war der Holzschuhmacher ein mächtiger König geworden, hat auch lange und weise regiert, und die fünf wunderlichen Gesellen machte er zu seinen Ministern.

Fußnoten

1 Holzschuhe.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Deutsche Märchen und Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1845, S. 105-106,121-126.
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