33. Von den vier diebischen Studenten.

Es waren einmal vier Studenten, die thaten sich zusammen und gingen auf Reisen. Nachdem sie schon manch ehrlichen Mann einen Possen gespielt hatten, begegneten sie eines Tages einem Bauer, der brachte einen Esel zu Markte und zog ihn hinter sich her an einem langen Leitseil. Da berathschlagten sie unter einander, wie sie dem Bauer den Esel entwenden sollten. Endlich fanden sie's. Einer von ihnen zog sich nämlich splitterfadennackt aus, ging still zu dem Esel, schnitt das Leitseil durch und drehte sich das um den Hals, während die andern mit dem Esel in den Wald liefen. Der Bauer schritt immer zu und zu und der Student schritt ihm nach; endlich wurde es diesem aber zu lange und er seufzte einmal so recht aus Herzensgrunde. Da drehte der Bauer sich erschrocken um; als er den Studenten aber sah und nicht seinen Esel, da schrie er: »Ach Gott und Herr, steh mir bei, mein Esel ist zu einem Menschen [150] geworden!« Der Student sprach: »Ach ja, ich hatte eine große Sünde begangen und darum wurde ich verwünscht, sieben Jahr Esel zu sein; nun ist meine Zeit um.« Da fiel der Bauer vor ihm auf die Knie und bat ihn um Verzeihung, daß er ihm so oft wider Recht und unverdient Schläge gegeben hätte, gab dem Studenten auch noch Geld, um nach Haus kommen zu können. Der bedankte sich bei dem Bauer, lachte in sein Fäustchen und lief bei seine Kameraden. Der Bauer aber ging nach Haus und sprach zu seinem Weib: »Sieh, Mie, unser Esel ist unterwegs zum Menschen geworden, denn seine Zeit war um.« – »Ja,« sprach die Frau, »ich habe dir's ja immer gesagt, es war ein klug Thier, das Menschenverstand hatte und dem nichts fehlte, als die Sprache.«

Am andern Tage ging der Bauer wieder zu Markte, um einen andern Esel zu kaufen. Als er aber auf den Markt kam, siehe, da stand sein Esel und einer von den Studenten dabei, der bot ihn feil. Da schrie der Bauer: »Ach, ihr Leute, kaufet doch den Esel nicht, denn es ist ein verwünschter Mensch. Ich hab's erfahren; er hat wahrscheinlich wieder eine schwere Sünde auf sich, sonst wär er nicht wieder ein Esel.« Da wollte Niemand den Esel kaufen und die Studenten mußten ihn wieder mitnehmen.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Deutsche Märchen und Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1845, S. 140-141,150-151.
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