[336] 15. Von dem Prinzen und der Schwanenjungfrau.

Text (aus Jannina).

Variante 1. (Aus Ziza.) – Der Zug des Briefes, den der König an den Lehrer schreibt, ist aus der Version von Ziza in den Text aufgenommen. Die Erinnerung an Philipps Brief an Aristoteles bei Alexanders Geburt ist schlagend und macht den Zug nicht unverdächtig, doch[336] ist die Fassung rein provinziell »δἐ χαίρομαι ὁπ᾽ ἀπόχτισα παιδὶ, ὅσὀ χαίρομαι ὅπ᾽ γίνικε ᾽ς τ᾽ ς᾽ μέραις σου«. Der Schreiber des Märchens beteuerte, daß er es vollkommen treu nachgeschrieben. Möglich, daß der Zug früher eingeschwärzt worden und haften geblieben sei. In der Version von Ziza fehlt der Zug mit dem Knochen, den der Prinz durch die Wand wirft. Dagegen ist aus ihr der Zug der großen Jagd und des Hirsches, der in Jannina fehlt, in den Text aufgenommen. Nach letzterem reitet der Prinz täglich allein auf die Jagd ohne Begleiter und ohne Hunde. Einst findet er kein Wild; da begegnet er einem Juden, und dieser verspricht ihm, ihn an einen wildreichen Ort zu schaffen, aber dazu brauche er Geld, um eine Büffelhaut zu kaufen; dies gibt ihm der Prinz usw. Als der Prinz den Juden fragt, wie er wieder vom Felsen herunterkommen könne, sagt dieser, daß er oben eine Treppe finden werde, die herunter führe.

Der Zug des Elfenbades ist der Zizaversion nacherzählt. In Jannina kommt eine Elfin nach der andern zum Bade, und erst bei der dritten wagt es der Prinz, vorzuspringen und sich zu zeigen.

Variante 2. (Aus Jannina.) – Der Prinz gibt die Kleider der Elfin nicht der Tante, sondern seiner Mutter zum Aufheben und spricht: »Gib sie ja der Hexe nicht, denn sonst frißt sie uns alle.« Die Elfin hatte sie aber belauscht, und als alles schläft, holt sie sich heimlich die Kleider, und nachdem sie sich angezogen, ruft sie der alten Königin zu: »Eins, zwei, für deinen Sohn bin ich nicht!« und fliegt fort.

Der Prinz macht sich nach seiner Rückkehr aus dem Kriege durch seine Derwischmütze unsichtbar und stiehlt seiner Geliebten alle Bissen vom Teller weg, und daran erkennt sie, daß er gekommen sei und spricht: »Jetzt, wo[337] du mich durch deine Tapferkeit gewonnen hast, kann ich dir nichts mehr anhaben.«

Variante 3. (Aus Çagori.) – Die Elfin widersteht aber auch dann noch und der Prinz stiehlt ihr während des Schlafes die Kleider zum zweiten Male, wodurch sie gezwungen wird, ihn aufzusuchen.

Anmerkungen. – S. Formel des Kleiderraubes Nr. 28.

Der seit langer Zeit in einem unterirdischen Gemache mit Ketten an die Mauer geschmiedete Greis erinnert sowohl an den hellenischen Prometheus als an den Utgardlokius des Saxo Grammatikus (über deren Identität Näheres in den »vergleichenden Blicken« zu finden ist). – Der Held befindet sich also in der Unterwelt. – Ein deutsches Gegenstück zu diesem allen findet sich in dem schläfrigen, dem Helden falsch gesinnten Greis in Wolf, D. Hausm., S. 149. Um zu diesem zu gelangen, ist der Held mit seiner Mutter über ein großes Wasser gefahren und durch einen großen Eichwald (den häufig wiederkehrenden nordischen Höllenwald) gewandert.

In diesem Märchen erscheint der deutsche Knüppel aus dem Sack in Grimm Nr. 36 als Schäferstab wie in dem griechischen Nr. 31 und das Tischchen decke dich als goldene Rute, und beide Stücke gehen wie dort auf gewaltsame Weise in den Besitz des Helden über.

Der Schnapphahn (κουτ ζόπεττος, s. ad Nr. 85), welcher allein die gläserne Stadt weiß, und auf dem der Held dahin reitet, entspricht dem lahmen Habicht in Nr. 25 und dem dort angeführten apollodorischen Geier.

In Wolf, D. Hausm., S. 206 ist der Vogel Greif an dessen Stelle getreten, in dessen deutsche Märchen und Sagen Nr. 1 der Storch, der auch, wie der Schnapphahn, zu spät kommt.[338]

Daß der Schnapphahn das eine Bein des Helden frißt, stempelt ihn zu einem Wesen der Unterwelt, denn nach germanischer Auffassung ist dies Bein ein Totenzoll1.

Ein deutsches Gegenbild in abgeschwächter Form findet sich bei Zingerle Nr. 37. Ein zurückgelassener Zettel der entflohenen Frau bestellt den Helden auf den gläsernen Berg. Dort angelangt, erhält er von seiner Schwiegermutter drei schwere Aufgaben, die, wie im griechischen Märchen Nr. 54, seine Frau für ihn löst.

Das walachische Gegenbild ist Schott Nr. 19.

Der auf das Drängen der Stiefmutter von dem Vater im Walde ausgesetzte Knabe findet in einem Riesen seinen Pflegevater, der ihn anweist, die Kronen der drei badenden Waldjungfrauen zu stehlen und sie, ohne sich umzusehn, heimzubringen. Dies gelingt ihm erst bei der dritten, die ihm einen Knaben gebärt und, als sie von ihm die Krone zum Tanze erhalten, mit den Worten fortfliegt: »Jenseits des feurigen Baches (Phlegethon!) kannst du mich finden.« Er bringt sie mittels eines Wunschmantels zurück, den er drei sich um die väterliche Erbschaft streitenden Teufeln abgenommen, und der die merkwürdige Eigenschaft hat, den Besitzer am nächsten Morgen dahin zu bringen, wohin er sich abends vorher gewünscht hat; derselbe reist also die ganze Nacht über; sollte sein Urkern die Sonne sein?

In Wolfs deutschen Hausmärchen S. 24 schreibt die Prinzessin dem durch sein Verschulden in den Zauberschlaf versunkenen Helden (s. Grimm, die Rabe Nr. 93) auf einen Zettel:
[339]

Wenn du mich willst wiedersehen,

Mußt du ins Königreich Tiefental gehen,


wohin er von zwei menschenfressenden Riesen auf Befehl ihrer mitleidigen Mutter getragen wird. Der Name Tiefental dürfte auf die Unterwelt hindeuten, wie auch der Glasberg und der feurige Bach auf diese oder wohl besser auf die Außenwelt weisen.

Fußnoten

1 Vilcinasaga, Kap. 86 u. Wolf, Deutsche Hausmärchen, S. 46, vergleiche auch Nr. 70, wo die Adler das gefressene Bein jedoch wieder ausspeien.

Quelle:
Hahn, J[ohann] G[eorg] v[on]: Griechische und Albanesische Märchen 1-2. München/Berlin: Georg Müller, 1918, S. 336-340.
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