[360] 23. Herr Lazarus und die Draken.

Aus Negades. – S. Formel Nr. 34. –

Der Eingang dieses Märchens stimmt zu dem des tapfern Schneiderleins Grimm Nr. 20, hier Honig, dort Obstmus, hier erschlägt der Held vierzig, dort sieben Fliegen auf einen Streich, hier läßt er sich die Tat aufs Schwert schreiben, dort stickt er die Tat auf seinen Gürtel.

Im deutschen Märchen folgen dann die Wettkämpfe des Helden mit dem Riesen im Steinzerdrücken und Werfen, deren griechisches Gegenbild wir bereits in der Variante zu Nr. 18 begegnet haben.

Der verfehlte Versuch der Riesen, den Lazarus zu töten, während er bei ihnen übernachtet, findet sich gleichfalls bei Grimm Nr. 20 und in unserem Märchen Nr. 18.

Der Schluß des griechischen Märchens, der dem deutschen fehlt, ist brillant, aber gerade dies spräche wohl gegen sein hohes Alter. – Wir hatten diese Vermutung bereits niedergeschrieben, als wir in Benfeys Pantschatantra I, S. 506 das indische Gegenstück zu diesem Schlusse fanden. Es steht in der Çukusaptati. Eine zänkische Frau stößt mit ihren zwei Kindern im Walde wandernd plötzlich auf einen Tiger und ruft diesen zu: »Früher[360] wollte jeder von euch allein einen Tiger zerreißen und auffressen, teilt euch einstweilen in diesen, später wird sich wohl noch einer finden.« Als der Tiger das hört, hält er sie für den Dämon, der »Tigerfresserin« heißt, und flieht. Darüber lacht ihn ein Schakal aus und der Tiger verlangt, daß er mit ihm zur Frau zurückkehren solle. Der Schakal erwidert: »Wenn dir das lieb ist, so trage mich an deinen Hals gebunden und gehe schnell.« Als die Frau sie ansichtig wird, sagt sie zu dem Schakal: »Du schlechter Schakal, du hast versprochen, mir drei Tiger zuzuführen und bringst jetzt nur einen!« Der Tiger läuft nun mit dem Schakal am Halse zum zweiten Male davon. – Der Schakal kommt aber hier nicht ums Leben, wohl aber in Tutinameh Rosen II, S. 136 der Fuchs, der an des Tigers Bein gebunden war und den die Frau für ihre verwandelte Schwester erklärt.

Beachtenswert ist auch die Ähnlichkeit des Schlusses von Nr. 18, wo, wiewohl in ganz verschiedener Einkleidung, wie in dem Textmärchen der Tod des Fuchses durch etwas an ihn Gebundenes verursacht wird.

Im türkischen Kadiri XIV, S. 67, Rosen II, S. 122, nach Benfey I, S. 507 spielt der Zug zwischen einem Siahgoush, einem Löwen und einem Affen. Ersterer läßt wie hier seine Kinder schreien, sie wollten Löwenfleisch, und sagt zum zweiten Male: Der Affe, sein Freund, habe ihm zugeschworen, durch List den Löwen ihm zuzuführen, worauf dieser den Affen zerreißt.

Nach Benfey I, S. 508 ist im persischen Märchen wie hier die Erzählung vom Schneider und Riesen mit dem vorliegenden Zuge verbunden. Malcolm Sketches of Persia II, S. 89, 90.

Quelle:
Hahn, J[ohann] G[eorg] v[on]: Griechische und Albanesische Märchen 1-2. München/Berlin: Georg Müller, 1918, S. 360-361.
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