[302] 4. Vom eisernen Derwisch und dem Prinzen mit den drei Zwiebäcken.

Text (aus Wilza in Çagori).

Variante 1. (Aus Ziza bei Jannina.) – Es war einmal ein mächtiger König, der besaß neun Reiche, bekam aber keine Kinder und war darüber sehr traurig. Da kam eines Tages ein Bettler zu ihm, und erbot sich, ihm zu Kindern zu verhelfen, und als der König darauf einging, gab er ihm einen Apfel und sprach: »Nimm diesen Apfel, zerschneide ihn in Scheiben, iß sie zusammen mit der Königin, und lege dich mit ihr unter einen Apfelbaum, so wird ihr Leib gesegnet werden.« Der König tat,[302] wie ihn der Bettler angewiesen hatte, und da wurde der Leib der Königin gesegnet.

Um diese Zeit mußte aber der König eine große Reise durch seine neun Reiche machen und in jedem Reiche ein Jahr bleiben, so daß er erst im zehnten Jahre nach Hause zurückkehren konnte.

Unterdessen war die Königin im neunten Monate nach seiner Abreise von einem Knaben entbunden worden, und dieser hatte so rasch zugenommen, daß er mit neun Jahren wie ein Jüngling von zwanzig Jahren aussah.

Als nun der König nach Ablauf der neun Jahre nach Hause zog, ohne zu wissen, daß ihm ein Sohn geboren sei, da kam ein Drakos auf ihn zu und rief: »Du mußt mir entweder dasjenige geben, was ich mir aus deinem Palaste wünsche, oder dich von mir fressen lassen.« Da erwiderte der König ganz erschrocken: »Ich will dir alles geben, was du dir aus meinem Palaste nur wünschen magst.« Der Drakos sprach: »Du hast einen Sohn in deinem Palaste, ohne es zu wissen, und diesen mußt du mir geben.« Als das der König hörte, freute er sich einesteils, daß er einen Sohn habe, und andernteils grämte er sich, daß er ihn dem Drakos geben müsse.

Wie er nun nach Hause kam, da lief ihm sein Sohn entgegen; er küßte und herzte ihn, aber bei all seiner Freude war er doch traurig, weil es ihm nicht aus dem Sinne wollte, daß er seinen Sohn dem Drakos gelobt habe.

Am nächsten Tage begegnete der Knabe, als er zur Schule ging, dem Drakos, und dieser sagte zu ihm: »Lieber Junge, sei so gut und sage zu deinem Vater, daß er mir das geben solle, was er mir gelobt habe.« Der Knabe versprach es auszurichten, vergaß aber darauf. Am andern Morgen kam der Drakos wieder zu ihm, als er zur Schule ging, und fragte ihn, ob er seinem[303] Vater das ausgerichtet habe, was er ihm aufgetragen. Der Knabe erwiderte: »Ich habe es vergessen.« Da sagte der Drakos: »So sage es ihm heute.« Der Knabe versprach es, und vergaß es abermals. Am dritten Tage kam der Drakos wieder zu ihm und der Knabe sagte ihm, daß er es wieder vergessen habe. Da zog der Drakos einen schönen Apfel hervor und gab ihn dem Knaben und sprach: »Da nimm diesen Apfel und stecke ihn in die Tasche, und wenn du ihn herausnimmst, um ihn zu essen, so erinnere dich daran, daß du deinem Vater das ausrichten sollst, was ich dir aufgetragen habe.«

Der Knabe vergaß aber den Apfel und den Auftrag, und erst am Abend, als ihn seine Mutter auszog, fiel der Apfel zu Boden, da erinnerte er sich an seinen Auftrag, und sagte zur Mutter: »So und so hat ein Drakos zu mir gesprochen, und er hat mir diesen Apfel gegeben, damit ich nicht vergessen sollte, es dem Vater auszurichten.«

Da ging die Mutter sogleich zu dem König, und dieser ließ seinen Sohn kommen und fragte ihn selber aus. Als er hörte, was der Drakos zu ihm gesagt hatte, da seufzte er so tief auf, daß davon der ganze Palast erzitterte, und begann nun seinerseits dem Knaben zu erzählen, wie es ihm mit dem Drakos ergangen sei, wie er nichts von der Geburt seines Sohnes gewußt und ihn dem Drakos versprochen habe.

Darauf sagte der Knabe: »Vater, gib mir ein zweischneidiges Schwert und ein Roß, das Feuer schnaubt, denn ich will fort von hier, damit mich nicht der Drakos holt und auffrißt.« Da gab ihm der Vater Schwert und Roß, und ohne Verzug setzte sich der Knabe auf und ritt fort. – Bald kam er in eine Einöde und darin traf er auf eine Lamia; zu der sagte er: »Frau Lamia, sei so[304] gut und verstecke mich, damit mich der Drakos nicht finden und fressen kann.«

Als aber der Drakos erfuhr, daß der Knabe geflohen sei, machte er sich auf, um ihn zu fangen, und verfolgte seine Spur bis in den Hof der Lamia. Wie ihn diese kommen sah, verwandelte sie den Knaben in eine Kehrichtschaufel1, sein Pferd aber in einen Besen, und das Schwert versteckte sie unter das Dach2. Der Drakos rief der Lamia vom Hofe aus zu: »Frau Lamia, Frau Lamia, es riecht mir hier wie Königsblut.« Diese aber sprach darauf: »Was sagst du da für Unsinn, Herr Drakos, wie könnte sich dergleichen bis in mein Haus verlieren?« – Darauf kam der Drakos ins Haus, um nach dem Prinzen zu sehn, und sagte: »Gib mir jenen Dachsparren3, Frau Lamia, um mir damit die Zähne auszustochern.« Sie gab ihm den Sparren, er stocherte sich4 damit die Zähne aus, und ging seiner Wege.

Als der Drakos fort war, verwandelte die Lamia wiederum die Kehrichtschaufel in den Prinzen und den Besen in das Roß und sagte zu ihm: »Ich habe noch zwei andere Schwestern, mein Söhnchen. Nimm also diesen Zwieback und geh zu der nächsten und sage zu ihr: viele Grüße von deiner Schwester, der Lamia, und sie läßt dir sagen, daß du mich verstecken sollest, damit mich der Drakos nicht fresse.«

Da ging der Prinz zu der zweiten Lamia, richtete ihr den Auftrag ihrer Schwester aus, und gab ihr den Zwieback. Bald darauf kam der Drakos auch dorthin, um[305] nach dem Prinzen zu suchen, und als ihn die Lamia kommen sah, verwandelte sie den Prinzen wieder in die Kehrichtschaufel, das Roß in den Besen und versteckte das Schwert unter das Dach. Der Drakos aber rief vom Hofe aus: »Frau Lamia, Frau Lamia, es riecht hier wie Königsblut.« Diese erwiderte: »Ei, Unsinn und kein Ende! Wie sollte sich das bis hierher verloren haben!« Der Drakos kam jedoch ins Haus, um nachzusehen, konnte aber nichts finden. Da bat er die Lamia, sie solle ihm jenen Dachsparren geben, um sich damit die Zähne auszustochern. Die Lamia gab ihm den Sparren. Während des Stocherns sah er sich überall um und dachte nach, wo der Knabe wohl versteckt sein könnte; er konnte es aber nicht herausbekommen, und ging endlich weg.

Darauf schickte die Lamia den Prinzen mit einem Zwieback an die dritte Schwester und ließ ihr sagen, daß sie ihn verstecken solle, damit ihn der Drakos nicht fressen könne. Die nahm ihn ebenso wohl auf, wie die beiden Schwestern, und als sie des Drakos ansichtig wurde, machte sie es ebenso wie jene und verwandelte den Prinzen in die Kehrichtschaufel, das Roß in den Besen und legte das Schwert unter das Dach. Als nun der Drakos herankam, rief er: »Frau Lamia, Frau Lamia, es riecht mir wie Königsblut in deinem Hofe.« Sie aber sagte: »Ei, Unsinn und kein Ende! Wo sollte denn so etwas in meinen Hof kommen!« Er kam nun ins Haus, war aber nicht glücklicher als die anderen Male, und zog daher wieder ab, nachdem er sich eine Zeitlang mit dem Dachsparren die Zähne ausgestochert hatte.

Als er fort war, entzauberte die Lamia den Prinzen und sein Roß, gab ihm zu den Zwiebäcken, die er von ihren Schwestern erhalten hatte, noch einen dritten und sagte: »Nimm auch diesen Zwieback und gehe damit zur[306] Quelle und wirf die drei Zwiebäcke hinein, und sie werden sich in drei Raubtiere verwandeln; wenn du die überall mitnimmst, wohin du gehst, so kann dir nichts geschehen.«

Da dankte der Prinz der Lamia, nahm Abschied von ihr und ging zur Quelle, und als er seine drei Zwiebäcke hineinwarf, wurden daraus drei große Raubtiere. Er nannte das eine Löwe, das andere Tiger und das dritte Schwarzhund5, und kehrte mit ihnen in sein Reich zurück. Seine Eltern fand er dort nicht mehr, denn sie waren unterdessen gestorben, und nachdem er sie eine lange Zeit betrauert hatte, heiratete er eine Frau, die sehr schön war, aber ein heimliches Verhältnis mit jenem Drakos hatte. Sie beriet sich daher mit ihm, wie sie es anfangen sollten, um den Prinzen6 zu töten. Eines Tages versteckte sie den Drakos in den Keller7, und als der Prinz am Abend nach Hause kam, machte sie ihm sein Bett auf die Falltüre, die zum Keller führte. Der Prinz merkte zwar, daß der Drakos unter ihm sei, aber er liebte seine Frau so sehr, daß er nichts sagte, und als ihn diese bat, er solle seine stinkenden Hunde hinausschaffen, so jagte er sie hinaus und schloß die Türe. In der Nacht aber konnte er nicht schlafen, und als er merkte, daß der Drakos die Falltüre öffnen wollte, auf der er lag, rief er seinen Hunden und diese sprengten die Türe, setzten sich an sein Bett und so konnte der Drakos nichts machen.

Am folgenden Tage versteckte die Frau den Drakos[307] in die Truhe und machte das Bett ihres Mannes darauf. Als der Prinz am Abend nach Hause kam, beklagte sich die Frau wieder so lange über den Geruch der Tiere, bis er sie hinausjagte und die Türe schloß. In der Nacht aber merkte er wiederum, daß der Drakos den Deckel der Truhe heben wolle, er rief also seinen Tieren und diese sprengten die Türe, setzten sich an sein Bett und so konnte der Drakos wieder nichts machen.

Am dritten Tage sagte ihm seine Frau: »Du sollst heute deine stinkenden Hunde mit vierzig Ketten an binden und allein auf die Jagd gehn und Wild bringen, das nicht nach deinen Tieren stinkt.« Er tat ihr auch diesen Gefallen, band seine Tiere fest und ging allein auf die Jagd. Als er eine Weile gejagt hatte, da kam der Drakos auf ihn zu und sprach: »Habe ich dich endlich! Nun werde ich dich fressen.« Der Prinz antwortete: »Tue, wie es dir gefällt, laß mich aber vorher noch auf jenen Baum steigen und von dort aus meiner Frau rufen, damit ich sie noch einmal sehen kann, und dann friß mich.« Der Drakos erlaubte ihm das und der Prinz stieg auf den höchsten Baum in der Nachbarschaft. Statt aber seiner Frau zu rufen, rief er dreimal: »Löwe, Tiger und Schwarzhund, nun muß euer Herr sterben.« Als das die Tiere hörten, rissen sie alle Ketten entzwei, mit denen sie gebunden waren, liefen an den Baum, auf dem ihr Herr saß, und sahen hinauf. Er aber rief: »Was seht ihr nach mir? Dort ist der Drakos, auf ihn!« Da packten sie den Drakos und zerrissen ihn in tausend Stücke. Darauf ging er zu einer Quelle und wusch seine Tiere mit Wasser, so daß sie wieder zu Zwiebäcken wurden, steckte sie in die Tasche, ging nach Hause und zerhieb seine Frau in tausend Stücke, die Zwiebäcke aber verwahrte er für den Fall der Not in der Truhe.

[308] Variante 2. (Aus Kato Sudena.) – Eine kinderlose Frau bat den lieben Gott, er möge ihr ein Kind schenken und nach zwölf Jahren möge es der Wolfsmann8 fressen.

Als der Junge zwölf Jahre alt war, ließ der Wolfsmann durch ihn dessen Mutter an ihr Gelübde erinnern. Der Knabe vergaß es und erhielt eine Nuß, um sich des Auftrags zu erinnern, und beim dritten Male eine Ohrfeige und einen Apfel und nun richtete er ihn aus.

Als nun der Knabe von der Mutter hörte, was der Auftrag bedeute, floh er in die Einöde und fand dort eine Lamia, die ihn zu ihrer Schwester schickt. Von dieser wird er zur dritten Lamia geschickt, die zwischen den beiden Pappeln9 wohnt. Diese gab ihm drei Zwiebäcke und eine Kette und brachte ihn mit (auf?) der Kette über einen Fluß und jenseits wurden die drei Zwiebäcke zu Hunden: den einen nannte er Tollpatsch, den zweiten Horchauf und den dritten Jedesmal10. Dort fand er auch ein Mädchen und verheiratete sich mit ihr.

Der Wolfsmann kam zu den drei Lamien und fragte nach dem jungen Manne, aber sie leugneten alle drei, ihn gesehen zu haben; endlich kam er an den Strom und fragte die junge Frau, ob nicht jenseits ein junger Mann sei, und diese bejahte es. Darauf fragte er sie, wie er über den Strom gekommen sei, und sie antwortete: »Auf jenem Holze.« Da setzte sich der Wolfsmann auf das Holz, das schlug aber um und wenig fehlte, so wäre er ertrunken. Darauf sagte er zu ihr: »Du mußt am Abend deinen Mann fragen, wie er es angefangen habe, um über[309] den Strom zu setzen.« Als nun die junge Frau ihren Mann darum fragte, wollte er ihr es anfangs nicht sagen, als sie aber nicht nachließ, sagte er ihr endlich, daß er mit der Kette hinübergekommen sei.

Am andern Morgen warf die Frau dem Wolfsmann die Kette zu und mit dieser kam er über den Strom. Auf sein Anstiften verlangte dann die Frau von ihrem Manne, daß er seine drei Hunde an die Kette legen und ihnen die Ohren mit Wachs verstopfen solle, weil ihr Vater sie besuchen wolle, sich aber vor den Hunden fürchte. Als der Mann das getan hatte, kam des Abends der Wolfsmann und packte ihn. Da sprach jener: »Laß mich nur noch einmal auf jenen Baum steigen und meinem Vater und meiner Mutter zurufen.« Und als das der Wolfsmann erlaubte und er oben war, rief er seinen Hunden, und als die Hunde seine Stimme hörten, zerrissen sie ihre Ketten und fraßen den Wolfsmann auf. Darauf setzte er auf der Kette über den Fluß und seine Hunde wurden wieder zu Zwiebäcken und sagten zu ihm: »Wenn du uns rufst, so sind wir auch schon bei dir.«

Als er nun zu seiner Mutter ging und nicht mehr weit vom Hause war, da begann der Hahn seiner Mutter zu krähen und rief: »Heut ist ein glücklicher Tag, heute abend kommt der Herr.« Darauf sprach die Mutter: »Wenn das wahr ist und mein Sohn heute abend kommt, so will ich dir deinen Schweif versilbern.« Und als er wirklich am Abend kam, so versilberte die Mutter den Schweif des Hahnes.

Anmerkungen. – Das Textmärchen und Variante 2 folgen der Gelobungsformel Nr. 8.

In der ersten Variante ist der Knabe schon geboren, ohne daß es der Vater weiß, und das Gelöbnis wird ihm vom Drakos durch List abgenötigt.[310]

Beachtenswert ist in der zweiten Variante die dritte Lamia, die zwischen den zwei Silberpappeln wohnt und ihm die Kette gibt, mit der er über den Strom setzt.

Wir finden hierin die, nach der Odyssee vor der Unterwelt oder besser Außenwelt stehenden Silberpappeln und erkennen in dem Flusse den Okeanos, über den auch Odysseus fährt, um in die Unterwelt zu gelangen. Die Außenwelt scheint auch in der Insel angedeutet, auf welcher im Textmärchen die Prinzessin mit ihren Mägden wohnt. Diese stellt sich zu den hellenischen Inselgöttinnen Kirke und Kalypso und der auf Island oder Sägardr (dem von der See umflossenen Garten) wohnenden Brunhild, welche sich in der schönen Prinzessin widerspiegelt, die in einem Kristallschloß auf dem schwarzen See wohnt. Wolfs Zeitschr. II, S. 446.

Wir stellen in unserer Vergleichung der hellenischen und germanischen Sagen die Ansicht auf, daß diese Göttinnen als in der Außenwelt wohnende Göttinnen des Sonnenauf- und -untergangs, und daher auch als Todesgöttinnen zu betrachten seien.

Der auf der Insel befindliche ummauerte Apfelsinengarten stellt sich hiernach zu den Hesperidengärten.

Von diesem Standpunkte werden auch die neun Reiche wichtig, die in Variante 1 der Vater des Helden besitzt, in deren jedem er ein Jahr weilen muß, und aus denen er erst im zehnten Jahre wieder nach Hause kommen kann. Sie entsprechen einesteils den neun Welten der Voluspa, und können andererseits auf den astronomischen Jahreskreis der hellenischen Enneateris hinweisen.

Den weissagenden Hahn11 endlich, welchem in Variante 2 sein Sichelschweif versilbert wird, stellen wir zu[311] dem Hahne Widofnir, der in Fiölsvinnsmal 24 ganz von Gold glänzt und 31 eine blinkende Sichel hat.

Der Zug deutet daher, wie so viele ähnliche in dem obigen Werke angeführte, an, daß die Rückkehr des Helden auf den Anfang eines neuen astronomischen Zeitabschnittes fällt.

Die drei aus den Zwiebäcken hervorgehenden Männer des Textmärchens werden in Variante 1 zu drei Raubtieren, in Variante 2 zu drei Hunden, und ent sprechen als solche den drei Hunden Jannis in Nr. 24.

Die drei Hunde, welche den Helden aus der Gewalt eines Riesen befreien, der ihn töten will, indem sie denselben zerreißen, nachdem sie auf den Ruf ihres Herrn die Ketten zersprengt, an die sie gebunden waren, finden sich auch bei Wolf, Deutsche Hausmärchen, S. 14.

Ebenso bei Zingerle Nr. 8, wo sie den Drachen zerreißen, dem die Königstochter ausgesetzt ist.

Bemerkenswert ist, daß sowohl im Griechischen als im Deutschen jedes dieser drei Wesen seinen besonderen Namen hat.

Die Überlistung des Königs bei seinem Gelöbnis an den Drakos, welche Variante 1 einleitet, ist in vielen Märchen vertreten, z.B. Grimm Nr. 181, Schott Nr. 2 und 15.

Eine solche Vorstellung muß bereits bei Atlis Unterredung mit dem Vogel vorausgesetzt werden in der eddischen Helgakvidha Hjorvardhssonar, denn der Vogel sagt: »Doch wähl' ich, was ich will, aus des Königs Wohnung;« und Atli antwortet: »Wenn du (den König) Hiörward nicht kiesest, noch seine Kinder, noch des Fürsten schöne Frauen.« Auch Odin überlistet in ähnlicher Weise seine Schülerin im Bierbrauen, indem er sich das versprechen läßt, was zwischen ihr und dem Fasse ist.[312]

Einen weiteren nordischen Anklang ergeben die drei den Helden vor den Nachforschungen des Drakos versteckenden Lamias an die drei Götter Odin, Hönir und Loki, welche in dem bekannten Faröerliede den Sohn des Bauern vor dem ihn suchenden Riesen verbergen, welcher ihn im Spiele vom Vater gewonnen; ob der Sohn des Bauern Einsatz war, oder die Einsatzformel eine List des Riesen enthielt, läßt sich aus den Worten des Liedes nicht bestimmen, doch ist letzteres wahrscheinlicher, denn es heißt:


Bauer und Riese spielten lang,

Der Bauer verlor, der Riese gewann. – –

Gewonnen ist das Spiel mir schon,

Nun will ich haben deinen Sohn.


Fußnoten

1 φαρισιᾶ, Cycl. φαράσι.


2 ἀσριjάχα, ἀσριάχα?


3 γρέντα.


4 ξετζίτωσε, Cyklad ξευτίλησε.


5 ἀσλάν, καπλάν καὶ μαυροκούταφο κουτάβι ist Wild überhaupt.


6 Er bleibt Königssohn auch nach seines Vaters Tod.


7 κλαφανί.


8 λυκάνϑρωπος.


9 λεύκη, Silberpappel.


10 μπουταλᾶ, ἀκοὴ, ἀνεκαστὴ?


11 Vergl. den Letikos Rückkehr verkündenden Hahn in Nr. 41

Quelle:
Hahn, J[ohann] G[eorg] v[on]: Griechische und Albanesische Märchen 1-2. München/Berlin: Georg Müller, 1918, S. 302-313.
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