[416] 63. Der junge Jäger und die Schöne der Welt.

Aus Tinos. – S. Brautwettformel Nr. 23.

Der Großwesir, welcher vom Jäger den Edelstein verlangt, um ihn dem König zu bringen, klingt an den Truchseß an, der zu gleichem Zwecke von Wieland den Siegstein verlangt, den dieser geholt hatte (Vilcinasaga, Kap. 70); im übrigen entspricht er dem Ferenand ungetrü[416] in dem deutschen Märchen bei Grimm Nr. 126, welches das Gegenstück des unsrigen bildet.

Der Auftrag des Jägers an die vierzig Mädchen, ihn vierzig Tage zu erwarten, und seine Rückkehr am vierzigsten, als sie sich zur Abfahrt rüsten, klingt an Herakles Auftrag an Molorchos an, ihn dreißig Tage zu erwarten und ihm dann, wenn er von der Fahrt nach dem nemeischen Löwen nicht zurückgekehrt sei, als Heros zu opfern, und dessen Rückkehr während der Vorbereitungen zum Opfer (Apollodor II, Kap. 5, § 1).

Der Verjüngung des Königs durch seine Verbindung mit der Schönen der Welt liegt der Gedanke der Kreurgie zugrunde, doch ist dessen Anwendung sehr eigentümlich.

Wuk Nr. 12 ergibt das serbische Gegenbild zu unserem Märchen mit teilweise ursprünglicheren Formen.

Statt des Vogels tötet hier ein goldwolliger Widder den Vater des Helden, der gleichfalls Jäger ist. Mit dessen heimlich vor der Mutter entwendetem Gewehre tötet der Sohn den Widder. Da er dessen Fell dem Kaiser nicht verkaufen will, legt ihm dieser auf den Rat seines Ministers drei Aufgaben auf, in sieben Tagen einen traubentragenden Weinberg anzulegen, ein Schloß aus Elfenbein zu bauen und die und die Prinzessin zu entführen.

Ein unbekanntes Mädchen vollbringt die beiden ersten und weist ihn an, wie er es machen soll, die Prinzessin zu entführen. Als diese auf dem Schiffe ist, um die schönen Waren des vermeintlichen Kaufmanns anzusehen, entführt sie der Held auf diesem. Eigentümlich sind die Züge, wie den Anschlägen der Prinzessin vorgebeugt wird.

Der Kaiser läßt nun dem Rückkehrenden den Kopf abschlagen und die Prinzessin belebt ihn wieder mit dem[417] Lebenswasser. Da wird der König begierig zu erfahren, ob man mehr wisse als früher, wenn man vom Tode aufersteht, und läßt sich den Kopf abschlagen, aber die Prinzessin belebt ihn nicht und macht ihren Entführer zum Kaiser.

Das entsprechende walachische Märchen findet sich bei Schott Nr. 17. – Hier muß der Held für den König, dem er dient, seine eigene Braut (s. ad Nr. 61) holen, die, um sich an ihm zu rächen, gefährliche Aufgaben für ihn vom König verlangt, nämlich die Milch der wilden Stuten zu holen und sich in der siedenden Milch zu baden; sein Zauberpferd bläst die Milch kühl, aber der König verbrüht sich in ihr, und nach seinem Tode erfolgt die Versöhnung.

In der griechischen Erwerbung der Braut durch den Helden als Dienstmann, für den König, dem er dient, ohne daß dies die Braut ahnt, liegt ein Anklang an das Verhältnis Siegfrieds, Brunhilds und Gunars nach der deutschen Sagform.

Quelle:
Hahn, J[ohann] G[eorg] v[on]: Griechische und Albanesische Märchen 1-2. München/Berlin: Georg Müller, 1918, S. 416-418.
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