[486] 75. Das Bärenkind.

Aus Jannina.

Hier zeigt sich die starke Gestalt des griechischen Märchenkreises am reinsten, und bietet mit dem jungen Riesen in Grimm Nr. 90 die bereits zu Nr. 64 angeführten Anklänge.

In der serbischen Form bei Grimm III, S. 339 wird ein Weib, welches im Gebirge Färberröte sammelt, von einem Bären in seine Höhle geschleppt, wo sie von ihm einen Knaben gebiert. Diese Form ist darum sehr beachtenswert, weil sie die starke Figur nur im Verhältnis zu den Menschen als riesenstark zeigt, sobald sie aber mit den Riesen selbst in Berührung tritt, in demselben Lichte wie die Edda den Thor bei Utgardloki darstellt, nur mit dem Unterschiede, daß hier deren körperliche Überlegenheit ernst gemeint ist.

Bei Wolf, D.M.u.S., Nr. 22 heißt die starke Figur Dreizehn, weil sie für dreizehn arbeitet, aber auch für dreizehn ißt1. Derselbe ist anfangs Schmiedegesell und so stark, daß er einen Amboß entzweihauen kann, wird aber von dem Schmiede wie von anderen Dienstherren seines vielen Essens wegen fortgeschickt. Er verfertigt endlich auf Geheiß seines Herrn einen Kessel, der[486] so groß, daß, wenn hundert Mann darin arbeiten, einer den andern nicht hören kann, setzt eine Stadt hinein und will ihn auf einen hohen Berg tragen, strauchelt aber über einen Maulwurfshaufen, fällt und wird von der auf ihn fallenden Stadt totgeschlagen. – Wer mit uns in dem Braukessel der Asen, welchen Thor zur Leinernte von den Riesen holt, das wolkenfreie Himmelsgewölbe des Sommers erblickt, der wird wohl auch in dieser Figur eine Thorform erkennen. Siehe auch den walachischen Bakala ad Nr. 34.

In dem entsprechenden litauischen Märchen bei Schleicher S. 128 wird merkwürdigerweise der starke Held mit dem mächtigen Eisenstabe von dem starken Schmied mit dem großen Hammer getrennt. Im übrigen erscheint hier die starke Figur wie im Deutschen mit der Höllenfahrt und zwei treulosen Gesellen verbunden.

Fußnoten

1 Ein alter Zug, denn schon der eddische Odin verrichtet als Bölwerker einen Sommer durch die Arbeit von neun Knechten.

Quelle:
Hahn, J[ohann] G[eorg] v[on]: Griechische und Albanesische Märchen 1-2. München/Berlin: Georg Müller, 1918, S. 486-487.
Lizenz:
Kategorien: