XV. Lúsahöttur.

[63] Árn. II S. 342–8. Nach dem Manuskripte vom Pastor Sveinbjörn Guðmundsson in Móar.


Ein Königssohn, namens Sigurður, bekommt eine böse Stiefmutter. Um sich für die Nichtachtung, die er ihr immer beweist, an ihm zu rächen, sucht die Königin ihn in ihre Gewalt zu bekommen. Wie der König einmal auf Schatzreisen ist, breitet sie die kostbarsten Kleidungsstücke vor dem Turm des Prinzen zum sonnen aus. Während alle draussen sind, um die Herrlichkeiten zu bestaunen, geht sie zum Königssohn in seinen Turm und bietet ihm zum Zeichen ihrer Freundschaft das schönste Gewand zum Geschenk an. Aber er müsse es gleich einmal anlegen, damit sie sähe, ob es ihm passe. Wie der Prinz ihren Wunsch erfüllt hat, spricht sie über ihn den Fluch aus, dass er ganz grau von Läusen sein soll, mit denen er wie übersät schiene – er solle darum Lúsahöttur (Lausekappe) immer heissen. Nicht eher könne er erlöst werden, bis er drei Nächte im Schlafzimmer mit einer Königstochter geschlafen habe. – – – Sigurður, der gleich verwandelt ist, steckt in einen Sack seine besten Kleider sowie seine drei Kostbarkeiten: einen Goldstuhl, den man so klein machen kann, dass er in die Tasche geht, einen Goldkamm und einen Fingerring aus Leuchtgold. – – Er kommt nun nach langer Wanderung zur Hütte einer alten Frau, bei der er Aufnahme findet. Eine schöne Prinzessin wohnt in der Nähe im Königsschlosse. Sie soll alle möglichen[63] guten Eigenschaften haben, nur kann sie nichts Schönes sehen, ohne dass sogleich in ihr der Wunsch erwacht, es um jeden Preis zu besitzen. – Wie Lúsahöttur eines Tages von der Alten hört, dass die Königstochter mit ihren Dienerinnen in den Wald gegangen sei, setzt er sich in einer Lichtung auf seinen Goldstuhl. Kaum hat die Prinzessin den Stuhl erblickt, als sie ihn auch gleich zu besitzen wünscht. Ihre Dienerinnen, die sie zu dem schmutzigen Kerl schliesslich sendet, kommen zurück mit der Nachricht, dass sie die Kostbarkeit nur bekommen könne, wenn Lúsahöttur eine Nacht in ihrem Schlafzimmer schlafen dürfe. Nach langem Widerstreben wird dies ihm bewilligt. Am anderen Tage bekommt sie den Kamm unter der Bedingung, dass er neben ihrem Bette schlafen darf. Für den Ring aus Leuchtgold will Lúsahöttur jedoch mit ihr im gleichen Bette schlafen, und dazu kann sie sich doch nicht entschliessen. – – – Nun lässt der König alle jungen Leute des Landes zusammenkommen, damit sich die Prinzessin aus ihrer Mitte einen Mann wähle. Lúsahöttur ist auch da mit seinem Lichtring. Er kriecht unter den Hochsitz der Prinzessin und spielt mit dem Ringe, so dass sie auf ihn aufmerksam wird. Nun sagt er ihr, dass er ihre Schande der ganzen Welt offenbaren würde, wenn sie nicht nachher ihn zum Manne wähle. Wie dann am Abend der Augenblick kommt, in dem die Königstochter wählen soll, nennt sie aus Angst vor Entdeckung Lúsahöttur. Der König wird hierüber so wütend, dass er droht, sie am andern Morgen töten zu lassen. Lúsahöttur hat sich mittlerweile zur Kammer der Prinzessin geschlichen, und hier bekommt er für seinen Ring die Erlaubnis, zu ihren Füssen die Nacht schlafen zu dürfen. Wie am anderen Morgen die Königstochter früh erwacht, liegt dort ein schöner Jüngling, das Lausegewand aber ist auf dem Boden. Schnell wird es verbrannt und der Prinz geweckt. Er erzählt nun von seiner Verzauberung. Von der Alten wird sein Sack mit seinen Königskleidern geholt, und festlich tritt er nun als ebenbürtiger Freier vor den König, der nun mit der Wahl seiner Tochter völlig einverstanden ist.[64]

Von der Käuflichkeit einer Prinzessin, durch die in diesem Märchen die Erlösung Lúsahötturs herbeigeführt wird, handeln viele Märchen. Schon bei Bas. (4. Tag 10. Märchen II S. 135 ff.) bekommt ein angeblicher Gärtner für einen Mantel, ein Untergewand und ein Mieder nach und nach Eingang in das Schlafzimmer einer Königstochter. Ähnlich bei Asbj. in »Haaken Borkenskjæg« (45, S. 222 ff.) und in »Det har ingen Nød med den, som alle Kvindfolk er forlibt i« (38, S. 194 ff.) und bei Hahn in dem Märchen »vom klugen Sohne und den drei Karfunkeln« (113, II S. 159 ff.). Im Isländischen findet sich dieses Motiv dann noch in zwei Märchen, in dem Märchen »von dem Bauernsohne, der die Königin heiratet«, und in dem Märchen »von dem gefüllten Wortsacke«. In all' diesen angeführten Fällen erkauft sich jedoch der Jüngling die Gunst der Prinzessin, um dadurch sie zur Heirat zu zwingen, während hier in unserem Märchen Lúsahöttur die Königstochter verführt, weil auf diesem Wege allein seine Erlösung möglich ist.

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 63-65.
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