[205] 31. Von dem Schäfer, der die Königstochter zum Lachen brachte.

[205] Es waren einmal ein König und eine Königin, die hatten eine einzige Tochter, und hatten sie von Herzen lieb. Als die Königstochter funfzehn Jahre alt war, wurde sie plötzlich ganz traurig und schwermüthig und wollte gar nicht mehr lachen. Da ließ der König in seinem ganzen Reich verkündigen, wer seine Tochter zum Lachen bringe, er möge sein wer er wolle, ein Prinz, oder ein Fürst, oder ein Bauer, oder ein Bettler, der solle sie zur Frau bekommen. Aber so viele es auch versuchten, es gelang Keinem.

Nun war auch eine arme Frau, die hatte einen einzigen Sohn. Der war aber faul und wollte kein Handwerk lernen, so daß ihn endlich die Mutter zu einem Bauer that, dem mußte er die Schafe hüten. Da er nun eines Tages die Schafe über Land trieb, kam er auch an einen Brunnen und weil er durstig war, so beugte er sich darüber um zu trinken. Dabei sah er einen schönen Ring auf dem Brunnenrad liegen, und weil er ihm so wohl gefiel, so steckte er ihn an den Ringfinger der rechten Hand. Kaum aber hatte er ihn am Finger, so mußte er fürchterlich anfangen zu niesen, und konnte gar nicht mehr aufhören, bis er ihn zufällig abstreifte. Da horte das Niesen eben so plötzlich wieder auf. »Ei,« dachte er, »wenn der Ring diese Eigenschaft hat, so könnte ich ja wohl mein Glück damit versuchen und sehen, ob das die Königstochter nicht zum Lachen bringt.« Da steckte er den Ring an die linke Hand und siehe da, nun brauchte er nicht zu niesen. Also brachte er dem Bauer seine Schafe wieder, verlangte seinen Abschied und wanderte fort, der Stadt zu, wo der König wohnte. Er mußte aber durch einen finstern Wald, der war so groß, daß es dunkel wurde, ehe er den Ausweg hatte finden können. »Wenn mich hier Räuber finden,« dachte er, »so nehmen sie mir den Ring weg und dann bin ich ein geschlagener Mann. Ich will lieber auf einen Baum klettern und die Nacht dort zubringen.« Also kletterte er auf einen Baum, band sich mit seinem Gürtel fest und[206] schlief auch bald ein. Nicht lange, so kamen dreizehn Räuber und setzten sich unter den Baum, auf dem der Schäfer saß und sprachen so laut, daß er erwachte. »Erzählet, was Jeder von euch heute zu Stande gebracht hat,« sagte der Räuberhauptmann, und ein Jeder zeigte vor, was er genommen hatte. Der dreizehnte aber zog ein Tischtuch, eine Börse und ein Pfeifchen hervor und sprach: »Heute habe ich die größten Schätze erworben, denn diese drei Stücke habe ich einem Mönch abgenommen, und Jedes hat seine besondere Tugend. Wenn man das Tischtuch ausbreitet und spricht: ›Tischtüchlein mein, gib Maccaroni heraus, oder Braten, oder welche Speise man eben will,‹1 so steht gleich Alles da. Wenn man zur Börse spricht: ›Börse mein, gib Geld heraus,‹2 so gibt sie Einem so viel Geld als man nur will. Und wenn man auf dem Pfeifchen anfängt zu blasen, so muß Jeder, der es hört, tanzen, er mag wollen oder nicht.« »Ja,« sagte der Hauptmann, »das sind freilich sehr kostbare Dinge, nun haben wir für unser Lebtag genug.« Da breitete er das Tischtuch aus und sprach: »Tischtüchlein mein, gib Maccaroni heraus, und Braten und Salat und guten Wein,« und augenblicklich stand Alles da.

Als sie nun gegessen und getrunken hatten, legten sich die Räuber hin zum Schlafen und der Hauptmann legte das Tischtuch, die Börse und das Pfeifchen neben sich. Als sie aber recht schnarchten, kletterte der Schäfer von seinem Baum herunter, nahm die drei Stücke und schlich sich davon. Er entkam auch glücklich, denn die Räuber hatten so viel von dem guten Wein getrunken, daß sie fest schliefen und nichts hörten.

Am andern Tag kam der Schäfer in die Stadt wo der König wohnte und ging auf das Schloß, so wie er ging und stand. »Meldet mich bei dem König,« sagte er zu den Dienern, »ich will versuchen, die Königstochter zum Lachen zu bringen.« »Ach geh doch,« antworteten sie, »es hat es schon so mancher versucht, und es ist noch Keinem gelungen, und nun[207] sollte es dir gelingen, einem so schmutzigen Schäfer.« »Warum nicht?« sprach er. »Der König hat verkündigen lassen, es könne sich Jeder dazu melden, ob es auch ein Bauer oder Bettler sei, deßhalb müßt ihr mich auch melden.«

Also führten ihn die Diener vor den König, der sprach: »Wohlan, folge mir zur Königstocher.« Da ging er mit dem König und kam in einen großen Saal, darin saß die Königstochter auf einem schönen Thron, und um sie her der ganze Hofstaat. »Wenn ich die Königstochter zum Lachen bringen soll,« sprach der Schäfer zum König, »so müßt ihr mir zuerst den Gefallen thun und diesen Ring an den Ringfinger der rechten Hand stecken.« Kaum aber hatte der König das gethan, so mußte er fürchterlich niesen, konnte gar nicht mehr aufhören und lief niesend im Saal auf und ab. Der ganze Hof fing an zu lachen und auch die Königstochter konnte nicht ernsthaft bleiben, sondern lief lachend davon.

Da ging der Schäfer auf den König zu und streifte ihm den Ring ab und sprach: »Königliche Majestät, ich habe die Königstochter zum Lachen gebracht, mir gebührt nun auch der Lohn.« »Was, du nichtswürdiger Schäfer,« schrie der König, »erst hast du mich zum Gelächter des ganzen Hofes gemacht und verlangst noch gar meine Tochter zur Frau? Geschwind, nehmt ihm den Ring ab und werfet ihn ins Gefängniß.« Da packten die Diener den armen Schäfer und warfen ihn ins Gefängniß, wo auch viele andere gefangen saßen. Die Gefangenen bekamen jeden Tag nur etwas Brod und einen Schluck Wasser. Der Schäfer aber zog vergnügt sein Tischtuch hervor, wünschte sich ein gutes Mittagessen und theilte auch seinen Gefährten mit. Die Gefängnißwärter gingen hin und sagten es dem König wieder, der kam sogleich mit seinen Dienern ins Gefängniß und ließ dem Schäfer das Tischtuch wegnehmen. »Nun, ich habe ja noch die Börse,« dachte der Schäfer, und am andern Morgen zog er sie hervor, sprach: »Börse mein, gib Geld heraus,« und sogleich gab ihm die Börse soviel Geld als er wollte. Damit bestach er einen Gefängnißwärter, der brachte ihm und seinen Gefährten gute Speisen und guten Wein.[208]

So ging es einige Tage, bis endlich die andern Gefängnißwärter es entdeckten und dem König hinterbrachten. Der kam wieder mit seinen Dienern und nahm dem Schäfer auch die Börse weg. »Nun,« dachte der Schäfer, »wenn wir nicht mehr essen können, so wollen wir doch wenigstens tanzen,« zog sein Pfeifchen hervor und kaum fing er an zu blasen, so fingen die Gefangenen Alle an zu tanzen und die Wärter mit ihnen, und es entstand ein großer Lärm. Als der König das hörte, kam er wieder mit seinen Dienern herbeigelaufen, aber die Diener fingen gleich an zu tanzen und auch der König mußte mittanzen, er mochte wollen oder nicht. »Nehmt dem nichtsnutzigen Menschen das Pfeifchen weg,« schrie er immer unter dem Tanzen, und endlich gelang es einigen Dienern dem Schäfer das Pfeifchen wegzureißen. Da kamen Alle zur Ruhe und der König nahm auch noch das Pfeifchen mit. Nun hatte der Schäfer gar nichts mehr und blieb noch einige Zeit in dem Gefängniß, bis er eines Tages eine alte Feile in einem Winkel fand. Da feilte er in der Nacht einige Eisenstangen am Fenster durch und entkam glücklich.

Er wanderte den ganzen Tag und kam endlich in denselben Wald, durch den er schon einmal gekommen war. Plötzlich sah er einen großen Feigenbaum vor sich stehen, der trug die wunderschönsten Früchte; auf der einen Seite aber trug er schwarze Feigen, auf der andern weiße. »Das habe ich doch nie gesehen,« dachte der Schäfer, »ein Feigenbaum der zugleich schwarze und weiße Früchte trägt, die muß ich doch versuchen!« Da brach er sich einige schöne schwarze Feigen ab und aß sie. Kaum aber hatte er sie gegessen, so fühlte er auf seinem Kopf sich etwas regen und als er mit der Hand hinfuhr, merkte er, daß ihm zwei große Hörner gewachsen waren. »Ach, ich armer Mann,« rief er, »was soll ich nun anfangen?« Weil er aber so hungrig war, so pflückte er sich auch einige von den weißen Feigen, und aß sie, und siehe, in demselben Augenblick war das eine Horn wieder verschwunden, und als er noch einige weiße Feigen aß, verschwand auch das andere. »Nun bin ich ein gemachter Mann,« dachte er, »und nun muß der König mir alle meine Sachen wiedergeben und seine Tochter dazu!«[209]

Also machte er sich auf, ging zu einem Bauer und ließ sich eine andere Kleidung leihen und zwei Körbe, davon füllte er den einen mit schwarzen Feigen und den anderen mit weißen, kleidete sich als Bauer und ging nun in die Stadt. Auf dem Markte begegnete er dem Koche des Königs, der Obst für des Königs Tisch kaufen wollte, dem zeigte er die schönen schwarzen Feigen und sie gefielen ihm so wohl, daß er gleich den ganzen Korb kaufte.

Als nun der König zu Tische saß und der Diener ihm die schönen Feigen vorsetzte, war er sehr erfreut und gab einige seiner Frau und einige seiner Tochter und den Rest aß er selbst. Kaum aber hatten sie die Feigen gegessen, so sahen sie mit Schrecken die großen Hörner, die auf ihren Köpfen gewachsen waren. Die Königin und die Königstochter fingen an zu weinen, der König aber ließ voll Zorn den Koch vor sich kommen und frug ihn, wer ihm die Feigen verkauft habe. »Ein Bauer auf dem Markt,« antwortete der Koch. »So gehe sogleich hin und hole ihn herbei!« schrie der König.

Der Schäfer aber war in der Nähe des königlichen Schlosses geblieben, und als der Koch herauskam ging er ihm gleich entgegen und hielt den Korb mit den weißen Feigen in der Hand. »Was hast du mir heute Morgen für schlechte Feigen verkauft?« schrie ihn der Koch an, »dem König, der Königin und der Königstochter sind große Hörner gewachsen, sobald sie deine Feigen gegessen hatten.« »Beruhigt euch nur,« sprach der Schäfer, »ich habe hier ein Gegenmittel und kann die Hörner sogleich vertreiben. Führt mich nur vor den König!«

Da wurde er vor den König geführt, der fuhr ihn auch an, was er für schlechte Feigen verkauft habe. »Beruhigt euch, königliche Majestät,« sprach der Schäfer »und esset diese Feige.« Damit reichte er ihm eine weiße Feige und als der König die gegessen hatte, verschwand das eine Horn. »So,« sprach der Schäfer, »ehe ich euch aber noch mehr von meinen Feigen gebe, müßt ihr mir mein Pfeifchen wieder geben, sonst könnt ihr euer zweites Horn behalten.« Da gab ihm der König in seiner Herzensangst das Pfeifchen, und nun reichte der Schäfer der Königin eine[210] Feige. Als nun auch das eine Horn von der Königin verschwunden war, sprach er: »Jetzt gebt mir meine Börse heraus, sonst nehme ich meine Feigen wieder mit!« Da gab ihm der König die Börse und darauf vertrieb der Schäfer auch der Königstochter das eine Horn. Dann verlangte er sein Tischtuch und als ihm der König das gegeben hatte, reichte er ihm noch eine Feige, also daß das zweite Horn des Königs verschwand. »Gebt mir jetzt auch meinen Ring,« sprach er nun, und der König mußte ihm auch den Ring geben, ehe er der Königin das zweite Horn vertrieb. Nun hatte noch die Königstochter ein Horn und der Schäfer sagte: »Erfüllet jetzt euer Versprechen, und lasset mich mit der Königstochter trauen, sonst kann sie ihr Lebenlang das Horn behalten.« Da mußte die Königstochter sich mit ihm trauen lassen, und nach der Trauung gab er ihr noch eine Feige zu essen, daß ihr das letzte Horn auch noch verschwand. Da feierten sie eine vergnügte Hochzeit, und als der alte König starb, wurde der Schäfer König. Und so blieben sie zufrieden und glücklich und wir wie ein Bündel Wurzeln.3

1

Tuvagghie dda mia, nesci sia maccaruni, o stuffatu o zoccu si voli.

2

Virzottu miu, nesci danari.

3

Iddi restaro contenti e felici e noi restammo come un mazzo di radici.

Quelle:
Gonzenbach, Laura: Sicilianische Märchen. Leipzig: Engelmann 1870, S. CCV205-CCXI211.
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