XXXII. Patto-Poadnje rächt sich an Stalo.

[136] (Aus dem schwedischen Lappmarken.)


Es war einmal ein alter Lappe, der Patto-Poadnje hieß und mehrere Kinder hatte. Nun geschah es, daß von den Kindern des Lappen eines nach dem andern verschwand, ohne daß der arme Lappe sich denken konnte, wohin sie kamen. Endlich aber kam er der Sache doch auf den Grund. In der Nähe wohnte nämlich ein Stalo, der bei einer Quelle, wo die Kinder zu spielen und sich zu unterhalten pflegten, eine Falle aufgestellt hatte. Diese Fallen waren so eingerichtet, daß die Kinder, welche sich in dieselben verwickelten, in die Quelle hinein rollten und ertranken. Von hier schaffte sie dann Stalo heimlich nach Hause und verzehrte sie.

Patto-Poadnje beschloß nun, an Stalo wegen dieses grausamen Gebahrens Rache zu nehmen. Zu diesem Zwecke zog er einen alten abgetragenen Pelz an und stellte sich, als sei er in Stalo's Schlingen hängen geblieben. Als nun Stalo kam, um nachzusehen, ob er etwas gefangen habe, und den alten Patto-Poadnje erblickte, der bis an den Kopf in der Quelle lag, schmunzelte er vergnügt und sagte:

»Ha, ha, ha, de ets påres Patto pättatalai! – Ha, ha, ha, nun ist mir gar der alte Esel selbst in die Falle gegangen!«[137]

Stalo zog den Alten aus der Quelle, nahm ihn auf die Schultern, trug ihn heim und hängte ihn im »reppen raige« d.i. dem Rauchloch über dem Feuer auf, damit er aufthaue. Unterdessen arbeitete Stalo an einem großen Trog, den er vor der Thür der Hütte stehen hatte, und worein er das Fleisch des Alten zu legen gedachte. Stalo's drei Söhne standen ebenfalls vor der Thür und sahen dem Vater bei der Arbeit zu. Der Trog war bald soweit fertig, daß er nur mehr mit dem Trogbeil (einem eigenen Eisen, das wie eine Hacke aussieht) ein wenig abgeputzt zu werden brauchte. Dieses Werkzeug befand sich aber in der Hütte drinnen. Deshalb sagte Stalo zu seinem ältesten Sohne:

»Ah, geh hinein und hole mir das Trogbeil!«

Der Bursch ging und suchte das Beil, konnte es aber nicht finden, da der Alte, der im Rauchloch hing, dasselbe zu sich genommen hatte.

Da sagte Stalo zu seinem nächstältesten Sohne:

»Geh du um das Beil, vielleicht kannst du es finden!«

Auch er ging und suchte, fand aber nichts. Endlich sagte Stalo zu seinem jüngsten Sohne, der noch ein kleiner Knabe war:

»Geh du hinein und suche, du findest es ganz sicher!«

Der Knabe ging hinein und suchte. Aber auch er fand das Beil nicht, – doch konnte er sich nicht enthalten, nach dem Alten zu sehen, der im Rauchloch hing, und da er bemerkte, daß der Alte mit dem einem Auge blinzelte, lief er eiligst wieder hinaus und rief:

»Påres Patto tjalmeh gal jilladek! – Die Augen des alten Patto rollen!«

Stalo antwortete: »Suddomen le de! – Na, so beginnt er aufzuthauen!«

Nun mußte Stalo selbst hineingehen, um das Beil zu suchen; inzwischen aber hatte der Alte sich vom Rauchloche herabgelassen und stand mit der Axt in der Hand hinter der Thür. Sowie Stalo den Kopf zur Thür hinein steckte, bekam er einen[138] Hieb in's Genick, daß er niederstürzte und liegen blieb. Da ergriffen die Söhne Stalo's die Flucht.

Während all dies vorging, war Stalo's Weib nicht zu Hause gewesen. Der alte Patto wollte auch an ihr Rache nehmen. Er zog Stalo's Kleider an und zerstückelte den Körper Stalo's. Hierauf machte er Feuer an, setzte den Topf an dasselbe und kochte einen Theil von dem Fleische des Stalo, um damit die Alte zu tractiren, wenn sie nach Hause kam.

Des Abends kam denn auch Stallo' Weib, und da sie ziemlich dumm und dabei sehr kurzsichtig ist, braucht man sich nicht zu verwundern, daß sie meinte, Stalo selbst sei es, der bei dem Topfe stehe.

Als es Nachtmahlzeit wurde, schöpfte Patto das Fleisch aus dem Topfe und gab der Alten ihren Theil, während er ihr mittheilte, daß sie nun endlich einen fetten Bissen erhalten habe, nämlich keinen anderen als den alten Patto-Poadnje selbst. Die Alte aß ein Stück, prüfte den Geschmack und sagte dann:

»Kåktes tat males njadda tego tattak etja? – Woher kommt es, daß das Fleisch schmeckt, als ob es von dir selbst wäre?«

Der Alte entgegnete:

»Vaipa mon tjet-tjeram tjakkaliv. the jå taste! – Ich schnitt mich in den kleinen Finger, daher kommt es!«

Da das Weib durch diese Erklärung beruhigt war, ließ er es sich an dem Stalofleische satt essen. Hierauf begann er sie auszufragen:

»Gonnes mun rutta le? – Wo hab' ich denn mein Geld aufbewahrt?«

»Weißt du es nicht mehr?« antwortete das Weib, ein wenig verwundert. »Boasso balje duogen! – Unter dem Boasso-Sparren«.1[139]

»Wo liegt das Geld meines ältesten Sohnes?« fragte er wieder.

»Unter dem mittleren Sparren!«

»Wo ist das Geld des zweitältesten Sohnes?«

»Unter dem Thürsparren!«

»Wo ist das Geld meines jüngsten Sohnes?«

»Unter dem Hauklotz im Boasso!«

»Wo ist dein Geld!«

»Unter der Thürschwelle!«

Nun erhob sich Patto-Poadnje und zeigte ihr, wer er war. Das alte Stalo-Weib suchte rasch nach ihrem Eisenrohr, welches Patto-Poadnje in's Feuer gesteckt hatte.

»Dort liegt es im Feuer!« sagte Patto-Poadnje.

Das Stalo-Weib ergriff dasselbe und setzte es an den Mund; sie verschluckte aber nur Glut und Asche, verbrannte sich so die Eingeweide und lag bald todt auf dem Boden.

1

Boasso heißt der innerste oder hinterste Theil der lappländischen Hütte gegenüber der Thür, wohin man die Gefäße und Speisen gibt, dann der Ehrenplatz, Hochsitz daselbst.

Quelle:
Poestion, J. C.: Lappländische Märchen, Volkssagen, Räthsel und Sprichwörter. Wien: Verlag von Carl Gerolds Sohn, 1886, S. 136-140.
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