XXXVIII. Die Stalo-Braut.

[160] (Aus Ibestad).


Es war einmal ein Stalo, der um ein Lappenmädchen freite. Der Vater des Mädchens wagte für's Erste nichts anderes zu thun, als zu versprechen, daß Stalo dasselbe erhalten solle, und ihm außerdem für die Ehre zu danken, die ihm erwiesen würde. Bei sich selbst aber dachte er sich, daß daraus wohl nichts werden dürfe. »Kommt Zeit, kommt Rath!« meinte er. Vor der Hand waren sie einig geworden über einen bestimmten Tag, an dem Stalo kommen und die Braut holen sollte. Der Tag kam und Stallo kam ebenfalls. Inzwischen hatte der Lappe einen Holzstock zurechtgemacht und demselben die Kleider der Tochter angelegt. Einen ganz neuen Rock hatte er genommen, eine neue Haube, einen Silbergürtel um den Leib, neue Schuhe (Komagar) und neue Schuhbänder. Als Alles in Ordnung war, lehnte er die Puppe in sitzender Stellung in einen Winkel des Zeltes, den Kopf mit einem dichten Schleier (bäitalidne) bedeckt, wie eine lappische Braut ihn zu tragen pflegt.

Als der Stalo erschien und sah, daß die Braut im Winkel saß und ihre besten Kleider trug, war er darüber sehr erfreut und ging bald wieder mit seinem Schwiegervater hinaus, um die Renthiere in Empfang zu nehmen, die er als Mitgift erhalten sollte.[161]

Inzwischen hielt die Tochter sich mit einer Anzahl angespannter Renthiere hinter einer Anhöhe dicht beim Zelte verborgen. Als nun Stalo seine Renthiere erhalten hatte und damit beschäftigt war, eines davon für das Nachtmahl zu schlachten, schlich der Lappe sich zu seiner Tochter hin und fort gings in rasender Geschwindigkeit über die Berge.

Als Stalo das Renthier geschlachtet hatte, ging er wieder zu seiner »Nanna« oder Braut hinein und sagte zu ihr:

»Nun, mein liebes Bräutchen, setze doch jetzt den Topf an's Feuer!«

Nanna rührte sich nicht.

»Ah, Nanna ist noch geschämig!« dachte sich Stalo, »ich muß es schon selbst thun!«

Als es im Topfe schon eine Weile gekocht hatte, sagte er wieder:

»Na, Nanna, du mußt nun die Markknochen spalten!«

Nanna rührte sich nicht.

»Nanna ist noch geschämig, ich muß es selbst thun!« sagte Stalo.

Als das Fleisch fertig gekocht war, sagte er abermals:

»Komm nun, Nanna, und richte das Fleisch an!«

Aber Nanna war noch immer geschämig und rührte sich nicht.

»Muß es dann schon selbst thun!« dachte sich Stalo.

Als er das Fleisch angerichtet hatte, lud er Nanna ein, mit ihm zu speisen; Nanna war aber noch immer geschämig. So speiste er denn allein. Als er gegessen hatte, bat er die Braut, sie möchte das Bett machen.

»Na, wenn du schon gar so geschämig bist, Nanna, so will ich auch das noch selber thun! ... Also Nanna, komm nun und leg dich zu mir!«

Nein, wie geschämig sie war!

»Dann muß ich dich schon selbst holen!« dachte Stalo und ging hin zur Braut; aber was fand er?[162]

Als er nach seiner Nanna griff, entdeckte er, daß es ein Holzstock war. Hierüber wurde er so erbost und wüthend, daß er im bloßen Hemde aus dem Zelte lief und dem Lappen über Hügel und Felsen nachsetzte. Aber das war nun schon zu spät. Ein abscheuliches Wetter trat auch noch ein mit Schneegestöber und grimmiger Kälte und bald begann Stalo so jämmerlich zu frieren wie ein Hund. Endlich erschien der Mond auf dem Horizonte. Als Stalo ihn erblickte, glaubte er, daß der Lappe Feuer gemacht hätte, und eilte wieder weiter, so schnell er konnte. Allein, bevor er das vermeintliche Feuer erreichte und sich daran erwärmen konnte, ermüdete er und war nicht mehr im Stande, weiter zu gehen. Er stieg auf den Wipfel einer Fichte und erfror hier. Dies war sein Ende.

Quelle:
Poestion, J. C.: Lappländische Märchen, Volkssagen, Räthsel und Sprichwörter. Wien: Verlag von Carl Gerolds Sohn, 1886, S. 160-163.
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