XLI. Zwei Lappenmädchen vermählen sich mit Stalo's.

[170] (Aus dem schwedischen Lappland.)


Zwei Lappenmädchen hatten sich mit zwei Brüdern aus dem Stalogeschlechte vermählt. Die eine dieser Stalofrauen hatte ein Kind bekommen, die andere nicht. Nach Verlauf einiger Jahre bekamen die beiden Stalo-Brüder Lust, ihre Frauen aufzufressen. Der eine der Brüder sagte deshalb eines Tages zu dem anderen:

»Kåsses ton, vieljam, tun stainak-ronoha? – Wann gedenkst du, Bruder, deine unfruchtbare Renthierkuh zu essen!«

Der andere Bruder antwortete:

»De mon, dego ton miesse-altoha! – Sobald du deine Renthierkuh sammt Kalb aufissest, werde auch ich meine unfruchtbare Kuh essen!«

Diese verblümte Rede scheinen die Frauen indessen doch verstanden zu haben. Wenigstens flüchtete sich die kinderlose und wollte auch, daß die andere das Gleiche thue, diese aber antwortete, daß sie es nicht über's Herz bringen könnte, ihr Kind zu verlassen.

Nun machte sich der Stalo, dessen Weib entflohen war, auf den Weg, um dieselbe zu verfolgen. Er nahm seinen Hund mit sich, damit er ihre Spur ausfindig mache. Als nun die Frau bemerkte, daß Stalo, ihr lieber Mann, sie bald erreichen würde,[171] kletterte sie auf einen großen Baum. Allein der Hund, der ihrer Spur nachlief, blieb unter dem Baume stehen und bellte auf sie wie auf ein Eichhörnchen. Es war daher für Stalo nicht schwer, sie zu entdecken. Er hetzte den Hund auf sie und sagte:

»Hoc, hoc, pænnam, buoide bitte balkkan! Huß, huß! Hund, du sollst dafür einen Fettklumpen als Belohnung erhalten.«

Stalo nahm nun seine Axt und begann den Baum zu fällen. In dieser Noth rief das Lappenweib:

»Påtet pædnagatjak, kæita i le attje, edne pakka liema tjuokkat vaddam! Kommt, kleine Hunde, denen Vater und Mutter niemals eine warme Suppe gegeben haben!«

Da kamen Bären, Wölfe, Luchse, Füchse und alle Arten von Thieren aus dem Walde und zerrissen Stalo und seinen Hund.

Es war also etwas Zauberei, was damals das Lappenweib vor den Zähnen Stalo's befreite.

Quelle:
Poestion, J. C.: Lappländische Märchen, Volkssagen, Räthsel und Sprichwörter. Wien: Verlag von Carl Gerolds Sohn, 1886, S. 170-172.
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