XI. »Rauga« oder das Gespenst.

[59] (Aus Nässeby.)


Es war einmal ein Mann, der sein Boot nie vor einem Gespenste in Ruhe haben konnte. Was er auch that, er mochte das Boot am Strande liegen lassen oder in den Bootsschuppen setzen, immer war da in der Nacht Jemand, der sich mit den Rudern, Ruderbänken und Brettern zu schaffen machte und allerlei Schaden anrichtete.

»Was in aller Welt soll ich thun, daß man mein Boot in Ruhe lasse?« fragte er sich selbst.

Er beschloß endlich, sich auf die Lauer zu legen. Eines Tages ging er zu dem Boote hinab und gab allerlei schmutzige Dinge auf die Ruderbänke. Hierauf verbarg er sich unter dem Vordersteven und erwartete, was da kommen sollte.

Als er eine kurze Weile hier gesessen, vernahm er, wie Etwas mit schweren Tritten zum Strande hinabkam, gerade so, als wäre er's selbst, wenn er in seinen großen Fischerstiefeln einherging. Das war das Gespenst. Dasselbe stieg in das Boot, setzte sich auf die hintere Ruderbank und wollte den Steuermann spielen.

»Pfui, pfui!« rief das Gespenst plötzlich, »hier ist es schmutzig, hier kann man nicht sitzen!«

Nun setzte das Gespenst sich auf die mittlere Bank, nahm die Ruder und begann zu rudern; als es aber eine kurze Weile gerudert hatte, rief es wieder aus:[60]

»Pfui, pfui, hier ist es ebenfalls schmutzig!«

Hierauf begab das Gespenst sich in den Vordersteven, setzte sich auf die vorderste Ruderbank und wollte den Vordermann spielen. Aber auch hier war es schlimm.

»Pfui, pfui,« rief das Gespenst wieder, »auch hier ist es schmutzig!«

»Es ist rein genug für mich!« sagte in demselben Augenblicke der Mann, erhob sich und versetzte dem Gespenste mit dem Fischhaken einen solchen Schlag mitten zwischen beide Schultern, daß es wie ein leeres Pelzwams über den Hintersteven flog und in die See hinein fiel.

Am nächsten Morgen ging der Mann zum Strande hinab um zu sehen, ob sich irgend etwas von dem Gespenst vorfände; er fand jedoch nichts Anderes als ein kleines Bein von einem einzelnen Gliede eines menschlichen Fingers. Das Gespenst hatte seinen Rest bekommen und seit dieser Zeit hörte und sah man nichts mehr von demselben.

Quelle:
Poestion, J. C.: Lappländische Märchen, Volkssagen, Räthsel und Sprichwörter. Wien: Verlag von Carl Gerolds Sohn, 1886, S. 59-61.
Lizenz:
Kategorien: