XIII. Der Saivo-Fisch.

[64] (Aus dem schwedischen Lappmarken.)


Zwei Lappen zogen einmal aus nach einigen Gebirgsseen, um mit einem großen Netze zu fischen. Der Eine war alt und glaubte an die Existenz der Unterirdischen oder des Saivo-Volkes sowie an deren wunderbare Macht, den Fisch im Saivo-Wasser wegzuzaubern; der Andere war jung und glaubte an Nichts, sondern machte sich über den heidnischen Aberglauben des Alten lustig.

Es geschah nun, daß der Fischfang in den profanen Wässern, welche kein Saivo-Wasser waren, für Beide sehr mager ausfiel. Der Alte äußerte, daß ihm wohl ein Wasser bekannt sei, wo es sicherlich noch von Fischen wimmle, meinte aber zugleich, daß es sich nicht der Mühe lohnen werde, dahin zu gehen, da der Kamerad wahrscheinlich nicht das Maul halten könnte.

»Ah,« meinte dieser, »wenn es nur darauf ankommt, so will ich mich gerne so ruhig verhalten, daß man auch nicht einen Laut von mir hört!«

Der Alte ließ sich überreden und so ging's denn weiter zu dem Saivo-Wasser. Das Netz wurde ausgeworfen. Sie begannen zu ziehen und noch bevor das Netz an's Land kam, war deutlich wahrzunehmen, daß sich eine Menge Fische darin befanden. Als dasselbe dem Lande bereits ganz nahe war,[65] brach der Andere absichtlich das Versprechen zu schweigen und sprach ein Wort. Wips waren die Fische aus dem Netze verschwunden und als sie dasselbe an's Land gezogen hatten, war auch nicht ein Schwänzchen darin.

»Nun ja,« sagte der Alte aufgebracht, »ich hab' es ja gewußt, daß du nicht das Maul halten kannst!« und er wollte sogleich wieder fort. Aber der Andere, der noch einen Versuch machen wollte, ob an dem Aberglauben des Alten etwas Wahres sei, überredete ihn, noch einmal das Netz auszuwerfen und versprach unbedingtes Schweigen.

Er hielt diesmal sein Versprechen, bis sie das volle Netz schon zu heben begannen; er glaubte, es sei nunmehr ganz unmöglich, daß die Fische, die im Netze waren, entkommen könnten und ließ deshalb wieder ein Wort fallen. Aber der Alte sollte Recht haben. Das Netz kam leer an's Land.

Der Alte meinte nun, es sei ganz vergeblich, noch länger im Saivo-Wasser zu fischen mit einem Kameraden, der das Schwatzen unmöglich lassen konnte. Gleichwohl ließ er sich durch inständiges Bitten und die feierliche Versicherung zu schweigen bestimmen, einen dritten Versuch zu machen. Diesmal wurde kein Wort gesprochen, bis das Netz ganz und vollständig auf dem Lande war. Es war voll von großen und fetten Fischen und von dieser Stunde an mußte auch der Junge einräumen, daß die Fische im Saivo-Wasser durchaus kein Geschwätz vertragen.

Quelle:
Poestion, J. C.: Lappländische Märchen, Volkssagen, Räthsel und Sprichwörter. Wien: Verlag von Carl Gerolds Sohn, 1886, S. 64-66.
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