XVIII. Die Gufitarak-Mädchen.

[76] (Aus Nässeby.)


Es war einmal ein Mann, der hatte einen Sohn; dieser schlief ganz allein in einer Stube. In einer Nacht nun, als der junge Mann im Halbschlummer lag, kamen zwei Gufitarak-Mädchen zu ihm hinein. Sie trugen kurze weiße Friesröcke und hatten scharlachrothe Hauben auf dem Kopfe, schöne Haarbänder und bunte Tücher um den Hals und auf den Schultern. Aber obgleich sie sich wie Lappen-Mädchen trugen, erkannte der junge Mann doch sogleich, daß es keine richtigen Menschenkinder, sondern Gufitarak-Mädchen waren. Die Eine von ihnen näherte sich immer mehr dem Bette.

»Geh' nicht so nahe, Base,« sagte die Andere, »es könnte dir schlimm ergehen!«

Aber sie ging gleichwohl noch näher zum Bette hin. Als sie demselben nahe genug gekommen war, ergriff der Bursch sie beim Handgelenk und hielt sie fest, während er sie mit der anderen Hand mit einer Stecknadel blutig stach. Ihre Freundin sprang zur Thür hinaus und verschwand, während sie, die blutig gestochen war, nicht fortkommen konnte.

»Sieh' hier, was du gethan hast!« sagte sie zu dem Burschen und zeigte auf die Hand, von der Blut träufelte.

»Ah, das macht nichts!« meinte der Bursch und suchte sie zufrieden zu stellen, so gut er konnte.[77]

Am nächsten Morgen ging er zu seinen Eltern und erzählte ihnen, daß er ein Gufitarak-Mädchen gefangen hätte und daß sie sich in seiner Stube befinde. Die Mutter bereitete ein Essen und gab ihm davon für das Mädchen mit. Sie selbst ging leise nach und guckte durch eine Ritze in der Thür hinein, um zu sehen, wie ein Gufitarak-Mädchen aussehe. Hierauf ging auch sie hinein, begrüßte das Mädchen und küßte es. Sodann holte sie einen großen Schleier und bedeckte damit das Gesicht des Mädchens, damit die Leute sie nicht früher sehen sollten, als bis sie beim Priester gewesen und dem Sohne angetraut worden sei.

Tags darauf gingen sie zum Priester.

»Wer ist das Mädchen da, mit dem du dich verheirathen willst?« fragte der Priester.

»Es ist ein Gufitarak-Mädchen!« antwortete der Bursch.

»Ein Gufitarak-Mädchen!« sagte der Priester, »wie bist du zu der gekommen?«

Der Bursch erzählte, wie es zugegangen sei. Hierauf taufte sie der Priester und gab ihr einen Namen; er rieth aber dem Burschen ab, sie zu heirathen.

»Nimm' dir lieber ein anderes Mädchen ... von richtigen Menschen!« sagte der Priester, »und überlaß diese uns!«

Er sah, daß sie einen kostbaren silbernen Gürtel um den Leib hatte und sehr schön war.

»O, nein!« meinte der Bursch, »ich gebe sie nicht her und wenn ich selbst eure Tochter dafür bekäme!«

»Na,« sagte der Priester, »wenn du sie schon durchaus heirathen willst, so will ich euch in Gottes Namen trauen!«

So traute er sie denn und gab ihnen das Sacrament.

Der Mann begann nun mit seinem Weibe zu berathen, wo sie sich niederlassen sollten und wie sie sich ernähren würden.

»Das hat bei uns keine Noth,« sagte die Frau; »du hast einen reichen Schwiegervater und reiche Schwäger!«[78]

In der Nacht brachten die Brüder des Gufitarak-Mädchens Balken und Bretter und erbauten ein geräumiges schönes Wohnhaus mit Fenstern und Allem, was nöthig war. Später brachten sie Ziegen, Schafe und Kühe.

»Du darfst,« sagte die Frau, »nie auf das Vieh fluchen oder es schelten oder schlagen. Wenn du das thust, verschwindet es. Wir brauchen uns auch nicht weiter um unser Vieh zu bekümmern. Die Verwandtschaft dort sorgt schon genug dafür!«

Das Vieh gedieh, vermehrte sich immer mehr und mehr und Alles ging gut. Sie bekamen dann auch Kinder und lebten lange und glücklich und litten nie Mangel an irgend einem Dinge.

Quelle:
Poestion, J. C.: Lappländische Märchen, Volkssagen, Räthsel und Sprichwörter. Wien: Verlag von Carl Gerolds Sohn, 1886, S. 76-79.
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