XXVIII. Das Geschenk des Trolls.

[118] (Aus Schwedisch-Lappland.)


Vor vielen, vielen Jahren war ein Bauer an einem Herbsttage im Walde, um zu jagen. Er hatte jedoch an diesem Tage durchaus kein Glück bei seinem Waidwerk; sowie ihm ein Vogel zu Gesichte kam, war es, als ob denselben Jemand verscheuchte. Da begann der Bauer endlich verdrießlich zu werden, denn es war allgemein bekannt, daß ein Troll sich in dieser Gegend aufhielt. Er war eben im Begriffe, sich wieder auf den Heimweg zu machen, als er einem feinen Herrn begegnete, der ihn fragte, wie die Jagd ausgefallen sei.

»Ah, es ist mir noch nie so schlecht dabei ergangen, wie heute!« antwortete der Bauer. »Ich glaube bestimmt, daß der Troll mir die Vögel verscheuchte.«

»Meinst du das?« sagte der Fremdling lachend. »Nun, da du kein Jagdglück gehabt hast, kannst du vielleicht zu mir nach Hause kommen und meine Frau curiren, die sehr krank ist. Du sollst für deine Mühe gut belohnt werden.«

»Aber ich bin ja kein Doctor!« sagte der Bauer.

»Das weiß ich ohnehin,« sagte der Fremdling; »aber das ist auch nicht nothwendig; denn wenn du meiner Frau nur die Hände auflegst, so wird sie gesund.«[119]

»Wenn das hinreichend ist, so will ich gern mit euch gehen,« antwortete der Bauer; »aber ich kann freilich nicht dafür gutstehen, daß sie gesund wird.«

So gingen sie denn miteinander.

Sie kamen bald zu einem großen Schlosse, das mitten auf dem höchsten Punkte eines Berges stand. Der Bauer sah nun ein, daß es nicht mit rechten Dingen zugehe, denn er hatte das Schloß früher nie gesehen, obschon er wenigstens hundert Mal an derselben Stelle gewesen war. Er ließ sich gleichwohl nichts anmerken, sondern folgte dem Unbekannten in das Schloß hinein. Hier gerieth er indessen allerdings in große Verwunderung über das, was er zu sehen bekam. Die Wände des Schlosses bestanden nämlich aus Spiegelglas, das Dach aus Silber, die Fußteppiche aus goldgestickter Seide und die Möbel aus reinstem Gold und Edelsteinen.

Der Bauer wußte kaum, auf welchen von beiden Füßen er stehen sollte. Indessen führte der Mann ihn in ein anderes Zimmer. Hier war es, wenn möglich, noch feiner. In einem goldenen Bett lag die allerschönste Prinzessin, welche schrecklich schrie und jammerte und den Bauer bat, er möchte ja zu ihr kommen und ihr seine Hände auflegen. Er blieb jedoch eine lange Weile sinnend stehen, bevor er seine groben Hände auf die feine Prinzessin zu legen wagte. Als er es endlich doch that, wurde die Prinzessin augenblicklich gesund, stand auf, dankte ihm und bat ihn, ein wenig zu verweilen und mit ihnen zu essen. Der Bauer getraute sich jedoch nicht, von den vielen Speisen, die ihm angeboten wurden, zu kosten, denn er fürchtete, daß er dann für immer in dem Berge bleiben müßte.

Als er hierauf das merkwürdige Schloß verlassen sollte, nahm der Unbekannte einen Lederbeutel, füllte denselben mit runden Holzstückchen an und übergab ihn dem Bauern mit den Worten:[120]

»So lange du im Besitze dieses Beutels bist, wird es dir nie an Geld fehlen. Solltest du mich aber jemals wieder sehen, so sprich nicht ein Wort zu mir; denn wenn du mich ansprichst, wirst du unglücklich!«

Als der Bauer wieder heimgekommen war, meinte er Anfangs, daß sein ganzes Abenteuer nur ein Traum gewesen sei; als er aber den Lederbeutel öffnete, den er bekommen hatte, sah er, daß Alles Wirklichkeit war; denn der Beutel war angefüllt mit Speciesthalern.

Der Bauer, der früher ein armer Teufel war, wurde nun bald der reichste Mann im Kirchspiel; denn so viel Geld er auch aus dem Lederbeutel nahm, so blieb derselbe doch immer voll. Als der Bauer dies merkte, begann er auch verschwenderisch zu leben und besuchte häufig die Schenke.

Eines Abends, als er in der Schenke saß, erblickte er wieder den Mann, von dem er den ledernen Beutel erhalten hatte. Der Mann ging mit einer Flasche herum und sammelte, was die Gäste aus dem Glase verschütteten. Dem Bauer erschien es gar sonderbar, daß der Mann, welcher ihm so viel gegeben hatte, nicht im Stande sein sollte, sich selbst einen Schnaps zu kaufen, und so ging er denn zu ihm hin und sagte:

»Du hast mir mehr Gutes erwiesen als irgend ein Anderer, und deshalb will ich dich gern ein wenig tractiren!«

Kaum aber waren diese Worte ausgesprochen, als er einen so heftigen Schlag auf den Kopf erhielt, daß er ohnmächtig zu Boden fiel. Als er wieder zur Besinnung kam, war der Mann verschwunden. Er griff in die Tasche nach dem Lederbeutel, aber auch dieser war verschwunden.

Von diesem Tage an wurde der Bauer immer ärmer und schließlich mußte er herumgehen und seinen Lebensunterhalt zusammenbetteln.

Quelle:
Poestion, J. C.: Lappländische Märchen, Volkssagen, Räthsel und Sprichwörter. Wien: Verlag von Carl Gerolds Sohn, 1886, S. 118-121.
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