1. Von dem Menschen und dem Fuchs. (26)

[352] Einst pflügte ein Mensch am Rand eines Waldes, im Gebüsch aber lag ein Bär. Der Bär rief ›Mensch, Mensch, ich werde deine Ochsen zerreissen!‹ Da kam ein Fuchs zu dem Menschen gelaufen und sprach ›Was gibst du mir? so will ich deine Ochsen retten.‹ ›Ich will dir einen Sack voll Hühner bringen‹, antwortete der Mensch. Der Fuchs wars zufrieden und lief in den Wald hinein.

Drauf kam er von einem andern Ende wieder herbeigelaufen und rief ›Mensch, Mensch, hast du hier keine Bären, Rehe, Wölfe und Eber gesehn? Der Herr macht eben im Wald ein Treiben.‹ Der Mensch sagte ›Nein‹, und da sprach der Fuchs ›Ei was liegt denn dorten im Strauch?‹ ›Das ist ein gerodeter Baumstumpf‹, antwortete der Mensch. Drauf der Fuchs ›Wenn das ein gerodeter Baumstumpf wäre, so wären doch die Äste abgeschnitten!‹ Damit lief er wieder in den Wald, der Bär aber sprach ›Mensch, hack mir die Füsse ab!‹

Jetzt kommt der Fuchs zum zweiten Mal aus dem Wald gelaufen und spricht ›Mensch, Mensch, hast du keine Bären, Rehe und Wölfe gesehn? Der Herr macht eben im Wald ein Treiben.‹ Der Mensch sagte ›Nein‹, und da sprach der Fuchs ›Ei was liegt denn dorten im Strauch?‹ ›Da liegt ein Stück Bauholz‹, erwiederte der Mensch. ›Wenn das‹, sagte darauf der Fuchs, ›ein Bauholz wäre, so wäre doch in das Ende eine Axt eingehauen!‹ Damit lief er wiederum in den Wald, der Bär aber rief ›Mensch, hau mir die Axt in den Kopf!‹

Abermals kam jetzt der Fuchs zum Menschen gelaufen und sprach ›Du siehst, ich habe deine Ochsen vom Tod errettet, da bring mir also morgen die Hühner, die du mir versprochen hast.‹ Am andern Morgen steckte der Mensch zwei Hunde in einen Sack und trug sie hin. Der Fuchs aber kam heran und sagte ›Lass nur die Hühner heraus, Mensch, ich werde sie mir schon fangen.‹ ›So[352] komm dicht heran‹, sagte der Mensch, der Fuchs aber sprach ›Lass sie nur los, ich werde sie schon packen.‹ Da1 schüttelte der Mensch seinen Sack aus, und wie die Hunde jetzt dem Fuchs nachsetzten, da lief der Fuchs stracks auf sein Loch los. Als er glücklich drin war, sprach er ›Ihr Äuglein, ihr Äuglein, woran dachtet ihr mir unterwegs?‹ ›Wir guckten geschwind, um nur den stracksten Weg ins Loch zu nehmen.‹ Und er fragte die Beine ›Ei und ihr Beinchen, woran habt ihr mir gedacht?‹ ›Ei wir liefen geschwind, um nur so flink als möglich ins Loch zu kommen.‹ Und wieder zum Schwanz sprach er ›Ei und du Schwänzlein, was dachtest denn du?‹ Das Schwänzlein aber antwortete und sprach ›Ei ich wedelte und pinselte nach allen Seiten, auf dass Braunchen und Scheckchen (die Hunde) dich hurtiger fingen.‹ Da steckte der Fuchs den Schwanz zum Loch hinaus und sagte ›Zimzili bimbili, da hast du den Schwanz!‹2 Und da bekamen die Hunde den Fuchs zu fassen und zerrissen ihn.

1

Der letzte Passus der Erzählung kommt ebenso in einer weitverbreiteten beliebten Pasaka des preuss. Lit. vor, von der ich mehrere – übereinstimmende – Aufzeichnungen habe. H. Wb. – Vgl. auch Schleicher Leseb. S. 122.

2

Die Worte ›Da hast du den Schwanz‹ lauten im Original ›nàtibe vòst‹, corrumpiert aus russ. ›na tebě chvost‹.

Quelle:
Leskien, August/Brugman, K.: Litauische Volkslieder und Märchen. Straßburg: Karl J. Trübner, 1882, S. 352-353.
Lizenz:
Kategorien: