20. Von dem Königssohn, der auszog, um seine drei Schwestern zu suchen. (17)

[423] Es war ein König, der hatte drei Töchter und einen Sohn, und er starb. Danach war der Sohn eines Tags auf die Jagd gegangen, da kam ein Windbraus auf das Schloss zu, und da sass ein Bettler an der Thür und betete. Die eine von den Königstöchtern brachte dem alten Mann Brod heraus, und der Mann packte sie und trug sie davon. Am nächsten Tag ging der Königssohn wieder jagen, und er wollte auch seine Schwester suchen. Aber er fand die Schwester nicht, und als er heimkam, fragt' er ›Ist meine Schwester nicht nach Haus gekommen?‹, und sie antworteten ihm ›Nein.‹ Am dritten Tag ging der Königssohn wieder fort, um zu jagen und seine Schwester zu suchen. Und wie er fort war, kam wieder ein Windbraus auf das Schloss zu, und ein Bettler setzte sich hin und betete. Die zweite Königstochter brachte ihm Brod heraus, und da trug das Männchen sie davon. Der Königssohn kam heim und fragte ›Ist meine Schwester nicht wiedergekommen?‹ ›Nein‹, antworteten sie ihm, ›und auch deine zweite Schwester ist jetzt fort.‹ Da ging am vierten Tag der Prinz wieder fort, um zu jagen und seine Schwestern zu suchen. Aber er suchte vergebens, und als er heimkam, fragte er ›Sind meine Schwestern nicht wiedergekommen?‹ und es hiess ›Nein.‹ Am fünften Tag, wie der Prinz wieder von Haus fort war, um zu jagen und die Schwestern zu suchen, kam wieder ein Windbraus auf das Schloss zu, und ein altes Männchen setzte sich an die Thür und betete. Die jüngste Prinzessin brachte ihm Brod heraus, und das Männchen trug auch sie von dannen.

Der Königssohn machte sich nun auf, sie alle drei zu suchen, und nahm nur ein bischen Brod und Fleisch mit. Er zog durch Büsche, Wälder und Schluchten, und hatte schon nichts mehr zu essen und wünschte, dass er nur irgend einen Menschen träfe, der[423] ihm was zu essen geben könnte. Er ging immer weiter und erblickte ein freies Feld, und wie er jetzt aus Wald und Busch heraustrat, lag vor ihm ein Edelhof. Er ging in den Hof, und sieh, da sass seine eine Schwester am Fenster und nähte. Die Schwester frug ihn ›Wie bist du nur durch die Büsche und Wälder und Schluchten hierher gekommen?‹ ›Liebe Schwester‹, antwortete der Bruder, ›wenn Gott will, kommt man immer zu seinem Ziel.‹ Drauf sagte die Schwester zu ihm ›Wenn mein Mann, der Falke, heimgeflogen kommt, wird er dich zerreissen.‹ ›Wenn's Gott fügt‹, versetzte der Bruder, ›wird ers nicht thun; ich will irgendwo hinter die Ofenkrücken kriechen, da wird er mich wol nicht bemerken.‹ Am Abend kam der Falke mit Sturmeswehen nach Haus geflogen, liess sich auf dem Hof nieder, schüttelte sich, da stoben die Federn von ihm, und er verwandelte sich in einen schönen Junker. Wie er darauf ins Zimmer eintrat, rief er seiner Frau zu ›Gib mir zu essen, du Aas! Du behandelst mich nicht wie deinen Mann, du gibst dich hier mit andern Männern ab, es riecht hier nach Menschenfleisch!‹ Da begann seine Frau zu weinen, der Falke aber sprach ›Sei ruhig, weine nicht! Ich bin eben böse gewesen: mir ist heute noch nichts vorgekommen, was ich todt schlagen konnte, das hatte mich so ärgerlich gemacht.‹ Danach fragte sie ihn ›Wenn mein Bruder, dein Schwager, herkäme, würdest du ihn wol als Schwager aufnehmen?‹ Der Falke antwortete ›Wie sollte das anders sein, da ich nur den einen Schwager habe?‹ Und sieh, da kam ihr Bruder herein, und der Falke bewillkommte ihn und setzte ihm zu essen vor. Der Prinz aber sagte nachher ›Meine eine Schwester hab ich nun gefunden, aber wer weiss wo die beiden andern sind!‹ Da sprach zu ihm der Falke ›Auch die zwei andern Schwestern sind hier. Hier sind nämlich drei Edelhöfe: der erste gehört der Schwester, die ich habe1, der zweite meinem Bruder Greif und der dritte meinem Bruder Adler.‹

Nun ging der Prinz fort, nach seiner zweiten Schwester zu schauen. Er sah sie am Fenster sitzen und nähen, und sie fragte ihn ›Wie bist du nur durch die Büsche und Wälder und Schluchten hierher ge langt?‹ Ihr Bruder antwortete ›Wenn Gott der Herr will, kommt man allerwege zum Ziel.‹ Darauf sagte die Schwester ›Du[424] bist nun da, aber mein Mann der Greif wird am Abend heimgeflogen kommen, und da wird er dich erschlagen.‹ Aber der Bruder versetzte ›Wenn Gott mir hilft, so wird er es nicht thun; ich will irgendwo hinter die Ofenkrücken kriechen, da wird er mich wol nicht bemerken.‹ Am Abend kam der Greif mit Sturmeswehen nach Haus geflogen, liess sich auf dem Hof nieder und verwandelte sich in einen schönen Junker. Dann trat er ins Zimmer ein und sprach ›Gib mir zu essen, du Aas! Du behandelst mich nicht wie deinen Mann, es riecht hier nach Menschenfleisch!‹ Seine Frau brachte ihm zu essen, und er sprach jetzt zu ihr ›Weine nicht, ich bin den Tag über sehr böse gewesen, denn ich habe nichts zum Todtschlagen bekommen.‹ Danach fragte ihn seine Frau ›Wenn mein Bruder, dein Schwager, käme, würdest du den als Schwager bei uns aufnehmen?‹ Er antwortete ›Warum nicht? Ich habe ja nur den einen Schwager, und wenn der hierher käme, würde ich ihn immer aufnehmen.‹ Und sieh, da trat ihr Bruder in die Stube, der Greif bewillkommte ihn, gab ihm zu essen, und wie der Prinz speiste, sagte der Greif ›Bleib doch Zeit deines Lebens als Gast bei mir!‹ Aber der Prinz versetzte ›Jetzt hab ich schon zwei von meinen Schwestern gefunden, ich will mich aufmachen auch noch die dritte zu suchen.‹

Er ging fort und kam zu dem dritten Gehöfte und sah seine Schwester am Fenster sitzen und nähen. Die Schwester fragte ihn ›Wie bist du nur durch die Büsche und Wälder und Schluchten hierher gekommen?‹ und er erwiederte ›Mit Gottes Willen kommt man überall ans Ziel.‹ Drauf sprach die Schwester ›Mein Mann, der Adler, wird am Abend nach Haus geflogen kommen, und da wird er dich erschlagen.‹ Aber der Bruder erwiederte ›Wenn's Gott fügt, so wird er das wol nicht thun; ich will irgendwo hinter die Ofenkrücken kriechen, da wird er mich wol nicht bemerken.‹ Am Abend kam der Adler mit Sturmeswehen heim, schüttelte sich auf dem Hof, ward ein schöner Junker und trat dann ins Zimmer ein. Und er rief seiner Frau zu ›Gib zu essen her, du Aas! Du behandelst mich nicht als deinen Mann, du gibst dich hier mit andern Männern ab, es riecht hier nach Menschenfleisch!‹ Sie weinte. Da sagte er zu ihr ›Sei ruhig und weine nicht, ich bin den Tag über sehr böse gewesen, darum hab ich dich so gescholten.‹ Nachher sprach sie ›Wenn mein Bruder, dein Schwager,[425] herkäme, würdest du ihn als Schwager aufnehmen?‹ und der Adler erwiederte ›Ja, wenn er käme, er sollte gute Aufnahme finden.‹ Sieh, da kam der Prinz herein, und der Adler bewillkommte ihn und setzte ihm zu essen vor. Der Prinz aber sprach ›Jetzt hab ich alle meine Schwestern wiedergefunden, jetzt bleib ich immer bei euch.‹

Am nächsten Morgen kamen die drei Schwäger auf dem Gehöfte des Adlers zusammen, und sie sprachen ›Wo werden wir jetzt für ihn eine Frau finden?‹ Der Falke sagte ›Ich weiss eine Jungfrau, die besitzt ein halbes Königreich, die könnt er zur Frau nehmen.‹ Der Greif sprach ›Ich weiss eine Witwe, die hat drei Kinder und ein halbes Königreich, die könnt er heiraten.‹ Der Adler aber sprach ›Was schwatzt ihr! Ihr seid nicht klug. Ich weiss eine Jungfrau, die besitzt ein ganzes Königreich; wer sie im Zweikampf bezwingt, der bekommt sie zur Frau.‹ Und zum Prinzen sagte er ›Kauf dir eine Drahtpeitsche und steck sie unter den Mantel, und wenn du sie damit tüchtig bearbeitest, so wirst du sie bezwingen.‹ Und er gab dem Prinzen dann auch noch einen Lakei (das war ein Vogel) und zwei Pferde, und der Prinz stieg zu Pferd und ritt zu der Jungfrau hin. Als er an ihr Schloss kam, trat die Jungfrau heraus und sprach ›Wer ist der stattliche Jüngling, der da geritten kommt? Er kommt wol mit mir den Zweikampf zu bestehn?‹ Der Prinz wollte ihr zum Willkommen die Hand reichen, aber sie litt es nicht und sagte immer ›Schreiten wir zum Kampf!‹ Er bat jedoch so inständig, dass sie nachgah und ihn zum Willkommen an sich herantreten liess. Und da fasste der Prinz die Jungfrau an den Haaren und schlug mit der Peitsche auf sie los, und er gab ihr Hiebe, was nur auf sie ging. Und so besiegte er sie. Sie musste seine Frau werden, und am Sonntag wurden sie in der Kirche getraut. Sie übergab ihm nun alle Schlüssel des Schlosses und sprach ›Ueberall wo du willst magst du eintreten, nur geh nicht in das Kämmerchen, an dem das Schloss mit Bindfaden umbunden ist!‹

Aber er folgte ihr nicht. Wie er einmal nichts zu thun hatte, ging er durch alle Stuben und Kammern, und da betrat er auch das Kämmerchen. Er fand darin zwölf Köpfe und einen Mann, der hing an der Thürhaspe. Und der Mann bat ihn, er solle ihm doch ein Glas Bier bringen. Der Prinz lief auch sogleich[426] hin und holte ihm das Bier, und der Mann trank es aus und bat ihn danach, er solle ihn doch von der Haspe losmachen, und der Prinz that das. Der Mann war aber ein König ohne Seele. Und der König ohne Seele verständigte sich darauf mit dem Kutscher des Schlosses, setzte des Prinzen Frau in eine Kutsche und fuhr mit ihr von dannen. Als nun der Prinz merkte, dass die beiden fort waren, setzte er sich zu Pferd und jagte dem König nach. Und wie er ihn eingeholt hatte, rief er ›Halt, König ohne Seele! Heraus zum Zweikampf!‹ Da stieg der König ohne Seele aus, und der Kampf begann. Sie schlugen auf einander los, und der König ohne Seele hieb ihm die Knöpfe ab und stiess ihm den Säbel in die Seite. Dann setzte sich der König wieder in die Kutsche und fuhr weiter. Der Prinz aber verfolgte ihn wieder, und als er ihn eingeholt hatte, rief er ›Halt, König ohne Seele!‹ Und der König stieg aus, und der Zweikampf begann wieder. Sie schlugen auf einander los, und der seelenlose König schnitt ihm die Knöpfe ab, stiess ihm den Säbel in die Seite und sprach zu ihm ›Als wir das erste Mal kämpften, da hab ich dir verziehen, weil du mir das Bier gebracht hast. Jetzt, wo wir das zweite Mal kämpften, da hab ich dir verziehen, weil du mich von der Thürhaspe losgemacht hast. Das dritte Mal schenk ich dir nicht wieder das Leben, sondern werde dich tödten!‹ Damit fuhr er weiter. Aber der Prinz gehorchte ihm nicht, und er verfolgte ihn noch einmal. Und wie der Prinz den König ohne Seele wieder eingeholt hatte, rief er ›Halt, König ohne Seele! Heraus zum Zweikampf!‹ Der König stieg aus der Kutsche, und der Kampf begann. Sie schlugen auf einander los, und der König schnitt dem Prinzen die Knöpfe ab, schlug ihm den Kopf herunter und hieb ihn ganz in Stücke. Da sprach des Prinzen Frau zum König ›Erlaub mir wenigstens, dass ich die Stücke in ein Tuch einbinde und mitnehme.‹ Der König erlaubt' es ihr, sie wickelte die Stücke ein, legte den Bündel in die Kutsche, und sie fuhren weiter nach dem Schloss des Königs.

Jetzt nahm der Lakei, den der Adler seinem Schwager mitgegeben hatte, einen Feuerstein, strich mit sei nem Gefieder über den Stein, und da kamen die drei Schwäger herbeigeflogen. ›Du Dummkopf!‹ schalten sie den Lakei, ›warum hast du uns das nicht eher gemeldet? Warum erst jetzt, wo er schon in Stücke zerhauen[427] ist?‹ Und sie legten die Stücke auf einen Haufen zusammen, gingen in den Wald und trafen dort einen Habicht mit seinem Jungen. Der Adler sprach zu dem Habicht ›Mach dich auf und hol mir Lebenswasser und Heilwasser herbei.‹ Da flog der Habicht nach dem See hin, wo das Wasser war, aber er konnte nicht herankommen: es stand eine starke Wache dabei, und ringsum den See brannte ein Feuer. Da schöpfte er einen Schnabel voll Wasser aus einem Graben und brachte das Wasser dem Adler. Der Adler aber sprach ›Das ist nicht das Wasser, wie es dort im See ist‹, drehte dem Jungen des Habichts den Hals um und sagte zum Habicht ›Jetzt fliegst du noch einmal hin und holst vom richtigen Wasser und kannst dann auch gleich für dein Junges mitbringen!‹ Der Habicht flog wieder zum See, und jetzt flog er durch das Feuer hindurch, schöpfte von dem Wasser und kehrte damit zum Adler zurück. Der Adler goss nun von dem Heilwasser auf das Junge, da heilte der Kopf wieder an, und dann goss er ihm von dem Lebenswasser in den Hals, da ward es gesund. Darauf legte er die Stücke von dem Prinzen schön zusammen, goss von dem einen Wasser darauf, da heilten die Stücke an einan der, alsdann goss er ihm von dem andern Wasser in den Hals, da ward er wieder lebendig. Und der Prinz sprach ›Ach wie gut hab ich geschlafen!‹ ›Jawol! gut geschlafen!‹, versetzte der Adler, ›in kleine Stücke bist du gehauen gewesen!‹ Jetzt kamen auch die zwei andern Schwäger herzugeflogen, und sie und der Adler sprachen zum Prinzen ›Geh jetzt zu dem König und sieh, ob du nicht von ihm erfahren kannst, wo sich seine Seele befindet; wenn du seine Seele tödtest, muss er sterben, und du bekommst deine Frau wieder. Sag ihm, dass du ein Jäger seist, und dass du es verstündest, einen Stall voll von Vögeln zu jagen.‹

Der Prinz ging zum König hin und sprach ›Du nimmst mich vielleicht in deine Dienste? Ich bin ein Jäger und verstehe mich darauf, einen Stall voll von Vögeln zu jagen.‹ Der König antwortete ›Gut, du kannst bei mir bleiben.‹ Da ging nun der Prinz hinaus aufs Feld, trieb mit einem Sturmwind die Vögel nach dem Stall hin, öffnete die Stallthüre und jagte die Vögel hinein, so dass der Stall voller Vögel war. Der König sandte einen Lakei hin, der sollte zusehn, ob er viele Vögel hineingetrieben hätte, und der Lakei sah, dass der Stall voll war. Darauf blies der Prinz[428] auf einer kleinen Schalmei, und das hörte seine Frau drinnen im Schloss, die jetzt des Königs Frau war, und sie sprach ›Mir scheint, so bläst mein Mann, den der König in Stücke gehauen hat.‹ Und sie ging hinaus zu ihm und sprach ›Du bist wol mein Gatte?‹ ›Ja, ich bin es‹, antwortete er. Und nachher trug er ihr auf, sie solle ausforschen, wo des Königs Seele sich befinde, und es ihm dann sagen. Da ging sie zum König und sprach zu ihm ›Wo meines Gatten Seele ist, da muss auch meine sein.‹ Und der König erwiederte ihr ›Meine Seele befindet sich dort in dem See, in dem See liegt ein Stein, in dem Stein ist ein Hase, in dem Hasen ein Ente, in der Ente ein Ei, da ist meine Seele drin.‹ Das erzählte sie nun dem Jäger wieder, gab ihm reichlich Geld und Wegzehrung, und er machte sich nach dem See auf. Als er an dem Wasser ankam, da wusste er nicht, wie er nach der Stelle hinüberkommen sollte, wo der Stein war, und er ging immer am Ufer hin, dabei verzehrte er seinen ganzen Essvorrath und hatte nun nichts mehr zu essen. Da traf er einen Hund, der Hund sprach ›Schiess mich nicht todt, ich will dir auch in der Not ein mächtiger Helfer sein.‹ Er liess ihn denn auch leben und ging weiter. Jetzt erblickte er auf einem Baum zwei Habichte, einen alten und sein Junges, und er kletterte hinauf und wollte sich das Junge holen. Der alte Habicht aber sprach ›Nimm mein Junges nicht, es wird dir in der Not ein mächtiger Helfer sein‹, und da stieg er wieder von dem Baum herunter und ging weiter. Darauf erblickte er einen gewaltigen Krebs, und er wollte ihm nur eine Scheere abdrehen, um was zu essen zu haben, aber der Krebs sprach ›Nimm mir meine Scheere nicht, sie wird dir auch in der Not eine mächtige Helferin sein.‹ Da that er ihm denn auch nichts und ging weiter. Jetzt sah er Leute am See, er ging zu ihnen und sprach ›Habt ihr nicht ein klein bischen Brod, das ihr mir verkaufen könnt?‹ Sie antworteten ›Wir haben nicht viel Brod, aber was wir haben, wollen wir dir ablassen.‹ Und sie gaben's ihm, er ass es auf und fragte dann weiter die Leute ›Könntet ihr mir nicht den Stein aus dem See herausholen?‹ Sie antworteten ›Ja, wir können's‹, und da gab er ihnen viel Geld, und sie fuhren nach dem Stein hin. Dort riefen sie alle Fische zusammen, und nur einer kam nicht; als der endlich aber auch herangeschwommen kam, fragten sie ihn ›Wo bist du so lang geblieben?‹ und er antwortete ›Ich hatte mich verirrt,[429] darum bin ich so lang ausgeblieben.‹ Sie nahmen nun den Stein und brachten ihn ans Ufer. Der Prinz schlug den Stein entzwei, und da sprang ein Hase heraus. Der Hund fasste den Hasen, zerriss ihn, und da flog aus dem Hasen eine Ente heraus. Der junge Habicht fasste sie und zerriss sie, da fiel ein Ei heraus. Das Ei aber fiel in den See. Da holte der Krebs das Ei heraus und brachte es dem Prinzen. Jetzt wurde der König schon krank. Und der Prinz ging zum König und sprach zu ihm ›Du hattest mich ums Leben gebracht, dafür werde ich dich jetzt tödten!‹ Der König bat ihn, er solle ihm verzeihen, aber der Prinz entgegnete ›Nein, ich muss dich tödten!‹ Damit warf er das Ei auf die Erde, und der König stürzte aus dem Bett auf die Erde und war todt. Jetzt fuhr der Prinz mit seiner Gattin nach Haus, wo sie zuerst gewesen waren, und sie liessen sichs dort wol sein.

1

Diese Auffassung der Stelle ist wol der auf S. 193 vorgetragenen vorzuziehen.

Quelle:
Leskien, August/Brugman, K.: Litauische Volkslieder und Märchen. Straßburg: Karl J. Trübner, 1882, S. 423-430.
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