32. Vom dummen Hans. (7)

[467] Es war einmal eine Mutter und ein Sohn, und der Sohn hiess Hans. Hans war dumm und konnte immer keine Braut kriegen. Jetzt war er wieder auf ein Mädchen aus, das hiess Marie. Und er geht zu dem Mädchen hin und stellt sich an die Thür. Sie frag ›Was stehst du hier? Hast du mir was zu sagen?‹ ›Ich bin zu dir hergekommen, dass du mir was schenkst‹, antwortet Hans,[467] und da schenkt sie ihm eine Nadel, und Hans geht vergnügt wieder von dannen. Auf dem Heimweg holt er einen Heuwagen ein, und da wirft er die Nadel auf den Heuwagen und geht hinterdrein. Nachher will er die Nadel wieder vom Wagen nehmen. Aber vergeblich wühlt er den ganzen Wagen um, wirft das Heu heraus, und da gerbt ihm der Fuhrmann obendrein noch das Leder voll. Weinend kommt Hans zur Mutter nach Haus. ›Warum weinst du?‹ fragt ihn die Mutter. ›Was sollt ich nicht weinen? Ein Mensch hat mir das Leder gegerbt.‹ ›Warum hat er dir das Leder gegerbt?‹ ›Ich hatte von Mariechen eine Nadel gekriegt und hatte sie auf einen Heuwagen geworfen. Nachher hab ich den Wagen ausräumen wollen, und da hat der Mensch mir dafür das Fell gegerbt.‹ Da spricht die Mutter ›Wenn dir Marie eine Nadel schenkte, so hättest du die an den Hut stecken und so nach Haus tragen müssen.‹

Nächsten Tag geht Hans wieder zu seinem Mariechen und stellt sich wieder an die Thür. Und Marie fragt ›Warum kommst du und was willst du?‹ ›Ich bin hergekommen, dass du mir was schenkst.‹ Da schenkt sie ihm einen Säbel. Vergnügt geht Hans mit seinem Säbel von dannen, und er will ihn an den Hut stecken. Aber der Hut geht in Fetzen, und er kann den Säbel nicht anstecken. Zu Haus weint er. Fragt die Mutter ›Warum weinst du, mein Kind?‹ ›Was sollt ich nicht weinen? Ich hab mir mit dem Säbel den Hut zerfetzt. Ich wollt ihn anstecken, aber es ging nicht.‹ ›Was hast du gemacht, du Dummkopf! Den Säbel hättest du dir an dem Gürtel festbinden und neben an die Seite hängen müssen, dann hättest du ihn schön mit heimgebracht.‹

Ein ander Mal geht Hans wieder zu seinem Mädchen und stellt sich an die Thür. Sagt das Mädchen ›Was willst du, Hänschen?‹ ›Ich bin hergekommen, dass du mir was schenkst.‹ Marie sagt ›Ich hab nichts mehr für dich, nur noch das Kühchen; das will ich dir schenken.‹ Und Hans nimmt's Kühchen und führt's zum Hofthor hinaus. Aber wie es jetzt an die Seite hängen? Er will's in einen Sack stecken und denkt, so geht's. Aber wie er das Kühchen zusammenwickeln und in den Sack stopfen will, da sperrt sich's und schlägt aus und springt davon. Hans kommt heim. Betrübt steht er an der Thür, da sagt die Mutter ›Du bist mir doch noch kein Mal vergnügt wiedergekommen, immer betrübt!‹[468] Da antwortet Hans ›Sie hat mir ihr Kühchen geschenkt, hab ich das Kühchen neben an die Seite hängen wollen, und da ist es mir brüllend davon gelaufen.‹ ›Dem Kühchen‹, sagt die Mutter, ›hättest du einen Strick an die Hörner binden sollen und es so nach Haus führen, und zu Haus hättest du ihm Heu vorwerfen und darauf pissen sollen.‹

Und wieder einmal geht Hans zu Mariechen und stellt sich an die Thür hin. Und sie fragt ihn ›Was stehst du und was willst du?‹ Da sagt Hans ›Ich bin hergekommen, dass du mir was schenkst.‹ Und sie antwortet ›Ich hab nichts mehr, was ich dir geben könnte, da will ich dir mich selbst schenken.‹ Da bindet der Dummbart ihr einen Strick um den Hals, führt sie am Strick heim und bindet sie an, und wirft ihr Heu vor und pisst drauf. Und lässt sie so stehen und geht seelenvergnügt zur Mutter hin. Die Mutter fragt ›Was hast du mitgebracht?‹ Hans spricht ›Sieh nur, Mutter, ich hab Mariechen heimgeführt und hab sie im Anbau angebunden, hab ihr auch Heu gegeben und darauf gepisst.‹ ›Warum du nur immer so dumm bist! Du hättest sie dir zur Seite gehn lassen sollen und dich hübsch mit ihr unterhalten und sie dann hier in die Stube führen sollen.‹

Am Abend bringt die Mutter Hans und Mariechen zu Bett und geht dann auch selbst schlafen. Aber Mariechen bindet Hansen mit einem Strick eine Ziege ans Bein und macht sich davon. In der Nacht wird Hans wach, und da er an dem Strick zieht, fängt die Ziege an zu meckern. Und Hans ruf ›Mutterchen, was das haarig ist! Mutterchen, was das haarig ist!‹ ›Das schadet nichts Dummkopf, wenn's haarig ist‹, sagt die Mutter.

Quelle:
Leskien, August/Brugman, K.: Litauische Volkslieder und Märchen. Straßburg: Karl J. Trübner, 1882, S. 467-469.
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