[548] 12. Vom Königssohn und seinen Thieren (S. 396). – 13. Von den zwei Waisenkindern (S. 401).

Der erste Theil der Märchen 11 und 12, sowie das ganze Märchen 13, gehören zu den Erzählungen von der verrätherischen Schwester (Mutter, Frau), die, um den, ihrem Liebeshandel mit einem Drachen oder Räuber im Wege stehenden, Bruder (Sohn, Mann) ums Leben zu bringen, demselben gefährliche[548] Aufgaben stellt. Vgl. Hahn I, S. 52, Formel 19 und Anm. zu 32, II, S. 235; R. Köhler's Nachweise zu Widter-Wolf, Volksmärchen aus Venetien zu No. 8, S. 132; R. Köhlers Anmerk. zu Gonzenbach 26, II, S. 222. – Eine litauische Variante bietet Schleicher S. 54. – Von slavischen Märchen gehören hierher: Grossr. und klr. Af. V, 27, S. 128 (Orel); 28, S. 131 (Voronež); VI, 51, S. 241 (Kursk); 52 a, S. 244 u. b, S. 253 (Orenburg); 53 a, S. 260 u. b, S. 266 (Archangel); Chud. I, 10, S. 42 (Rjazan'); III, 84, S. 25; Erl. 11, S. 47 (Tula); Trudy, I, 48, S. 138 (Poltava); 49, S. 152 (Chaŕkov); 50, S. 157 (Volhynien); Rudč. I, 49, S. 115 (Kiev); 50, S. 130; 51, S. 139; II, 22, S. 67 (Podolien); Drag. 14, S. 299; serb.-kroat. Vuk, Pjesme, II, 8, S. 26; Mik. S. 102; Stoj. 32, S. 144; sloven. Valj. 3, S. 111; čech. mähr. slovak. Rad. I, S. 249; Kulda I, 27, S. 93; Wenzig, S. 144 (aus der Sammlung slovak. Märchen von Božena Němcova). – Von diesen Märchen bilden die russischen durch die Gleichheit der dem Helden gestellten Aufgaben, die gleiche Art seiner Errettung und durch eine eigene Episode, die den Eingang des Märchens bildet (die jedoch nicht alle Versionen haben), eine besondere Gruppe. Vgl. darüber Afanas'ev's Anm. zu V, 27 u. 28, VIII, S. 377 ff. – Af. VII, 612 ff. – Die Anfangsepisode ist folgende: Zwei Königskinder werden von einem Unthier verfolgt. Sie versuchen vergeblich auf Thieren (Vögeln), die ihnen begegnen und ihnen Hülfe anbieten, zu entfliehen, der Verfolger holt sie ein und bringt sie zurück. Endlich bietet ihnen ein Ochse an, sie zu retten, sie entkommen, zum Theil durch weggeworfene Sachen, die der Bruder im Ohr des Ochsen findet und die sich in Hindernisse verwandeln, das letzte Hinderniss ist ein tiefer Fluss oder feuriger See, über den durch Schwingen eines Handtuchs eine Brücke entsteht, die später durch das Schwingen des Tuches wieder verschwindet. In Sicherheit angekommen, sagt der Ochse dem Bruder, das Handtuch vor seiner Schwester zu verbergen, ihn selbst zu schlachten und seine Asche (Knochen, Hörner,) zu pflanzen, oder irgendwo hinzulegen. Daraus entsteht ein Zwerg (mužičok-kulačok), oder ein Ross, ein Hund und ein Apfelbaum, oder zwei Hunde, oder ein Ross, ein Schwert und zwei Hunde, die dem Helden bei seinen spätern Thaten nützen. Vgl. Af. V, 27 u. Var. S. 127, 28 u. Var. S. 136; Trudy 48, 49; Rudč. 49; Erl. 11. – Der Verfolger ist, Af. V, 27, ein Wolf mit eisernem Fell, der alle Unterthanen eines Königs gefressen hat und vor dem man die Königskinder versteckt hat; Var. S. 127 ein eiserner Wolf, der den Königskindern zum Spielzeug gedient hat und lebendig geworden ist; V, 28, der Bärenkönig царь-медвѣдь; Trudy 48, ein Drache (Teufel), dem der König einst seine Kinder gelobt hat und sie ihm dann zu entziehen sucht; ebenso Rudč. 49; Trudy 49, kommt der Drache nach des Königs Tod, um die in einem Gewölbe versteckten Kinder zu suchen. – Die Schwester oder Mutter verliebt sich in einen Drachen, der aber nicht über den See kann. Sie entlockt ihrem Bruder das Handtuch, welches zur Brücke wird, der Drache kommt zu ihr und sie überlegen, wie sie den Bruder verderben können. Sie stellt sich krank und schickt ihn nach der Milch reissender Thiere, dann nach heilendem Wasser, zu den zusammenstossenden Bergen (auch im grossrussischen Epos vorkommend), endlich nach Mehlstaub, in die selbstmahlende Teufelsmühle mit zwölf[549] eisernen Thüren. Er holt den Staub, kann aber nicht verhindern, dass seine treuen Thiere (Hunde, Wolf, Bär u.s.w.) darin bleiben. Nach einer Variante befreit er sie mit Hülfe dreier grüner Ruthen, vor denen die Thüren aufspringen; in den meisten Versionen aber kommt er nach Haus und fällt in die Hände des Drachen, der ihn ohne seine Thiere nicht mehr fürchtet und ihn fressen will. Er bittet sich erst baden zu dürfen, da er zum Aufessen nicht rein genug sei. Ein Vogel bringt ihm Nachricht, dass seine Thiere die Thüren zerbeissen, er zieht das Bad hin, um Zeit zu gewinnen, (nach andern Varianten bittet er zum letzten Mal auf einen Baum klettern, oder drei Lieder singen zu dürfen). Unterdessen haben sich seine Thiere durchgefressen, kommen an und zerreissen den Drachen (in einigen Varianten auch die Schwester). Er legt der Schwester eine Busse auf. Einige Varianten erzählen dann von einem zweiten Mordversuch der Schwester, vermittelst eines giftigen Zahns oder Knochen vom Drachen, der, ins Bett gelegt, ihm in den Leib fährt und ihn tödtet. Die Thiere beleben ihn, die Schwester wird getödtet. Vgl. ausser den oben angeführten Märchen, Af. VI, 51, 52 a, 53 b (in dem die Mühle fehlt, das Bad aber vorhanden ist); Chud. I, 10; Trudy 50; Rudč. 50, 51. – Eine zweite Gruppe besteht aus Valj. 3, S. 111 (kroat.-slov.), Wenzig, S. 144 (slovakisch) und Drag, 14, S. 299 (klr.). Das slovenische und das slovakische Märchen stimmen fast ganz überein. Der Held bei Valj. entsteht aus einem Korn, das ein Mädchen gegessen hat. Er ernährt seine Mutter durch Jagd. Einst kommt er in ein Haus, das unbewohnt scheint; nur in einem Zimmer findet er einen Teufel (vrag), mit drei Reifen angeschmiedet, der ihn um Befreiung bittet. Er verweigert es; holt seine Mutter und wohnt mit ihr dort; sie soll nicht in das Zimmer gehen. Sie benutzt aber einmal seine Abwesenheit, geht hinein und befreit den Teufel, indem sie ihm dreimal Wasser bringt. Bei jedem Mal fälllt ein Reif ab. Sie berathen sich und sie stellt sich krank und will Wasser von zwei zusammenschlagenden Felsen, die aber keine Felsen, sondern Teufel sind, und nur um Mitternacht zwei Minuten schlafen. Er holt es mit Hülfe der grossen jungen Nedelja (velika mlada Nedelja, Personification des Oster- (?) Sonntags; mlada nedjelja, serb., der erste Sonntag nach Mondwechsel, velika nedjelja, die Charwoche, Vuk. Lex. S. 144 b u. 57 a), die ihm ein Ross dazu giebt und während er ausruht das Wasser mit gewöhnlichem Wasser vertauscht. Jetzt wird er nach einem Frischling von einer wilden Sau, die um 12 Uhr, zwei Minuten schläft, geschickt, den Nedelja ebenfalls vertauscht und endlich nach einem Apfel, mit dem zwölf Jungen (Teufel), die um 12 Uhr, zwei Minuten schlafen, spielen, (ebenfalls von Nedelja vertauscht). Nun beschmiert der Teufel eine Bettdecke (poplun) mit einer Salbe; die Mutter sagt ihm, er solle sie zudecken; wie er die Decke anfasst, kann er die Hände nicht losmachen und als er mit den Füssen darauf tritt, auch die Füsse nicht. Der Teufel haut ihn nieder, die Mutter schneidet ihn in Stücke, steckt sie in einen Sack und bindet diesen dem Ross Nedelja's an den Schweif, damit sie zertreten werden. Das Ross trägt sie aber unversehrt zur Nedelja, die die Stücke zusammensetzt, mit dem heilenden Wasser besprengt, mit dem Frischling und Apfel berührt, und so belebt. Er geht jetzt zu seiner Mutter und findet sie[550] mit dem Teufel zusammen im Bett liegen; er haut sie nieder, zerstückt sie und bindet sie dem Ross an den Schweif. Sie werden zertreten und von ihnen frisst ein Rabe und eine Krähe. Der Rabe, der nur vom Teufel frass, ist daher bis heute schwarz, die Krähe, die von beiden frass schwarz und weiss. – Der Held des slovakischen Märchens ist dreimal sieben Jahr von der Mutter gesäugt worden und daher riesenstark. Er findet in einem Schloss, dessen Herren (Drachen) er tödtet, einen mit drei eisernen Reifen befestigten Drachen den seine Brüder gefesselt haben. Er zieht mit der Mutter ins Schloss; sie befreit den Drachen durch drei Gläser Wein, aus dem hintersten Fass im Keller, bei jedem Glas springt ein Reifen. Sie stellt sich krank und verlangt ein Ferkel von der Erdsau, das Wasser des Lebens und des Todes, das unter zwei Bergen ist, von denen der eine um Mittag, der andere um Mitternacht sich erhebt und gleich wieder zufällt, den Vogel Pelikan und die goldnen Aepfel aus dem Drachengarten. Er holt alles mit Hülfe der heiligen Nedělka (personificirter erster Sonntag nach dem Neumond, vgl. Wenzig S. 315, Anm. 16), die ihm ihr Ross tátošík, eine Büchse und einen Ring, der Hundertmännerkraft verleiht, giebt und die vier Gegenstände vertauscht. Als er das letzte Mal wiederkommt, trifft er Mutter und Drachen tafelnd; die Mutter bindet ihn, wie im Scherz, mit einer dicken Schnur, die er zerreisst und dann mit einer dünnen seidenen, die er nicht zerreissen kann. Dann hauen sie ihn in Stücke, die Mutter nimmt das Herz heraus und hängt das Bündel mit den Stücken dem tátošík um; der trägt es zu Nedělka, die ihn zusammenfügt, belebt und ihn, als Bettler verkleidet, mit Sackpfeife zu seiner Mutter schickt, das Herz holen. Er spielt ihr und dem Drachen zum Tanz und erhält das Herz; der Vogel Pelikan, der einen sehr langen Hals hat, setzt es ihm wieder ein, und er fliegt, als Tauber verwandelt, ins Schloss und tödtet den Drachen. Die Mutter fleht um Erbarmen, er führt sie auf den Hof und wirft ein Schwert in die Luft das den Schuldigen treffen soll. Es durchbohrt die Mutter. – Im kleinrussischen Märchen wird ein Mädchen auf unerklärliche Weise schwanger und gebiert einen Knaben, der wunderbar rasch wächst. Als Pathe meldet sich ein Ritter der dem Knaben sein Ross, seine zwei Löwen, seine Rüstung und »seine Kraft« schenkt. Der Knabe trifft auf ein Haus mit drei Drachen, tödtet zwei davon und hängt den dritten an der Zunge in einem Verschlag auf. Trotz des Verbotes befreit die Mutter denselben. Sie stellt sich krank und schickt den Sohn 1) nach einem Wald unter zwölf Eichen, wo eine Sau Frischlinge geworfen hat, einen davon zu holen, 2) nach den goldnen Aepfeln in den Garten der Nastasja Prekrasnaja, 3) nach heilendem und belebendem Wasser zu den zusammenschlagenden Bergen. Er erlangt dies alles durch die Hülfe einer Jungfrau, mit der er sich verbrüdert und die die Gegenstände vertauscht. Die Mutter bindet ihn erst mit zehn, dann mit zwanzig Pud Draht, haut ihn in Stücke und hängt dieselben in einem Sack dem Ross um, dessen Augen sie ausgestossen hat. Das Ross irrt drei Jahr umher, bis es zur Jungfrau kommt. Diese heilt ihm die Augen, setzt die Stücke des Helden, in denen schon die[551] Würmer sind, zusammen und ersetzt fehlende Stücke durch Stücke vom Frischling und Apfel, worauf sie ihn belebt. Er tödtet den Drachen und bindet die Mutter dem Ross an den Schweif. – Ausser diesen beiden Gruppen von Erzählungen giebt es einige Märchen, die den griechischen Märchen bei Hahn und dem sicilianischen, Gonzenbach, 26, näher stehen, als den litauischen. Es sind dies: Chud. III, 84; Af. VI, 52 b u. 53 a; Mik. S. 102 und das Lied Vuk. II, 8, die übrigen: Rudč. II, 22; Kulda I, 27; Rad. I, S. 249; Stoj. 32, schliessen sich mehr oder weniger an die litauischen Varianten an; einzelne Züge dagegen haben die letzteren mit fast allen hier angeführten Varianten gemein. In den litauischen Märchen ist es die Schwester, die den Verrath übt, so auch in den meisten slavischen. Die Mutter kommt vor: Af. 53 a; Drag. 14; Wenzig S. 144; Mik. S. 102; Valj. 3; Vuk. II, 8; die Frau nur Af. VI, 51. Der Räuber als Geliebter: Schleicher S. 54; Af. V, 27; 52 b; Rudč. II, 22; Kulda I, 27; Rad. I, 249; Mik. 102; Stoj. 32. – Die hülfreichen Thiere sind Af. V, 27; Wolf, Bär, Löwe; Trudy I, 48, Hase, Fuchs, Wolf, Bär, die hier ihre Milch nicht hergeben wollen, da sie giftig sei und zwei Hunde; 49 Wolf, Bär, Fuchs und zwei Hunde; Rudč. 49, Wolf, Bär, Hund, Fuchs, zwei Löwen und zwei Hunde, Protius und Nedviga; VI, 51 Wolf, Bär, Löwe; 52 Wolf, Bär, Löwe und zwei Hunde; 53 a zwei Hunde; Chud. I, 10 Wolf, Bär, Löwe; Trudy 50 Fuchs, Eber, Wolf, Bär; Rudč. 50 Fuchs, Wolf, Bär, Löwe; 51 Hase, Fuchs, Wolf, Bär, Löwe; II, 22 Wolf, Hund, Bär, Fuchs; Drag. 14, zwei Löwen; Kulda, I, 27 Wolf, Bär, Löwe; Rad. Wolf, Bär; Stoj. Fuchs, Bär, Löwe. – An Stelle der wunderbaren Flinte, des Ringes und der Ruthe, (des Stabes bei Schleicher) tritt. Rudč. 49, ein selbsthauendes Schwert; Kulda I, 27, ein Schwert, das eine befohlene Anzahl Köpfe herunterschlägt; Rad. S. 249, ein Säbel, der die Kraft von 24 Männern verleiht; Stoj. 32, ein »verlässlicher Säbel«, pouzdata sablja; Mik. 102, endlich ein kraftbringender Gürtel, Vuk. II, 8 ein Wunderring, den ihnen die Schwester (Mutter) abgewinnt. – Wie im Märchen 11, der Bruder den Saitenstrang nicht zerreissen kann, so Rudč. II, 22, 30, Saitenstränge, Wenzig eine seidene Schnur, Chud. III, 84, Frauenhaare, Vuk. II, 8 eine Sehne wie sie zum Wollzupfen gebraucht wird (?), drndarsko tetivo. – Das Abschiedblasen, womit abwesenden Freunden ein Signal gegeben werden soll, findet sich auch sonst in slavischen Märchen, von den hier besprochenen gehören hierher folgende: Af. VI, 51, wo der Held bittet noch drei Lieder singen zu dürfen, Trudy 49: auf einen Apfelbaum steigen und auf einer Pfeife spielen, dass die Engel seine Seele zu sich nähmen; ähnlich Rudč. 49, auf einem Ahorn die Schalmei blasen; ib. 50, will er auf eine Eiche hinaufklettern und nochmal in die Welt hinaus pfeifen, dass die Leute wüssten, der kühne Ivan müsse sterben; ähnlich 51; II, 22, will er nochmal vor seinem Tode die Schalmei blasen. Die Busse, die der Verrätherin auferlegt wird, wird verschieden erzählt. Chud. I, 10. soll ihr verziehen werden, wenn sie drei, mit glühenden Kohlen (жаръ) gefüllte Gruben mit ihren Thränen auslöschen kann; Trudy 48, bindet sie der Bruder[552] an einen Baum und stellt zwei Eimer vor sie, den einen leer, den andern voll Kohlen, sie soll den leeren vollweinen; Af. VI, 52 a, führt der Bruder die Schwester auf die Strasse, setzt sie auf einen steinernen Pfeiler (столбъ) und stellt zwei Kufen (чанъ) vor sich hin, die eine voll Wasser, die andere leer: »Wenn du das Wasser austrinkst, das Heu aufisst und die Kufe voll Thränen weinst, so verzeiht Gott dir und auch ich.« In einer Variante stellt er neben die Säule ein Mass (четверикъ) glühende Kohlen und will ihr verzeihen, wenn sie die Kohlen aufgegessen haben wird. Rudč. 49, hängt er an einen Baum zwei Eimer und sagt zur Schwester, wenn sie um ihn weinen würde, so würde sich der eine Eimer mit Thränen anfüllen, wenn um den Drachen, so der andere mit Blut. (Als er wieder kommt, ist der eine Eimer voll Blut); ähnlich Drag. 14, wo der Sohn die Mutter anbindet und zwei Gläser vor sie stellt und sehen will, um wen sie am meisten weinen würde. Des Drachen Glas läuft über, in dem des Sohnes ist selbst auf dem Boden nichts; Rudč. 50, wird die Schwester in den Keller gesetzt und ein Eimer vor sie gestellt, den sie vollweinen soll, dann wolle er ihr verzeihen; darauf schliesst er ab und geht weg; ebenso 51, wo sie in den Keller gesperrt wird und ein Fass vollweinen muss, Rudč. II, 22, giebt der Bruder der Schwester einen eisernen Stab, eiserne Schuhe und ein Bund Heu: »Wenn du das Heu aufgegessen hast und diese Schuhe und diesen Stock zerlaufen, so kannst du zu mir kommen.« Kuld. I, 27, schlägt der Bruder sein Pferd todt, zieht ihm halb die Haut ab und legt es in die Nähe der an einen Baum gebundenen Schwester so, dass sie nur mit Mühe sich ein Stück davon abreissen kann, damit sie nicht Hungers stirbt. Als der Bruder heirathet, lässt er sie holen: sie fängt schon an mit Moos bewachsen zu werden und wird mit Ammenmilch wieder gekräftigt. Als sie nachher wieder versucht ihren Bruder zu tödten, wird sie an einen Pfahl gebunden und solange mit Sand beschüttet, bis sie stirbt. Af. V, 28, wird die Schwester an einen Baum gebunden: Mücken und Fliegen sollen ihren Leib verzehren. Rad. S. 262, bindet der Bruder die Schwester an Händen und Füssen an einen, mitten im Zimmer stehenden Stuhl an: sie soll da sitzen und warten, bis er wieder kommt. Er kommt nach 14 Jahren wieder, sie sagt ihm lächelnd »Willkommen Brüderlein!« und zerfällt zu Staub. Gott hat ihr verziehen. Mik. S. 109, lässt der Sohn die Mutter, sich selbst neun Tage lang betrauern, dann tödtet er sie; eine Analogie zu der Schwertprobe bei Wenzig (s.o.), bietet Af. VI, 53 a, wo der Sohn über sich und die Mutter einen Pfeil in die Luft schiesst, der auf den Schuldigen (die Mutter) zurückfliegt, ein Motiv das auch in den russischen Bylinen verwendet ist; endlich Chud. III, 64, soll die Schwester bei den Thieren Verziehung erbitten: aber sowie sie sich zu ihnen niederneigt, zerreissen sie sie.

Quelle:
Leskien, August/Brugman, K.: Litauische Volkslieder und Märchen. Straßburg: Karl J. Trübner, 1882, S. 548-553.
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