[553] 14. Von dem Jungen, der die drei Königstöchter von den Drachen befreite (S. 404). – [553] 15. Von den drei Brüdern und der alten Hexe (S. 406). – 16. Von dem alten Soldaten, der die drei Königstöchter befreite (S. 407).

Ueber den Kampf mit dem Drachen, den die Märchen 14–16 zum Inhalt haben, und der als Episode schon in den Märchen 10 (S. 386), 11 (S. 399) u. 13 (S. 403) vorkam, vergl. Grimm, Anm. zu 60, III, 102: F. Liebrecht, Zur Volkskunde. Alte und neue Aufsätze, Heilbronn, Gebr. Henninger 1879, S. 65 ff., die Ragnar Lodbrokssage in Persien (Literatur S. 70); Hahn I, S. 49, Formel 13, S. 60, Formel 40; R. Köhler, Anm. zu Widter-Wolf, 4, Ebert's Jahrb. VII, S. 24–27; R. Köhler, Anm. zu Gonzenbach 40, II, S. 230 und 58, II, S. 238; R. Köhler, Anm. zu Schiefner, Awar. T. II, Vorwort S. VIII; über Drachen und Drachenkampf in der slavischen Volksliteratur: Af. V. bes. I, 559 ff., 587 ff., II, 508–635, III, 178 ff.; Afanas'ev's Anmerk. zu Af. II, 21 u. 22, S. 337; zu II, 30, S. 392; zu V, 20, VIII, S. 330; zu V, 24, VIII, S. 362; zu V, 34, VIII, S. 468; Now. I, VI, S. 234.

Die litauischen Märchen 10–16 u. 39 der vorliegenden Sammlung, lassen drei verschiedene, sich mit drei entsprechenden slavischen Versionen deckende, Versionen des Drachenkampfs erkennen: A. Der Held befreit eine, einem Drachen ausgelieferte Jungfrau, (Hahn, Formel 13, Perseussage, Georgslegende, Byline von Dobrynja Nikitič, Stich von Egorij Chrabryj; B. der Held zieht aus um Königin oder Königstochter zu suchen und zu befreien (Märchen von den drei unterirdischen Reichen, vom unbesteigbaren Berge, vom nachgebornen Helden, der seine Schwester suchen geht); C. den Helden, der drei Drachen erschlagen hat, suchen deren drei Frauen durch List zu verderben und werden von ihm erschlagen. (Gross- und kleinrussische Märchen vom Sohn der Hündin (resp. der Kuh)). – Zu A. gehören die litauschen Märchen 10, 11, 13, 39: Schleicher, S. 4, S. 54; die gross- klein- und weissrussischen, Af. II, 21, S. 227 (Perm); VI, 52 a, S. 250 (Orenburg); VII, 39, S. 277; Chud. III, 84, S. 25; 119, S. 157; Erl. 3, S. 8 (Tula); 41, S. 163 (Tula); Drag. 9, S. 283; Rudč. I, 48, S. 113 (Poltava); 49, S. 126 (Kiev); Now. I, S. 305; das polnische, Wojc. I, S. 819; die čechischen Němc. II, S. 54 = Milen. S. 100 und Rad. I, S. 262; die mährischen Kulda I, 27, S. 103 u. 54, S. 287; Menšík, 66, S. 223; das slavonische Stoj. 32, S. 147; das provinzialkroatische, Valj. 6, S. 120 u.a.m. – Die einzelnen Motive des litauischen Märchens finden in den slavischen Märchen zahlreiche Gegenstücke. So die traurige (in den meisten slavischen Märchen schwarzverhängte) Stadt, die Zungen als Wahrzeichen, der Ring und das halbe Taschentuch, das die Prinzessin dem Helden schenkt (in einigen Varianten kommt auch ein halber Ring vor, so Menšík und Valj.; einen Ring mit Namen hat Schleicher S. 54, ein halber Schleier findet sich Němc. S. 54). Wie in einigen litauischen Märchen, der Drachenkampf mit Hülfe der Thiere vor sich geht, so auch in[554] einigen slavischen und zwar in denen, die in der übrigen Erzählung den Märchen 10 und 11 entsprachen. (S. die Anmerk. zu diesen.) An Stelle des verrätherischen Kutschers, tritt, Af. VI, 52 a u. VII, 39, ein Wasserführer (vodovoz), sonst auch ein Zigeuner, Now. und Valj., gelegentlich auch ein Edelmann, ein Herzog, ein hoher Beamter. Wie in Märchen 10, der Held seinen Hund, bei Schleicher 54, den Hasen zur Prinzessin schickt, um Essen und Wein zu holen, so auch Menšík 66; Rad., wo der Bär und Kulda I, 27, wo Wolf, Bär und Löwe als Boten geschickt werden. Ueber das Wasser (des Lebens), das die Krähe in Märchen 11 holt, vgl. Af. Anm. zu VII, 5, VIII, S. 577; zu VII, 11, S. 620 und zu VIII, 8, VIII, S. 661; Af. V. bes. I, S. 364–7, II, S. 352–4 und 551–3. Auf ähnliche Weise erzählen russische Märchen häufig die Herbeiholung lebenden Wassers; von den hierhergehörigen Märchen findet sich dieses Motiv nur in Af. VI, 52 a. – Die Version B ist in drei verschiedenen Formen vorhanden: 1) Der Held befreit seine Mutter von einem Drachen oder andern Ungeheuer, das dieselbe entführt und auf einen hohen, seiner Glätte wegen unbesteigbaren Berg gebracht hat. 2) Der Held befreit ein, zwei oder drei Königstöchter, die von ein, zwei oder drei Drachen, in drei unterirdischen (in russischen Märchen kupfernen, silbernen und goldnen) Reichen gefangen gehalten werden. 3) Der nachgeborne Bruder befreit seine, vor seiner Geburt vom Drachen geraubte, Schwester von demselben. Form 1 und 2 finden sich gewöhnlich derart verbunden, dass der Held nach Befreiung der drei Königstöchter seine Mutter in einem brillantnen Schlosse (die Steigerung ist: Kupfer, Silber, Gold, Brillant) findet und befreit. Wir haben es hier mit der 2. Form zu thun, der Märchen 14 und 16 angehören. Die vollständigere Form bietet 16, in dem die Handlung unter der Erde vor sich geht, 14 zeigt nur zu Anfang das eine Motiv von der Entführung der Königstöchter und schliesst wie die Märchen der Version A. Hierzu gehören litauisch: Schleicher 128, gross-, klein- und weissrussisch: Af. I, 5, S. 43 (Archangel); 6, S. 47 (Černigov); S. 128–133 (Volksbuch) = Dietr. 5, 51; II, 22, S. 235 (Tambov); V, 54, S. 241; VII, 8, S. 91; Chud. 2, S. 7 (Tula); 43, S. 20 (Rjazań), 81, S. 1 (Rjazań), 86, S. 6 (Rjazań); 117, S. 147 (Rjazań); Erl. 3, S. 8; 4, S. 13; Trudy I, 57, S. 207 (Volhynien); polnisch: Lud VIII, 30, S. 76 (Krakau), vgl. auch Baj. III, S. 37; sorbisch: Veck. S. 71, S. 73 u. S. 244; Haupt & Schmaler, S. 171; mähr.: Vrána 27, S. 54; Kulda I, 55, S. 290; bosnisch: Djak. 4, S, 14. – Die Gegenüberstellung vom klugen und tapfern Gemeinen und den dummen und feigen Generälen, im Märchen 16, die wir auch in Märchen 18 finden, ist ein, dem russischen Märchen gewöhnlicher Zug, in dessen Soldatengeschichten die Generäle traurige Figuren bilden, der Gemeine aber (höchstens darf er Unteroffizier sein wie Erl. 40, wo der Unteroffizier Pułka hervorragende Abenteuer besteht) und besonders der Deserteur, als Held auftritt. Zu 16 ist mir allerdings augenblicklich kein Analogon aus dem Russischen bekannt: In Af. 22, S. 235, dessen Helden »der versoffene Soldat« (солдатъ-пьяннца, »Frolka der Stubenhocker« (сидня = сидень) und Erëma sind, hat Frolka die Hauptrolle, die beiden andern thun nichts, als mitgehen; dagegen sind sie nicht[555] als Verräther geschildert, wie in den andern Märchen, die Brüder des Helden. Der Schluss erinnert an 16, in dem die drei Befreier mit Geld belohnt werden. Im mährischen Märchen, Kulda I, 55, S. 290, hat die schöne Rolle ein ausgedienter Trommler, die Verräther sind: ein Feldwebel und ein Korporal. Aehnlich wie in 16, gehen die beiden letztern, mit dem vom König erhaltenen Geld ins Wirthshaus und lassen sich's gut sein, bis der Trommler sie wegholt. Zum Schluss heirathet der Trommler die eine der beiden Prinzessinnen. – Aehnlich wie im litauischen Märchen, entführt, Af. II, 22, ein Drache drei Königstöchter, als diese sich einst im Garten, beim Anschauen ihrer Blumen, verspätet haben, (vgl. auch VII, 8). – Dem Korbe und den Eisenketten, womit sich der Soldat in den Brunnen lässt, entspricht, Haupt & Schmaler S. 171, ein Schöpfeimer an einer langen Kette, bei Schleicher, ein Riemen, ebenso Af. I, 5 u. 6, ein Seil, Af. V, 54, ein Seil von Bast, VIII, 8, Lud VIII, 30, eine seidene Schnur, Kulda I, 55 u.s.w. – Der in einen Vogel verwandelte Schenkwirth, der den Soldaten an die Oberwelt bringt, ist mir sonst nicht vorgekommen, bei Schleicher ist statt dessen ein Drache, dem ein Junges aus dem Netz fällt, auf den Helden aufmerksam geworden und trägt ihn später nach oben. In mehreren slavischen Varianten hat der Held die Jungen zugedeckt, oder ihnen sonst wohlgethan; aus Dankbarkeit trägt der Vogel (Adler, Rabe, Greif, Riesenvogel (div-ptica, bosnisch) ihn auf die Erde, nachdem er ihm gesagt hat, sich mit Fleisch zu versorgen. Der Held wirft ihm während des Fliegens immerfort Fleischstücke zu, aber schliesslich ist das Fleisch alle und sie sind noch nicht oben. Aus Furcht, der Vogel könnte ihn abwerfen, schneidet er ein Stück aus seinem Bein und wirft es dem Vogel hin. Als sie ankommen, will der Vogel wissen, was das letzte Stück für Fleisch war: es habe ihm am besten geschmeckt. Der Held lässt ihn schwören, ihn nicht zu fressen und sagt es ihm, und von Mitleid gerührt, speit der Vogel das Stück wieder aus, sagt ihm, dasselbe anzusetzen und bespritzt es mit heilendem Wasser, worauf es anheilt. Vgl. Schleicher 128; Af. I, 5 und 6; Chud. 2; Erl. 4; Trudy I, 57, Djak. 5. Im litauischen Märchen nimmt der Soldat die Kleider der Königstöchter mit und sie dienen ihm später mit den Zungen als Wahrzeichen; in russischen Märchen bannt der Held die drei unterirdischen Reiche in ein kupfernes, silbernes und goldnes Ei. Er wohnt, wie im litauischen Märchen, bei einem Schuster, dem befohlen ist den Prinzessinnen zur Hochzeit Schuhe zu machen, ohne vorher Mass zu nehmen, widrigenfalls er den Kopf verliert (Chud. 2 wohnt er nacheinander bei einem Schuster, einer Schneiderin und einem Goldarbeiter, bei denen Schuhe, Kleider und Ringe bestellt sind). Er verspricht das Gewünschte zu machen, schläft aber Nachts ganz ruhig, zum Entsetzen des Schusters, der ihn weckt, worauf er ihm die fertigen Schuhe zum Hintragen giebt. Der Schuster soll nun (nach Beschaffung der Schuhe resp. Kleider) ein Schloss oder eine Brücke oder Strasse (most) in einer Nacht fertig bauen. Der Held, der Schuhe und Kleider aus dem Ei geholt hat, verwandelt nun das goldne Ei ins goldne Schloss oder holt die bestellte Brücke daraus hervor. Vgl. darüber Af. I, 6; V, 54; VII, 9; VIII, 7; Chud. 2 u. 81; Erl. 4; Trudy I,[556] 57; Lud VIII, 30; wo die Prinzessin dem Helden einen Schuh, ein halbes Tuch und einen halben Ring geschenkt hat: der Schuster soll nach dem einen Schuh, den die Prinzessin hat, den andern machen, ebenso bei Tuch und Ring; schliesslich will sie eine Strasse vom Palast zur Kirche haben, Kulda I, 55. – Es bleibt jetzt noch die Version C. Das hierhergehörige Märchen 16 behandelt nur eine Episode und zwar die Schlussepisode der Version. Die in Betracht kommenden Märchen sind folgende: russ. Af. II, 30, S. 282 (Černigov): III, 2, S. 6; VII, 3, 24; VIII, 2, S. 9 (Orenburg); VIII, 9, S. 109 (Saratov); Chud. 46, S. 43 (Rjazań); Trudy, I, 68, S. 252 (Ekaterino sl.); 69, S. 256 (Kiev); Rudč. II, 23 (Kiev); Drag. 6; Now. I, S. 254, slovak., Wenzig, S. 182. Es folge zur Orientirung über den Inhalt dieser Version eine gedrängte Analyse des ukrainischen Märchens, Now. S. 254, vom Sohne der Hündin, o Suczycu: Einem kinderlosen König wird gerathen, seiner Gemahlin einen gewissen Fisch zu essen zu geben. Vom Fische isst, ausser der Königin, die Köchin und eine Hündin. Sie werden alle drei schwanger und bringen je einen Sohn zur Welt. (Vgl. Anm. zu 10). Die drei Knaben wachsen zusammen auf, der Sohn der Hündin ist der stärkste von ihnen. Als sie erwachsen sind, ziehn sie aus, derjenige soll der Anführer sein, dessen Pfeil am weitesten fliegt: es ist Suczyc's, der in einem Palast, mitten in der Steppe steckt. Sie betreten den Palast und finden gedeckte Tische, aber keinen Menschen. Da ihnen dies verdächtig vorkommt beschliessen sie, dass jeder von ihnen in der Nacht, unter der Brücke, die auf dem Wege zum Palast ist, Wache halten soll. Zuerst kommt die Reihe an den Sohn der Königin: Suczyc übernimmt die Wache für ihn. Bevor er geht, hängt er seine Handschuhe über einen Teller und giebt den Brüdern Würfel (kości), sie sollen sich durch Spielen wach erhalten und wenn sie Blut von den Handschuhen tröpfeln sehen, sollen sie ihm sein Ross und seinen Hund schicken, denn dann sei er in Gefahr. Er versteckt sich unter der Brücke; um Mitternacht hört er Lärm und sieht einen dreiköpfigen Drachen herankommen. Auf der Brücke stolpert des Drachen Ross (böses Omen): Der Drache sagt es solle nicht stolpern, der einzige der ihn besiegen könne, Suczyc, sei weit. Nun giebt Suczyc sich zu erkennen. Sie gehen auf die steinernen Berge kämpfen; zuerst fasst der Drache den Suczyc und schlägt ihn bis an die Knöchel in den Fels, dann schlägt Suczyc den Drachen bis zu den Knien in den Stein, dann dieser ihn bis zu den Knien, und Suczyc ihn bis an den Gürtel. (Vgl. den Drachenkampf in Märchen 10. Dies die gewöhnliche Schilderung des Kampfes in den russischen Bylinen und Märchen). Jetzt haut Suczyc dem Drachen die Köpfe ab, verbrennt ihn, streut die Asche in alle vier Winde und geht zu seinen Brüdern, die er schlafend antrifft. Er macht ihnen Vorwürfe, als er aber in der nächsten Nacht, wo er für den Sohn der Köchin wacht, nach einem Kampf mit einem sechsköpfigen Drachen zurückkommt schlafen sie wieder. In der dritten Nacht kommt ein neunköpfiger Drache. Sie kämpfen lange ohne dass einer den andern besiegen kann. Suczyc kann ohne Hülfe seines Rosses und seines Hundes nichts machen, aber die Brüder schlafen und lassen sie nicht hinaus. Da, ganz ermattet, bittet Suczyc den Drachen etwas innezuhalten, er wolle seine Mütze wegwerfen. Er wirft[557] sie so stark gegen das Haus, dass das Dach niederstürzt, kann aber die Schläfer nicht wecken. Sie kämpfen weiter, Suczyc ermattet und wirft nacheinander seine Stiefeln an das Haus und zerstört das Zimmer, wo die Brüder schlafen. Sie wachen auf, sehen den Teller voll Blut und lassen eiligst Ross und Hund los, mit deren Hülfe Suczyc den Drachen besiegt. Er verbrennt ihn, geht zu seinen Brüdern und fordert sie zur schleunigen Flucht auf, denn es sei noch ein vierter Drache da, der sie nicht lebend weglassen würde. Sie fliehen; unterwegs fällt es Suczyc ein, er habe seine Handschuhe vergessen: er sagt den Brüdern zu warten, verwandelt sich in einen Kater und setzt sich unter ein Fenster des Hauses. Drinnen berathen sich der Drache seine Frau und drei Töchter, wie sie wohl Suczyc und seine Brüder verderben können. Die älteste Tochter will vorausfliegen und sich in einen Apfelbaum mit silbernen und goldnen Blättern und ebensolchen Aepfeln verwandeln, deren Duft die Lust rege macht, sie zu pflücken und zu essen: sobald sie davon essen, sterben sie auf der Stelle. Die mittlere will sich in einen Brunnen verwandeln, wenn einer davon trinkt kommt er sofort um. Die jüngste will zu einem goldnen Bett werden, wer sich darauf legt, stirbt sofort. Die alte Drachenmutter will ihre Flügel vom Himmel zur Erde ausspannen und den Ra chen aufsperren um alle zu verschlingen. Der alte Drache will das thun, was er allein weiss. Suczyc hat alles gehört, er miaut um Einlass, wird eingelassen und spielt mit den Handschuhen, die er endlich aus dem Fenster wirft, worauf er selbst hinausklettert, sich in eine Taube verwandelt und mit den Handschuhen wegfliegt. Jetzt erkennen sie, dass es Suczyc war. – Die Brüder ziehen weiter und kommen an den Apfelbaum. Der Sohn der Königin und der der Köchin wollen Aepfel pflücken, allein Suczyc hält sie zurück und haut mit seinem Schwert kreuzweis auf den Baum; demselben entströmt Blut. Ebenso geht es mit Brunnen und Bett. Die Drachenmutter verfolgt sie; sie kommen zu einer Zauberin, die ihnen räth, drei flache Salzkuchen, von je drei Pud Salz zu machen und wenn die Drachenmutter sie einholen würde, ihr je einen Kuchen in den Rachen zu werfen, dann würde sie jedesmal ans Meer zurück müssen, um ihren Durst zu löschen; unterdessen sollten sie die Schmiede des Kuźma-Damian1 zu erreichen suchen: er sei der einzige der sie retten könne. Sie kommen zu Kuźma-Damian der sofort die zwölf eisernen Thüren der Schmiede zumachen lässt. Die Drachenmutter kommt an und verlangt die Auslieferung der drei, widrigenfalls sie Kuźma-Damian's Schmiede in Brand stecken würde. Er sagt er wolle sie ausliefern, sie möge die zwölf Thüren durchlecken, dann würde er ihr die drei Leute auf die Zunge legen. Sie thut es; er aber hat eine glühende Zange im Feuer; mit der packt er die Zunge, und Suczyc haut auf den Kopf der Drachenmutter, bis sie klein beigiebt. Dann spannen sie sie vor einen 200 Pud schweren Pflug und wollen[558] die Welt umpflügen. Wo ein Fluss dazwischenkommt, säuft ihn die Drachenmutter aus, bis sie ans Meer kommen, da säuft sie, bis sie platzt. Die Erdschollen aber die unter dem Pflug aufgewühlt wurden und hoch wie ein Wall lagen, sind heute noch da und man nennt sie den Drachenwall. (Das Märchen geht weiter). – Es ist offenbar, dass Märchen 15 nichts ist, als eine Variante einer Episode des vorstehenden Märchens, vermischt mit Elementen des Märchens, dessen litauische Fassung wir in Märchen 5, Nachschrapselchen vor uns haben. Dorthin gehört das Uebernachten bei der Hexe und das Beilegen der Töchter, ferner die Erwähnung des fünfjährigen Dienstes beim König. Aus dem eben besprochenen Märchen aber stammen die drei Tischchen (Hexentöchter), in die sich Apfelbaum, Brunnen und Bett, der Hieb mit dem Stecken, in den sich der Kreuzhieb mit dem Schwert verwandelt hat. Die Spaltung der Tische in eine gute und giftige Seite, ist wohl spätere Zuthat, in den mir bekannten Varianten des Märchens findet sich nichts davon. Das Aufsperren des Rachens bis zum Himmel findet sich in mehreren Varianten, die drei Fässer, die der Held hier ganz unmotivirt in den Drachenschlund wirft, sind eine Reminiscenz an das Salz im kleinrussischen Märchen. Der mächtige Schmied Kuźma-Demian, ohne dessen Hülfe die drei Gefährten verloren gewesen wären, muss sich hier mit der passiven Rolle begnügen, dem Jüngling eine 15 Pud schwere Klammer zu verkaufen. Die Klammer selbst, mit der des Drachen Unterkiefer an die Erde festgeschlagen wird, ist das Ueberbleibsel von der glühenden Zange, die die Zunge der Drachenmutter packte, »der Drache war aber niemand als die alte Hexe« richtiger: die alte Hexe ist aber niemand als der Drache.

1

Auch Kuźma-Demjan, die beiden Heiligen Kosmas und Damianus, die hier als eine Person aufgefasst werden. Ueber Kuźma-Demjan den »göttlichen Schmied« (božij kovalj), vergl. Af. V, I, S. 560–2 u. 584.

Quelle:
Leskien, August/Brugman, K.: Litauische Volkslieder und Märchen. Straßburg: Karl J. Trübner, 1882, S. 553-559.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Suttner, Bertha von

Memoiren

Memoiren

»Was mich einigermaßen berechtigt, meine Erlebnisse mitzuteilen, ist der Umstand, daß ich mit vielen interessanten und hervorragenden Zeitgenossen zusammengetroffen und daß meine Anteilnahme an einer Bewegung, die sich allmählich zu historischer Tragweite herausgewachsen hat, mir manchen Einblick in das politische Getriebe unserer Zeit gewährte und daß ich im ganzen also wirklich Mitteilenswertes zu sagen habe.« B.v.S.

530 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon