[522] 3. Vom Igel, der die Königstochter zur Frau bekam (S. 355).

[522] Von diesem Märchen sind mir zwei westslavische Varianten bekannt, eine polnische, Lud, Ser. III, Kujavy 1. No. 13, O Jeżu zaklętim, (Vom verwünschten Igel) S. 142 und eine čechische, Rad. I, Ježek ženichem (der Igel als Bräutigam), S. 94.

Im polnischen Märchen sieht eine kinderlose Frau einst einen Igel und sagt: »Wenn mir doch der Herrgott wenigstens eine Igel schenken wollte (Ažeby my (mi) pan Bóg dał choćby jeża)!« Der Wunsch wird erhört und sie und ihr Mann freuen sich über den Igel, der sich nützlich macht und dem Vater das Essen aufs Feld trägt, und als die Reihe (kolejka) an die Mutter kommt, die Schweine zu hüten, übernimmt er diese Arbeit und treibt die Schweine in den Wald, wo er sechs Jahre bleibt. Dabei sitzt er unter einem Pilz oder unter einem Farrenkraut. Einst verirrt sich der König. Der Igel bietet sich ihm an, ihm den Weg zu weisen, wenn er ihm seine Tochter zur Frau geben wolle. Der König denkt, ihn mit dem blossen Versprechen abzufertigen, aber er verlangt einen geschriebenen Schein und des Königs Taschentuch mit dessen Namen (niech my król da karteczkę na piśmie i chusteczkę ze swoim znakiem), was dieser ihm auch endlich giebt, indem er denkt, von seinen drei Töchtern würde doch keine den Igel nehmen. – Nach einigen Wochen treibt der Igel die stark vermehrte Heerde ein und bittet seinen Vater, ihm Sattel und Zaum zu einem Hahn machen zu lassen (siodło i uzdeczkę na kuroka (koguta), er ginge in die weite Welt, wohin, will er nicht sagen. Er reitet nun auf das Königsschloss, zeigt Schein und Tuch vor, die Wachen lassen ihn ein und der Hahn fliegt mit ihm durchs Fenster hinein. Der Konig ruft seine Töchter – keine will den Igel. Der König will ihn tödten und ruft sein Heer zusammen, den Igel zu erschiessen. Aber dieser hat eine Pfeife, »(denn er war verwünscht (bo był zaklęty))« und auf sein Pfeifen kommt ein noch grösseres Heer von lauter Igeln und besetzt die Umgegend. Der König weiss sich nicht zu helfen, da opfert sich die jüngste Prinzessin, es wird Hochzeit gemacht und der Igel fährt an ihrer Seite im Wagen. Am nächsten Morgen bemerkt sie, dass bei ihr ein schöner Jüngling liegt, und alle freuen sich über den schönen Krieger (wojeczny = wojak). Das Igelheer wird auch zu Menschen; der verwandelte Prinz lässt dann seine Eltern holen und wird König.

Im čechischen Märchen wünscht die Frau: Ach wenn ich doch wenigstens einen Igel hätte (I kdybych alespoň jenom ježka měla)! Am andern Morgen fährt vom Ofen herab (sjede s pícky) ein Igel, der das Ehepaar Vater und Mutter nennt und über den die Frau sehr bestürzt, der Mann sehr ärgerlich ist. Der Igel verlangt vom Vater Hirtenstab und Riemenpeitsche (žilu), er will die Schafe weiden. Er treibt sie in den Wald, wo sie sich in einem Jahre verdoppeln; er selbst hält sich in einem hohlen Baum auf. – Einst zeigt er einem verirrten Fürsten den Weg, gegen ein schriftliches Versprechen, dass dieser ihm nach einem Jahr eine seiner drei Töchter zur Frau gebe. Er treibt dann ein und hilft seinen Eltern und alle Arbeit geht ihm leicht von der Hand. Nach Ablauf des Jahres bittet er, dass ihm ein Hahn gesattelt[523] würde. Dem Hahn wird als Zaum ein Faden in den Schnabel gelegt und der Igel reitet in das Schloss des Fürsten. Der ist bereit ihm eine Tochter zu geben. Die zwei ältesten weigern sich, die jüngste will ihrem Vater zu lieb den Jgel heirathen und wird von den Schwestern verspottet. Nach der Trauung will der Jgel nach Haus, lässt sich aber bereden beim Fürsten zu bleiben. Im Brautgemach weint die Prinzessin bitterlich, den Igel dauert sie und er sagt sie solle ein Messer nehmen, unter seinem Hals ansetzen und rasch und stark damit hinunterfahren (Vezmi tento nůž, zasaď jej pod můj krk, a trhni hbitě a silně až dolů). Sie gehorcht und der Jgel wird zum schönen Jüngling, der erzählt, wie er wegen des frevelhaften Wunsches seiner Mut ter als Jgel zur Welt gekommen sei u.s.w. Die beiden ältern Schwestern bringen sich aus Neid um. Der Jgel holt seine Eltern zu sich aufs Schloss. –

Von ausserslavischen Märchen vgl. Grimm K. n. H. M. Gr. Ausg. 8. Aufl. 1864. II, No. 108 »Hans mein Igel«, S. 114 und die Anm. dazu III, (3. Aufl. 1856) S. 189. Das deutsche Märchen hat mit dem litauischen den Zug gemein, dass darin der Igel zwei Königen (im litauischen drei Leuten) den Weg weist. Der Betrug, sowie die Weigerung der Prinzessin, die erst auf des Igels Drohung mitgeht und dann zerstochen zurückgeschickt wird, ist im litauischen vergessen, wo die beiden ersten ausgelieferten Mädchen gutwillig mitgehen und einfach zurückgeschickt werden, ebenso wie die Königstochter nicht gefragt wird, sondern vom Igel ohne weiteres nach Hause gebracht wird. Ebenso verblasst ist der Schluss, sowie der Anfang des litauischen Märchens. Der Igel wird im Walde gefunden, nicht wie im deutschen und in den beiden slavischen durch den Wunsch erlangt, und bleibt zum Schluss Igel, während er im slavischen und deutschen Märchen entzaubert wird. Mit den beiden slavischen Märchen theilt das litauische den Umstand, dass der Igel ganz als Thier auftritt (im deutschen ist er oben Igel unten Mensch) und das Detail, dass derselbe erst zur Brautfahrt den Hahn als Reitpferd benutzt.

Quelle:
Leskien, August/Brugman, K.: Litauische Volkslieder und Märchen. Straßburg: Karl J. Trübner, 1882, S. 522-524.
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